Kraft und Leben 1. Lesung: Jer 23,1-6|2. Lesung: Eph 2,13-18|Evangelium: Mk 6,30-34
Letzten Sonntag hörten wir wie Jesus die Apostel aussendet, jeweils zu zweit, ohne Vorratstasche, allein mit einem Stab. Heute hören wir von ihrer Rückkehr zu Jesus. Sie erzählen von ihren Erfahrungen. Jesus schlägt ihnen vor, an einen einsamen Ort zum Ausruhen zu gehen. Doch es kommen und gehen ständig Leute. Man wundert sich ein wenig, dass Jesus diese verstörende Unruhe zulässt. Wir kennen Situationen, in denen Jesus einfach von der Menge weggeht und sie stehenlässt. In diesem Zusammenhang dürfte der Satz von Jesus von Bedeutung sein: Sie sind wie Menschen, die keinen Hirten haben.
Die Leseordnung hat zwischen der Aussendung und der Rückkehr der Apostel einen Abschnitt ausgelassen, der wohl wesentlicher Grund dieser verstörenden Unruhe sein dürfte. Im Volk hat sich die Nachricht verbreitet, dass Johannes der Täufer vom König Herodes hingerichtet wurde. Erschütternd für die Menschen ist nicht nur das Faktum der Hinrichtung, sondern auch die Umstände wie es dazu kam.
König Herodes residiert auf der Burg Machärus im heutigen Jordanien. Es ist der Sohn Herodes des Großen. Er hat sich in ein junges Mädchen „vergafft“. Der Tanz der Tochter der Herodias hat ihn betört. Er hat ihm so gefallen, dass er ihr einen Wunsch freigab. Sie beriet sich mit der Mutter, die eine offene Rechnung mit Johannes hatte, weil er ihre Eheschließung kritisierte. Herodias sah die Chance gekommen und machte der Tochter den fatalen Vorschlag, den Kopf des Johannes zu fordern. Herodes, der grundsätzlich großen Respekt vor Johannes hatte, sah sich an sein gegebenes Wort gebunden und gab dem Wunsch der Tochter nach.
Die Frage, die die Menschen beschäftigt: Was tun angesichts dieser menschlichen Willkür und dieser politischen Situation gegenüber den kleinen Leuten? Wie auf diese Tyrannei reagieren? Es heißt dann: Jesus lehrte sie lange.
Die Bibel ist über weite Strecken eine Untergrundschrift. Viele Texte sind so verfasst, dass es weder für den Schreiber noch den Leser gefährlich wurde, sollte er in falsche Hände kommen. Allein den Insidern war die Botschaft klar. So dürfen wir davon ausgehen, dass die Sätze – Jesus hatte Mitleid mit ihnen; sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben, und: Jesus lehrte sie lange – viel über die Menschen und ihre Situation sagt. Da geht es um mehr als nur um ein frommes Gespräch. Jesus hilft diesen wehrlosen Menschen wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Es sind die Diskussionen: Reagieren wir mit oder ohne Gewalt? Aufstand – ja oder nein? Was wollen oder können wir tun?
Die Gespräche dauern bis zum Abend. Da schlagen die Jünger vor, die Menschen nach Hause zu schicken und sie Brot kaufen können. Wir wissen, was folgt, nämlich die Brotvermehrung. Gebt ihr ihnen zu essen, sagt Jesus zu den Jüngern. Ausgehend von fünf Broten und zwei Fischen werden allein fünftausend Männer satt.
Die Brotvermehrung – das dankbare Teilen – ist eine Antwort auf diese herausfordernde Situation. Ich erwähne dies deshalb, weil die Leseordnung sie auslässt. Sie wird nicht gelesen, sondern an ihrer Stelle folgt die Brotvermehrung aus dem Johannesevangelium. Diese steht in einem ganz anderen theologischen Sinnzusammenhang. Die Brotvermehrung bei Markus berührt diese angespannte, politische Situation. In ihr kommt die Antwort Jesu zum Tragen. Lasst euch nicht auseinanderdividieren. Steht zusammen! Teilt, was ihr in der Hand habt! Lasst euch von „Oben“ stärken. Es waren fünftausend Männer, die satt wurden. Da ist Kraft. Da ist Leben.
Zum Schluss will ich nochmals auf das heutige Evangelium und Jesu pastorales Handeln zurückkommen. Es lassen sich einige Schlüsse ziehen: Ein erster: Jesus lässt sich von der Not, den brennenden Fragen und Sorgen der Menschen stören. Er hat Mitleid mit den Menschen und lässt seine ursprünglichen Pläne fallen.
Ein zweiter: Bei der Brotvermehrung bei Markus ist die gesellschaftliche, politische Dimension mitzudenken. Es geht nicht nur um geistliche Nahrung, sondern vor allem auch um Zusammenhalt und Zusammenstehen in der Not. Willkür und Ohnmacht macht Angst und droht zu spalten. Die Eucharistie führt uns einen anderen Weg.
Eine dritte: Jesus lehrte lange. Er suchte das Gespräch. Er nahm sich Zeit für die Gespräche. Er spricht hier nicht mit einem ausgewählten Zirkel, sondern mit vielen. Da sind viele Stimmen, viele Meinungen, viele Haltungen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jeremia anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Ephesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten: