Nachfolge Jesu 1. Lesung: 2 Makk 7,1-2.7a.9-14| 2. Lesung: 2 Thess 2,16-3,5| Evangelium: Lk 20,27-38
Und es geschah: Eines Tages lehrte er im Tempel das Volk und verkündete das Evangelium, da kamen die Hohepriester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten hinzu und fragten ihn“ (LK 20,1-2). So beginnt im Lukas-Evangelium die Passage, zu der auch der heutige Evangelienabschnitt gehört. Die religiöse Elite der zwei wesentlichen religiösen Strömungen des damaligen Judentums wollten Jesus daran hindern, das Evangelium – die frohe Botschaft – zu verkünden.
Jesus wird in Jerusalem von den Schriftgelehrten und Sadduzäern aufs Eis geführt. Es sind die letzten Streitgespräche vor der nahenden Passion und Diskussionen mit Opportunisten – Menschen, die zweckmäßig handeln, um sich der jeweiligen Lage anzupassen. Scheinheilig nähern sie sich Jesus und wollen ihn in Gespräche verwickeln. Zuerst stellen sie grundsätzlich die Vollmacht Jesu in Frage und wollen ihn nötigen, sich festzulegen. Den Herausforderern antwortet Jesus nicht, dem Volk allerdings versucht er die Sachlage im Gleichnis vom Winzer und dem Erben darzulegen, damit sie sich ein Bild davon machen können, was gerade vonstatten geht. Damit deutet er – für die Herausforderer unverfänglich – seine Verurteilung durch die klerikale Führungsschicht der damaligen Zeit an. Ihnen fehlt indes der Mut, sich zu bekennen, denn: „Die Schriftgelehrten und die Hohepriester hätten gern noch in derselben Stunden Hand an ihn gelegt, aber sie fürchteten das Volk“ (20,19). Sie waren zu feige.
Nachdem es ihnen mit der ersten Frage nach der Vollmacht nicht gelungen ist, Jesus eine Falle zu stellen, fahren sie mit einer weltlichen Frage fort. Es ist die Frage nach der kaiserlichen Steuer. Sie nehmen die politische Situation heran, nämlich den Konflikt mit den römischen Besatzern. Sie wollen Jesus als politischen Brandstifter überführen und damit die Staatsmacht für ihre Zwecke mobilisieren. Auch dieses Unterfangen missfällt. Lukas fasst das Ergebnis der Diskussion zusammen: „So gelang es ihnen nicht, ihn bei einer Äußerung vor dem Volk zu ertappen“. Lukas berichtet sogar davon, dass sie Spitzel schickten, die Jesus auflauern sollten, „die so tun sollten, als wären sie selbst gerecht, um ihn bei einer Äußerung zu ertappen. Denn sie wollten ihn der Gerichtsbarkeit des Statthalters übergeben“ (Lk 20,20). Ein mieses Verhalten der religiösen Elite.
Nachdem sie zuerst seine Kompetenz in Frage gestellt und dann versucht haben, ihn mit einer Frage zur aktuellen politischen Situation aufs Eis zu führen und Jesus sich diesen Fragen mit geschickter Taktik zu entziehen wusste, versuchten sie es mit einer praktischen religiösen Frage. Dazu kurz ein paar Details zu den Unterschieden der zwei religiösen Gruppierungen:
Die Sadduzäer bildeten damals die Priesteraristokratie. Meist waren sie vermögend und nahmen maßgebliche Positionen ein, vor allem die der Hohepriester. Sie setzten viel daran, Frieden beizubehalten und stimmten Entscheidungen von Rom zu, schienen sich mehr um politische Belange als religiöse zu sorgen. Im Gegensatz zu den Pharisäern, die der mündlichen Tora – der Überlieferung – die gleiche Bedeutung beimaßen wie dem geschriebenen Worten der Tora, lehnten die Sadduzäer das strikt ab. Die Sadduzäer kannten keine Auferstehung oder ein Leben nach dem Tod und glaubten, dass die Seele nach dem Tod verendet und es daher keine Strafe oder Belohnung nach dem irdischen Leben gibt. Sie waren Anhänger einer innerweltlichen Vergeltungslehre, d.h. sie rechneten damit, dass der Mensch von Gott bereits im irdischen Leben Lohn und Strafe erhält. Obwohl die Sadduzäer die Mehrheit der Sitze im Hohen Rat innehatten, zeigt die Geschichte, dass sie sich oft den Vorstellungen der pharisäischen Minderheit anschließen mussten, weil die Pharisäer unter der Bevölkerung beliebter waren. Obwohl die Pharisäer und Sadduzäer Gegner waren, schafften sie es, bei einem Ereignis ihre Auseinandersetzungen beiseitezulegen – dem Urteil über Jesus.
