Menschenfischer sein 1. Lesung: Jes 6,1-2a.3-8|2. Lesung: 1 Kor 15,1-11|Evangelium: Lk 5,1-11
Vermutlich hat Jesus öfters ein Wechselbad der Gefühle durchlaufen. Wir haben noch in Erinnerung, dass ihn die Leute in Nazaret beim ersten Auftritt den Abhang hinunterstürzen und töten wollten. Er macht sich auf den Weg nach Kapharnaum, lehrt und heilt und da werden noch nach Sonnenuntergang Menschen zu ihm gebracht, die er von allen möglichen Krankheiten heilen soll.
Er plant nach Auftritten in Nazaret und Kapharnaum in weiteren Synagogen zu lehren. Auf dem Weg am Ufer des Sees Genesaret entlang wird er aufgehalten. Hier wollen ihn die Menschen nicht töten, sondern hören. Er wird sogar bedrängt, zu ihnen zu sprechen. Das heißt, es muss ihm ein Ruf vorausgegangen sein, dass ihn Themen umtreiben, die für sie Hoffnung und eine bessere Zukunft verheißen.
Offen bleibt, was Jesus vom Boot aus, die Menschen gelehrt hat? Da sind wir an den ersten Auftritt in Nazaret erinnert. Jesus zitiert den Propheten Jesaja und macht den Inhalt zu seinem Programm: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19).
Auf dem gesellschaftlichen Hintergrund, dass über 90% der Menschen am Existenzminimum leben, lassen sich die Themen erschließen, die Jesus anspricht: Die Armut so vieler ist nicht einfach hinzunehmen. Was können wir dagegen tun? Armut ist oft Ursache für Kriminalität und Gewalt. Kriminalität und Gewalt tragen zur Verarmung bei. Es bricht Menschen an Leib und Seele. Wie können wir sie aufrichten? Wie können wir sie in ein anderes Leben führen – in Freiheit und Würde?
Hoffnung sahen die Menschen vor allem in der Durchführung eines Gnadenjahres oder auch „Jobeljahr“ genannt. Es war ein Gebot Israels, das alle fünfzig Jahre zur Anwendung kommen sollte. Ob es historisch einmal durchgeführt wurde, ist nicht gesichert; vielleicht kam es am Ende der Wüstenwanderung und beim Einzug ins gelobte Land zum Tragen. Inhalt des Gebotes war: Jeder Israelitin, jedem Israelit wird die Chance zu einem Neuanfang gewährt. Hatte jemand sein Vermögen verloren, wurde ihr oder ihm so viel zurückerstattet, damit sie oder er neu beginnen konnten. Wurde jemand zum Sklaven, wurde er wieder frei. Es bedeutet natürlich, dass jene, die Reichtum anhäuften, davon abzutreten hatten. Der Besitz wurde neu aufgeteilt. Was Jesus mit den Menschen bespricht, sind mehr als ein paar vertröstende, frömmelnde Worte.
Übrigens: Dieses Gebot des I. Testamentes ist nicht aufgehoben. Es ist ein Beitrag, die Existenz eines Menschen zu sichern, beziehungsweise ein Leben in Würde zu ermöglichen. In der gesellschaftspolitischen Debatte über die Grundsicherung für jeden Menschen kann man den einen oder anderen Berührungspunkt erkennen.
Jesus ist nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch der Tat. Anschließend erleben die Fischer und die Anwesenden gegen alle Erwartungen den reichen Fischfang. Die Fischer haben die ganze Nacht nichts gefangen. Ausgefischt. Im scheinbar leer geglaubten See ist so viel da, dass die Netze zu zerreißen drohen. Es ist so viel da, dass sie erschrecken. Es braucht die gegenseitige Hilfe, damit sie den Fang an Land bringen können.
Bei der Brotvermehrung dankt Jesus für die fünf Brote und zwei Fische, die ihm in die Hand gegeben werden und beginnt sie auszuteilen. Es folgt die Erfahrung: alle werden satt. Es ist auch heute in der Welt genügend da, doch das Teilen gelingt (noch) nicht. Die Botschaft der Brotvermehrung lautet: Das dankbare Teilen lässt alle satt werden.
Aus dem Gesagten und der Erfahrung des Fischfangs heraus, spricht Jesus Petrus an: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Es ist da eine Haltungsänderung angesprochen, auf die aufmerksam zu machen ist. Sie besteht darin, dass sich Petrus nun in den Dienst der Menschen stellt. Er hätte auch weiter Fischer bleiben können, aber das Fischen soll nicht allein zu seinem Lebensunterhalt und der Sorge für sich selbst dienen, sondern eben auch den Mitmenschen. Menschen fischen ist das Dasein für Menschen, denen das Wasser – aus welchen Gründen auch immer – bis zum Hals steht, die Not leiden.
Beim Begriff „Menschenfischer“ schwingt heute manchmal die Gefahr mit, dass Menschen für den Eigenerhalt von kirchlichen Gruppen oder Kreisen verzweckt werden. Dieser andere Aspekt, nämlich das Dasein für Menschen in Not, findet in Berufungsgesprächen wenig bis gar keine Beachtung.
Jesus ruft Petrus in seinen engeren Kreis. Er geht in die Lehre des Menschenfischens. Petrus ist ein Fischer, übt einen Beruf wie viele andere aus. Er ist kein Priester oder Prophet.
Ich habe viel Hoffnung für eine Kirche, die das Menschenfischen lernt, vielleicht sogar das Hauptaugenmerk darauf ausrichtet. Die Basisgemeinde „St. Egidio“ mit dem Ursprung in Rom könnte Vorbild sein. Jede und jeder der Gemeinde lebt eine freundschaftliche Beziehung zu einem Menschen, der oder die in Not geraten sind. Es kann Nachhilfeunterricht bei Kindern sein, eine freundschaftliche Beziehung zu einem Menschen auf der Straße oder der regelmäßige Kontakt zu einem Menschen mit Migrationshintergrund sein.
Vielleicht könnte es bei uns der Kontakt zu Alleinstehenden, zu armutsgefährdeten Personen … sein. Vielleicht denkt jemand, so etwas lebe ich bereits.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: