Österliche Geschehnisse 1. Lesung: Apg 3,12a.13-15.17-19|2. Lesung: 1 Joh 2,1-5a|Evangelium: Lk 24,35-48
Fünfzig Tage nimmt sich die Kirche Zeit, den Osterglauben zu künden und zu feiern, damit er wachsen kann. Sie folgt damit dem Lukasevangelium, das auf eindrückliche Art und Weise sich mit den Zweiflern, den Enttäuschten, den Fragenden auseinandersetzt. Der Osterglaube ist dabei eine umfassende Botschaft. Sie beinhaltet mehr als dass ein Toter ins Leben zurückkehrt. Einige dieser Aspekte seien hervorgehoben.
Die Emmausjünger kommen nach Jerusalem zurück und beginnen im Apostelkreis ihre Erfahrungen zu erzählen. Sie erkannten ihn, als er das Brot brach. Im Erzählen des Erlebten tritt ER – der Auferstandene – in die Mitte, so heißt es und ER wünscht: „Schalom!“ „Friede mit euch!“
Der Auferstandene kommt in die Mitte von Menschen, die ihre Erfahrungen und Erlebnisse teilen. Im Erzählen kommt er in die Mitte und seine Anwesenheit zeigt sich in einem wachsenden Frieden und getröstet werden. Es ist bereits österliches Geschehen, wenn Menschen ihre Erlebnisse oder Erfahrungen erzählen können und sie gehört werden. Im Gehör schenken wird Raum für den Auferstandenen geschaffen. Ich bin an Trauergespräche erinnert. Im Sprechen und Hören wächst Trost, ohne dass da große Antworten gegeben werden.
Dem biblischen Menschen ist bewusst, dass der Glaube vom Hören kommt. „Höre Israel!“, lautet der Beginn des Glaubensbekenntnisses. Wir wissen, wie wertvoll es für Menschen in einer Not oder Krise sein kann, wenn ihnen jemand zuhört oder gar das Gefühl wachsen kann: Ich werde verstanden.
Ich kehre zurück in den Abendmahlssaal zu den Jüngern: Der Auferstandene wünscht ihnen Frieden. Die Jünger aber erschrecken und bekommen Angst, große Angst. Wir sind an den Seesturm erinnert, da hatten die Jünger auch große Angst, obwohl Jesus mit ihnen im Boot war. Auch jetzt ist ER – der Auferstandene – da und es befällt sie wieder große Angst. Der Auferstandene ist da, wo Menschen von Angst, von großer Angst umgeben sind. Angst ist kein Indiz der Gottferne, sondern wir sind in der Angst eingeladen, mit dem Auferstandenen zu rechnen.
Ängste können sehr vielfältig sein: die Angst um ein Kind oder eine Beziehung; die Angst vor einer Krankheit oder ungewissen Zukunft; die Angst vor dem Verlust eines Menschen oder dessen Sterben; die Angst vor Fremden oder auch anders Glaubenden. Der Auferstandene verhindert nicht diese Ängste, vielmehr ist ER in ihnen zugegen. Er versucht sie zu lenken.
Diesen Ängsten begegnet er nicht in großer Stärke, sondern er zeigt sich mit seinen Wunden und Verletzungen. Er zeigt seine Wunden ohne den Vorwurf, was habt ihr mir angetan? Er zeigt sie, um erkannt zu werden und eine neue Verbundenheit wachsen kann. Es wird zum einen österlich, wenn die Wunden gezeigt werden können, ohne dass sie geleugnet oder belächelt werden. Es wird aber auch österlich, wenn die Wunden den Vorwurf oder die Anklage verlieren, sie im „Schalom“ aufgehoben sind.
Im Johannesevangelium will der Apostel Thomas die Wunden sehen: Ich glaube erst, wenn ich mit meinen Händen in die Wunden greifen kann. Der Auferstandene antwortet da: Selig, die nicht sehen und doch glauben. Es ist ein wesentlicher Teil des österlichen Glaubens – der Umgang mit den Wunden und Verletzungen. Der achtsame Umgang verbindet. Das Nichtsehen trennt und ebenso, wenn Wunden nur zum Vorwurf gezeigt werden.
Nochmals: Bei Lukas fordert der Auferstandene selbst: fasst mich doch an. Es geht um die „handfeste“ Auseinandersetzung des Lebens mit der Botschaft Jesu. Aus der Distanz bleibt Jesus ein Fremder, vor allem der Auferstandene. Im Ringen mit dem, was Jesus sagt und lebt, im sich berühren lassen von seiner Botschaft wird er lebendig erfahren, wird ER als jener erfahren, der Leben zuspricht.
Den Auferstandenen berühren wir in den Wunden und Verwundungen der Menschen. Sehen und begreifen wir, welche Wunden Armut, Krieg oder Flucht hinterlassen? Sehen und begreifen wir, welche Wunden jede Ausgrenzung oder Fremdenfeindlichkeit bewirkt? Sehen und begreifen wir, welche Wunden Unbarmherzigkeit, Verachtung, Unaufmerksamkeit, Gleichgültigkeit, zynisches Gerede oder Spott hinterlassen?
Ich gehe wieder zurück in den Abendmahlssaal. Jesus trägt auf: Schaut mich an. Greift und begreift. Da hat sich dann viel getan, denn es heißt: sie staunten, aber im gleichen Atemzug wird gesagt: Sie konnten immer noch nicht glauben – und dies auf Grund von Freude! Die Freude als Hindernis für den Auferstehungsglauben. Sie befinden sich in einem Wechselbad der Gefühle, sind hin und hergerissen.
Lukas zählt zwei weitere Elemente auf, die für den Osterglauben grundlegend sind: erstens das gemeinsame Mahl, beziehungsweise das gemeinsame Feiern und zweitens die Rückbindung an die Schrift. Eine Freude, die nicht gefeiert wird, hat keine Kraft. Der österliche Glaube lebt von der Feier, vom gemeinsamen gefeierten Mahl.
Lukas erwähnt eigens, dass Jesus – der Auferstandene – die Schrift zitiert und erklärt. Genauer: „Er öffnete ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift“. Der Auferstandene wirft ein besonderes Licht auf die Schrift. Er ist zur Deutung der Schrift geworden. Sein gewaltloser Weg, sein Festhalten an den Verheißungen bis in die letzte Konsequenz – bis zum Tod am Kreuz –, der zur Auferstehung führt, öffnet die Augen für ein anderes Leben.
Das Evangelium schließt mit den Worten: Ihr seid Zeugen dafür. Auch dies dürfen wir in einem doppelten Sinn verstehen:
- Ihr als Anwesende seid bereits Frucht dieses österlichen Geschehens, dieses österlichen Glaubens; auch ihr, die ihr jetzt mitfeiert. Als Mitfeiernde seid ihr Zeugen der Auferstehung.
- Als Zeugen der Auferstehung bezeugt den österlichen Glauben in einem umfassenden Sinn, in dieser Weite und Breite: als Zeugen setzt euch mit den Ängsten, den Wunden, der Freude, den Zweifeln und offenen Fragen der Menschen auseinander.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Johannesbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
2 Kommentare zu “Österliche Geschehnisse 1. Lesung: Apg 3,12a.13-15.17-19|2. Lesung: 1 Joh 2,1-5a|Evangelium: Lk 24,35-48”
Das ist eine geistbeseelte Einsicht. Sie ist, auch in dieser Formulierung, finde ich, eine GRUNDlage jeder Verkündigung – und auch zu jeder Zeit. In unseren Tagen besonders, wo die ANGST in so vielen Weisen und Formen, den Geist, die Herzen und die Seelen er Leute überzieht: “Diesen Ängsten begegnet er nicht in großer Stärke, sondern er zeigt sich mit seinen Wunden und Verletzungen. Er zeigt seine Wunden ohne den Vorwurf, was habt ihr mir angetan? Er zeigt sie, um erkannt zu werden und eine neue Verbundenheit wachsen kann.”
Könnten wir “so tun, wie Jesus”, wäre alles anders, oder? _ Einen schönen Sonntag, allen!
Die Verkündigung: “Seht, – ICH bin es selbst!”, – sucht nicht nach Beweisen. Sie verbirgt sich für mich vielmehr in der Friedenszusage eines menschgewordenen Gottes, in der Absicht Unfassbares fassbar zu machen.