Lernende bleiben 1. Lesung: 1 Kön 19,4-8|2. Lesung: Eph 4,30-5,2|Evangelium: Joh 6,41-51
Elija ist am Ende. Er will sterben. Warum kommt er in diese Situation? Dieser Frage gehe ich nach. Vorweg sei ebenso erwähnt, dass dieser Erzählzyklus ein Argument für den Vorwurf war: Das Erste Testament habe es mit einem Gott der Gewalt und Rache zu tun, im Neuen Testament habe Jesus den Gott der Liebe verkündet. Einem solchen Zugang muss mit aller Schärfe widersprochen werden.
Es gilt ein wenig auszuholen: König Ahab heiratete die ausländische Prinzessin Isebel (1 Kön 16,29-34). Sie brachte den Baalskult mit nach Israel. Baal – ein Gott der Fruchtbarkeit. Dazu holte sie viele Priester. Es mag harmlos klingen, aber die Priester hatten die Aufgabe das Volk umzuerziehen, sie zu indoktrinieren.
Der Prophet Elija stellt sich diesen Priestern und ihrem Handwerk entgegen. Er fordert sie zu einem „Duell“ heraus. Er will klären, auf wen Gott hört, beziehungsweise wer der Lebendige Gott ist, der die Gebete erhört? Dazu sollen die Baalspriester einen Altar aufstellen, Holz darauflegen und einen Stier für das Opfer bereiten. Sie bereiteten alles vor und begannen zu beten. Sie beteten bis zur Ekstase, doch es geschah nichts; kein Feuer, keine Erhörung bis zum Abend.
Danach baute Elija einen neuen Altar, legte Holz darauf und das Opfertier. Dann zog er einen tiefen Graben um den Altar und das Gesamte überschüttete er dreimal mit Wasser. Dann begann er zu beten und siehe das Holz fängt an zu brennen. Das Feuer leckte auch das gesamte Wasser auf, so heißt es (1 Kön 17,38). Die Leute warfen sich nieder und beteten den Gott Israels an. Er ist Gott, der Herr. Zugleich nahm die mehrjährige Dürre im Land ein Ende.
Bis dahin wird berichtet, dass Gott zu Elija sprach und Elija das Gesagte jeweils in die Tat umsetzte. Nun kommt eine wichtige Wende, die man leicht überlesen kann. Die Frage nach dem lebendigen Gott ist entschieden. Für Elija ist es zu wenig. Er ruft die Baalspriester zusammen und lässt sie am Bach Kishon umbringen (1 Kön 18,40), mehr als achthundert. Er tut dies nicht mehr auf das Geheiß Gottes hin, sondern das Morden der Baalspriester entspringt seinem eignen Denken.
Später kommt Elija an den Gottesberg Horeb und muss lernen, dass das Wesen Gottes ein völlig anderes ist. Es heißt: Gott war nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer, sondern im sanften, leisen Säuseln. Mit anderen Worten: Elija lernt gerade in dieser Situation, dass Gott kein Gott der Gewalt ist. Sein Wesen und sein Wirken gleicht dem sanften, leisen Säuseln des Windes (1 Kön 19,12).
Nun nochmals zurück zu Elija, der die Baalspriester hat umbringen lassen. Seine Tat wurde der Königin Isebel berichtet. Sie schwor ihm Rache und sandte Männer aus, um ihn zu töten. Er ergriff die Flucht in die Wüste. Da sind wir wieder bei der Lesung. Er hat sich niedergelegt und will sterben. Ihm wird sein menschliches Versagen bewusst. Er ist nicht besser als die anderen Menschen, als die Väter: gewalttätig, rachsüchtig. Er ist dem alten Muster menschlichen Tuns verfallen. Er macht zudem Gott Vorwürfe. Ich war der letzte, der für dich leidenschaftlich eingetreten ist (1 Kön 19,10). Nun blieb mir nur noch die Flucht. Ich bin zum Heimatlosen, zum Vertriebenen geworden. Es ist doch alles umsonst. Wie Jona will er also unter einem Ginsterstrauch sterben.
Ein Engel rührt ihn an: Steh auf und iss! (1 Kön 19,5). Er rührt ihn sogar ein zweites Mal an, um ihn aufzurichten. Einige Erkenntnisse dazu:
Gewalt, Rache u.ä. führt oder bringt Menschen in die Wüste. Es bringt Menschen an den Abgrund des Daseins und Lebens.
Elija ist neben Moses die große Prophetengestalt im Ersten Testament. Die Bibel schont keinen der großen Gestalten, auch nicht Abraham oder David. Sie übt jeweils Kritik an dem Fehlverhalten, manchmal massiv. Zugleich darf Elija erfahren, dass er von Gott nicht fallen gelassen wird. Engel sorgen für Essen und Trinken, für seine Stärkung und sorgen für neuen Mut. Es sind wesentliche Aspekte des Glaubens: Immer wieder aufstehen, weitergehen und lernend bleiben.
Nach der Begegnung am Gottesberg Horeb wird Elija erneut berufen. Er soll sein Werk weiterführen. Er soll in ein neues Land gehen und einen Nachfolger – Elischa – einsetzen.
Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich. Manchmal wird ein Engel uns so etwas sagen. Manchmal sind wir berufen, ein solcher Engel zu sein.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Könige anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Ephesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
7 Kommentare zu “Lernende bleiben 1. Lesung: 1 Kön 19,4-8|2. Lesung: Eph 4,30-5,2|Evangelium: Joh 6,41-51”
Das gibt einem schon zu denken: Ein Mensch, von Gott in Dienst genommen, wird “aus eigenem (!!) Entschluss” zum Massenmörder, was bis auf das schlechte Gewissen des Täters, das ihn in eine Wüstenzeit treibt, kaum Folgen zeitigt. ER schickt dem, der gegen die Intentionen seins “Dienstgebers” handelt – aus Eigenwillen Blut vergießt, Rache übt, den Kreislauf der Gewalt in Gang setzt – dem schickt er ‘post festum’ seine Boten, die Engel, die ihn für den nächsten Job in einem anderen Land mit Brot und Wasser ‘aufpäppeln’. – Ich weiß, die Frage ist vielleicht müßig, aber sie drängt sich mir auf: Wenn ER so ist, wie der Predigttext IHN zu zeichnen sucht, wieso schickt ER seine Engel erst NACH der geschehenen, fürchterlichen Tat und nicht schon VORher, am besten WÄHREND der gute Mann seine mörderische Entscheidung trifft? – Oder hat ER es vielleicht getan und er – und ich auch? – haben’s überlesen, übersehen, nicht erkennen können, wollen?
Die Menschen sind gewarnt, mehrfach gewarnt. Die Schrift erzählt auf vielfache Weise, was Gewalt bewirkt, zerstört und kaputt macht. Der Erzählzyklus des Elija hebt im Besonderen hervor, dass gerade Gewalt im Namen Gottes nicht taugt und verwerflich ist. Wir erleben immer wieder Menschen, Gruppen oder auch ganze Bewegungen, die meinen Gott mit Gewalt verkünden zu müssen. Ihnen allen gilt eine Absage.
Erich Baldauf
Danke für deine Replik. Sie geht auf (m)eine theo-logische Frage in der anthropo-logischen Ebene ein. Das ist ok, verschiebt sie allerdings nur – in einen parallelen Kontext. Schönen Sonntag!
Walter B.‘s Gedankengang ist gut nachvollziehbar, wenn ich die biblischen Erzählungen wie historische Texte betrachte, von einem „Zeitzeugen“ beobachtet oder später als Dokumentation recherchiert. Da dies aber nicht der Fall ist, verhakt sich da oft unsere menschliche Logik beim Verständnis der Zusammenhänge.
Wenn die Schreiber den Weg des Volkes Israel mit Gott schildern wollten, dann konnte dies nicht in differenzierten Bildern erfolgen und schon gleich gar nicht mit all dem religionsphilosophischen Hintergrund, der uns heute zur Verfügung steht. Die „Moral von der Geschichte“ wird oft in der Form von „schwarz:weiss“ vermittelt und dadurch nur unvollständig der Vorstellung von Gott noch unserer Erfahrung in den Nuancen des Lebens gerecht.
Die eigentliche Frage ist deshalb: Welche Botschaft will Gott mir/uns ans Herz legen?
Es ist hilfreich, was Frère Roger von Taizé einmal sinngemäß sagte: „Setze das vom Evangelium/ Bibel in die Tat um, was du jetzt verstehst“ – und dies mit ehrlicher Hingabe. Das weist auf ein stufenweises Erkennen von Zusammenhängen hin und vor allem auf das notwendige Wirken von Gottes Geist.
In diesem Sinne berücksichtigt obige Bibel-Betrachtung einen durch die Kirchengschichte und für uns wichtigen Aspekt, dass selbst „guter Wille“ und „religiöser Eifer“ ohne ernsthafte Hinterfragung in eine gefährliche Irre führen können.
Dass uns Menschen jeglicher Couleur als „Engel“ geschickt werden können und wir ebenfalls für andere zu „Engel“ berufen werden, ist an dieser Stelle ein tröstlicher Gedanke.
Danke für Ihre ausführliche Antwort. Darf ich nachfragen, hinsichtlich der (versteckten, untergeschobenen) Gewalt im Bild von Gott, das die biblische Erzählung anhand des Handelns des Propheten zeichnet: Wie lautet hier die bzw. Ihre “Moral von der Geschichte”? – Gute Tage!
Danke für Ihre ausführliche Antwort. Darf ich nachfragen, hinsichtlich der (versteckten, untergeschobenen) Gewalt im Bild von Gott, das die biblische Erzählung anhand des Handelns des Propheten zeichnet: Wie lautet hier die bzw. Ihre “Moral von der Geschichte”? – Gute Tage!
Leider ist das Thema insgesamt zu umfangreich, um ihm mit ein paar laienhaften Gedanken in Schriftform gerecht zu werden. –
Kurz gesagt ist für mich auch in diesem Fall die „Moral von der Geschicht“, dass wohl jeder Mensch ein Konglomerat von Gut und Böse ist und die Gewichtung nicht stabil sondern schwankend ist.
Tröstlich bleibt, was bei 1. Sam. 16:7 steht: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber schaut auf das Herz“, – und am Ende werden wir nach der Liebe beurteilt und nicht wie in der Schule nach verinnerlichten Lehrsätzen, die in jeder Konfession und Religion sich anders anhören.
Es bleibt aber auch die demütige Matthäus-Bitte (6:11): “Erlasse uns unsere Schulden (an Liebe!), wie auch wir sie unsern Schuldnern erlassen haben.”