Mit Gott unterwegs bleiben 1. Lesung: Jes 66,18-21 |2. Lesung: Hebr 12,5-7.11-13|Evangelium: Lk 13,22-30
Der Text der heutigen ersten Lesung ist revolutionär. Er zeigt, dass Gott als der Ewige weiter und größer denkt, als wir uns das vorstellen können. ER ist nicht festgefahren in Bestimmungen und Gesetzen, ER ist außerordentlich flexibel, wenn es die Umstände fordern.
Der heutige Text ist das Ende des Buches Jesaja. Am Schluss soll die Ankündigung des endzeitlichen Heils für die Frommen stehen.
Ein spannender Text auch für unsere heutige Zeit. Der Anfang des Textabschnittes, der heute nicht gelesen wird, beginnt damit, dass Gott bezweifelt, dass ein Haus für ihn – ein Tempel – der passende Ort seiner Ruhe sein könne. Gott verweist darauf, dass die ganze Erde sein Haus sei: „Dies alles hat meine Hand gemacht und so ist dies alles geworden“ (Jes 66,2). Gebäude – auch wenn sie aus redlichen Gründen des Gottesdienstes gebaut worden sind – bergen die Gefahr, dass sie zweckendfremdet und für Opferkulte und Götzendienst genutzt werden. In der Folge beschreibt Gott, worum es ihm geht und was seine Priorität hat: „Auf den blicke ich: auf den Armen und auf den, der zerschlagenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort“ (Jes 66,2).
Der Text der 1. Lesung beginnt mit drakonischen Strafmaßnahmen Gottes. Man könnte sagen, sie spiegeln seine Verzweiflung wider, denn ein paar Zeilen früher wird beschrieben, „ich rief und niemand antwortete, ich redete und sie hörten nicht“ (Jes 66, 4). Der Wiener Oberrabbiner Jaron Engelmayer hat kürzlich darauf hingewiesen, dass die Tora der überlieferte Wertekanon Gottes sei. Gott lädt in der Geschichte sein Volk immer wieder ein, diesen Wertekatalog mit ihm zu teilen. Er schließt mit seinem Volk mehrere Bünde, in denen sich nicht nur das Volk zur Einhaltung verpflichten soll, sondern zuallererst verpflichtet sich Gott selbst zur verlässlichen Einhaltung. Nun muss Gott aber zu Kenntnis nehmen, dass sein Volk einmal mehr den Wertekatalog mit ihm nicht mehr teilen möchte.
Nun wird es revolutionär. Nachdem das Volk wieder abtrünnig geworden ist, erweitert er die Gruppe jener Menschen, die eingeladen sind, den Weg mit ihm zu gehen. Gott will alle Nationen und Sprachen versammeln und lädt alle ein, seine Herrlichkeit zu sehen. Warum wendet sich Gott nun an alle Nationen? „Ich kenne ihre Taten und ihre Gedanken“ (Jes 66,18). Es wird also an Taten und Gedanken sichtbar, ob Menschen den Wertekatalog Gottes teilen und dies kann auch an Orten der Fall sein, die noch keine Kunde von ihm gehört und seine Herrlichkeit noch nicht gesehen haben. Am Ende wird diese Sammelbewegung zum heiligen Berg nach Jerusalem ziehen und dort Gottesdienst feiern. Nun kommt nochmals ein entscheidender Satz. Sie werden auf ihre eigene Weise, mit eigenen Riten und Ritualen nach Jerusalem aufsteigen und einziehen, „sowie die Söhne Israels ihre Opfergabe in reinen Gefäßen zum Haus des Herrn bringen“. Ihre Opfergabe ist ihre Bereitschaft, sich auf diesen HERRN einzulassen und das reine Gefäß ist ihre gebildete Person aus Taten und Gedanken, die jenen des Herrn gleich sind.
Der heutige Text spitzt sich immer mehr zu. „Und auch aus ihnen nehme ich einige zu levitischen Priestern, spricht der Herr“ (66,21). In der Tora ist klar geregelt, dass nur Nachfahren aus dem Stamm der Leviten berechtigt sind, Priester- oder Tempeldienste vornehmen zu dürfen. Wer von Gott eingeladen wird, den Weg mit ihm zu gehen und rechtschaffenen Herzens sich darauf einlässt soll gleichberechtigt sein. Es soll keinen Ausschlussgrund geben, auch nicht für den Dienst im Tempel. Man darf sich die Frage stellen, was haben die verantwortlichen Männer der Kirche von diesem Text aufgenommen? Lassen wir einmal die Frauenfrage in diesem Zusammenhang außer Acht. Wie lange hat es gedauert, bis es in Missonsgebieten Asiens, Afrikas und Südamerikas einheimischen Männern erlaubt wurde, sich zu Diakonen und Priester weihen zu lassen? Auf Grund solcher Vorkommnisse der Ausgrenzung hat die röm.-kath. Kirche stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Immer wieder hört man Aussagen, wir seien eine „sterbende Kirche“ oder es wird der Weiterbestand dieser Kirche in Frage gestellt. Die Situation scheint ziemlich verfahren zu sein – so auch damals zur Zeit des Propheten Jesaja. Auf den heutigen Schrifttext folgt ein Satz, der leider nicht mitgelesen wird. „Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich mache, vor mir stehen – Spruch des Herrn –, so bleibt eure Nachkommenschaft und euer Name bestehen“ (Jes 66,22). Das Projekt des EWIGEN mit den Menschen wird nie enden. Auch wenn wir uns alle Wege verbaut haben und keinen Ausweg mehr sehen, ist Gott größer, offener und flexibler als wir. ER wird Menschen einladen, den Weg mit ihm zu gehen, die wir ausgegrenzt und ausgeladen haben oder hätten. Im Sinne des heutigen Evangeliums: „Und siehe, da sind Letzte, die werden Erste sein, und da sind Erste, die werden Letzte sein“ (Lk 13,30). Es geht um die Mühe, mit allen Kräften durch die enge Türe zu gelangen. Abraham, Isaak und Jakob waren keine Menschen ohne Fehl und Tadel, auch die Propheten nicht. Aber offensichtlich ist ihnen der Weg durch die enge Türe geglückt. Es war ihr Mühen, ihr Ringen, ihr Hinfallen und Aufstehen, ihr Scheitern und ihr Lernen. Es war ihr Mühen bei allen Rückschlägen mit ihrem Gott unterwegs zu bleiben. Sie haben in und durch Krisen gelernt, Konsequenzen gezogen und eine Umkehr vorgenommen.
„Wir haben doch in deinem Beisein gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt.“ Das reicht also nicht. Umgelegt könnte man sagen, es genügt nicht Gottesdienste zu feiern, in Gemeinschaft am Tisch des Herrn Stärkung zu holen oder sich theologisch fortzubilden. Es geht um die Mühe mit allen Kräften um das rechte Tun, um die Sorge für den Nächsten. Und offensichtlich ist dieses Mühen nicht zwangsläufig nur bei Menschen mit „Rechtem Glauben“ gegeben. Es gibt sie überall „sie werden von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen“ (Lk 13,30).
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Mit Gott unterwegs bleiben 1. Lesung: Jes 66,18-21 |2. Lesung: Hebr 12,5-7.11-13|Evangelium: Lk 13,22-30”
Danke, liebe Katharina. Du hast mich angesprochen mit deinen Gedanken und Erläuterungen.
Herzliche Grüße, Michael