Seid heilig 1. Lesung: Lev 19,1-2.17-18| 2. Lesung: 1 Kor 3,16-23| Evangelium: Mt 5,38-48
Es ist heute Faschingssonntag und damit Hochfasching. Es wird gescherzt und gelacht, gefeiert und getanzt. Dem Schweren und Ernsten wird möglichst ausgewichen. Büttenreden sind leider nicht meine Stärke. Zudem sind wir an diesem Sonntag mit biblischen Texten konfrontiert, die wir eher selten zu hören bekommen, weil sie in manchen Jahren auf Grund der Leseordnung entfallen. So wende ich mich diesen doch eher ernsthaften Texten zu, die aber zugleich Grundlage einer Freude aus einer anderen Tiefe sein können.
Zunächst zum Text aus dem Buch Levitikus: Wir hörten einige Verse aus einem größeren Abschnitt. Es geht um den Versöhnungstag Yom Kippur und um das Heiligkeitsgesetz. Yom Kippur ist in Israel ein hoher Feiertag, an dem alles stillsteht. Beachtenswert erscheint mir, dass dieses Thema des Yom Kippur die Mitte des Pentateuchs bildet – also die Versöhnung – und wiederum jener Satz überhaupt die Mitte des Pentateuchs bildet, den wir eben in der Lesung vernommen haben: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 17,18).
An Yom Kippur gab es das Ritual, dass ein Schafbock – der sogenannte Sündenbock – in die Wüste gejagt wurde. Nicht Menschen sollst du in die Wüste verjagen, sondern einen Schafbock. Vielleicht haben im Tiefsten diese Urrituale gewisse Berührungspunkte: der in die Wüste vertriebene Schafbock und das Abbrennen von Funken mit einem Hexerich. Menschen sollen nicht zum Ziel meiner Wut und Aggression, nicht meines Zorns und der Rache werden.
Es sei hier nochmals darauf verwiesen, wie unrecht dem Ersten Testament geschieht, wenn behauptet wird, da gehe es um Rache und Vergeltung, oder Gott stünde für Rache und Vergeltung. Zentraler Satz und Gedanke der gesamten Bücher des Moses ist: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Und es gilt hier genauer auf die Begründung hinzuschauen. Die Lesung beginnt mit den Worten: Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig. Ein Merkmal der Heiligkeit Gottes wiederum ist, dass er das Heil für alle Menschen will. Seine Zuwendung gilt allen, nicht allein den Freunden, Frommen und Braven. Diesen Gedanken entfaltet Jesus in der Bergpredigt, wenn er formuliert: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,43-45).
Es ist eine spirituelle Herausforderung und wir kennen die Fragen, die so oder ähnlich klingen: Ist Gott zu allen gut? Warum geht es oft Menschen besser, die sich keinen Deut um ein gottgefälliges Leben mühen? Ist Gott gerecht, wenn Unschuldige zu leiden haben? Kann ich da noch an einen gerechten Gott glauben, wenn alle gerettet werden sollen?
Vielleicht ist es gerade die leidvolle, spannungsgeladene Geschichte dieses Landes Palästina, das viele Kriege, Eroberungen, Zerstörungen, Katastrophen durchlebte, in dem die Erkenntnis gewachsen ist – mit dem Gewicht einer Offenbarung Gottes , dass die Haltung Aug um Aug, Zahn um Zahn nicht reicht. Es braucht mehr. Es ist bereits ein hoher, ethischer Anspruch, nur in einem Handeln „Aug um Aug, Zahn um Zahn“ zu bleiben. Die Versuchung ist groß, im vergeltenden und sich rächenden Tun, über das mir zugefügte Leid hinaus zu gehen. Es reizt, etwas drauf zu geben.
Gott ist heilig. Es ist dieses Mehr an Liebe, nicht nur: „So wie du mir, so ich dir“. Es ist überhaupt der Weg, jedes Leid – Kränkungen, Verletzungen, Abwertung, Denunziation u.a. – zu vermeiden. Gott lässt die Sonne aufgehen über Bösen und Guten und lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte.
Wir würden Jesus falsch verstehen, wenn es allein ein geduldiges Aushalten von Gewalt, Ungerechtigkeiten, Anwürfen und Leid ginge. Wir wissen von Jesus selbst, dass er mit vielen Konflikte austrug, dass er sich gegen Gewalt und Ungerechtigkeit wehrte. Er lässt die Sonne aufgehen über Bösen und Guten d.h. Dunkles wird vom Licht der Sonne erhellt. Dunkles wird beseitigt. Das schließt gewaltfreie Gegenwehr, Kritik, Austragen von Konflikten ein. Wir dürfenalle Bereiche des Lebens darin sehen, ob es die Seele, den Geist, den Körper oder alles, was zwischen den Menschen steht, betrifft.
Er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte. Er schenkt das nötige Wasser, damit der Boden der Gerechtigkeit keimt, wächst und seine Früchte hervorbringt. Regnen lassen: Es kann politisches und gesellschaftliches Engagement sein, es kann die Nachbarschaftshilfe sein, die über den Freundeskreis hinaus bis zu feindlich eingeschätzten Menschen geht. Es kann das Gebet um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sein.
Jesus schließt den Abschnitt mit den Worten: „Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“ (Mt 5,48)