Die letzte Frage an Jesus beabsichtigte, gezielt einen Keil zwischen Pharisäer und Schriftgelehrte treiben zu lassen. Die Antwort von Jesus muss für totale Verwirrung gesorgt haben, weil er die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Gruppierungen geschickt verknüpft, sie gegenüberstellt und mit Angaben der Tora antwortet. Ein Schriftunkundiger konnte mit der Antwort gar nichts anfangen und es ist bezeichnend, dass lediglich einige Schriftgelehrte darauf zu antworten wussten: „Meister du hast gut geantwortet“.
Die Frage der Sadduzäer, schildert nichts anderes als auch zumindest zwei Erzählungen des Ersten Testaments: Die Geschichte der Tamar, die durch den Tod von zwei Söhnen des Juda Witwe wurde und sich von ihrem Schwiegervater Juda ein Kind erschlichen hatte (Ex 38.6f) und die Geschichte der Rut, die als Witwe einen nahen Verwandten (Löser) ihres ersten Mannes ehelichte (Rut 4,13). Die Fragestellung an sich verdeutlicht schon die Schriftunkenntnis der fragenden Sadduzäer.
Verheiratet zu sein war für eine Frau zu biblischen Zeiten ein wesentlicher Faktor der sozialen und wirtschaftlichen Absicherung. Deshalb beharrt Jesus auch immer auf der Einhaltung der Ehe, nicht aus Gründen einer formalen Gesetzestreue, sondern weil dieser Status einer Frau in einer durch und durch patriarchalen Gesellschaft Sicherheit bot. Auch die Regelung des Judentums, bei einer Scheidung einer Frau eine Scheidungsurkunde auszustellen bzw. sie auszuzahlen, war ein Meilenstein für die Frauen. Auch die Regelung, dass im Todesfall eines Ehemannes die Witwe von nahen Verwandten zu heiraten war, diente der Absicherung der Frau. Somit war die Heirat eine weltliche Kategorie. Sie diente zur Absicherung der Frau und machte sie eben nicht mehr zum Besitz eines Mannes. Es ging um Sorge und Fürsorge in dieser Welt. In der Welt nach der Auferstehung der Toten gibt es andere Rahmenbedingungen, da braucht es keine weltlichen Spielregeln. Es herrscht die Fürsorge Gottes.
Die Sadduzäer und Schriftgelehrten wollten sich zu Richtern über Jesus erheben. Ihr Ansinnen misslang. Jesus war kein Priester, kein Hohepriester, kein Schriftgelehrter – Jesus war nichts von dem, er war Mensch. Um mit den heutigen Worten der Kirche zu sprechen – Laie. Wir gehen auf Weihnachten zu. Wir feiern dann, dass Gott Mensch geworden ist. Ein Mensch, der etwas zu sagen hatte, der Missstände innerhalb und außerhalb seiner Religion aufdeckte. Er führte die Menschen aus der Enge ihrer religiösen Ansichten in die Weite der Barmherzigkeit Gottes. Jesus antwortet offen – seine Antworten lassen Platz für eigene Überlegungen und Schlussfolgerungen. Schon damals wollten die religiösen Verantwortungsträger die Verkündigung des Evangeliums – der Heilsbotschaft – verhindern. Sie wollten ihn in die Enge führen, ihn ablenken, weil sie seine freie Auslegung nicht aushalten konnten. Sie wollten nicht Weite, sondern Enge, denn sie war die Voraussetzung ihres Machterhaltes.
Wir erleben derzeit, dass in der deutschen Kirche wegen des synodalen Prozesses die Wogen hochgehen. Ein Kardinal sprach sogar davon, dass die katholische Kirche vor einer feindlichen Übernahme stehe. Es entbrennen Streitigkeiten darüber, wer Theologin bzw. Theologe sei oder eben nicht.
Jesus enthielt uns nie vor, dass es nicht einfach sein werde, seinen Fußspuren zu folgen. Auch er kannte die Auseinandersetzung mit religiösen Hierarchien, den Verwaltern des Glaubens. Beide, die Pharisäer und Sadduzäer erhielten viele Ermahnungen von Jesus. Vielleicht ist die beste Lektion, die wir daraus lernen können, nicht wie sie zu sein bzw. sein zu wollen, sondern einfach nur Mensch, einfach nur selbstbewusste Laiin oder Laie. Möglicherweise macht dies die Nachfolge Jesu authentischer.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem zweiten Buch der Makkabäer anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessalónich anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: