Unterwegs sein 1. Lesung: Am 7,12-15|2. Lesung: Eph 1,3-14|Evangelium: Mk 6,7-13
Jesus ermächtigt relativ frühzeitig seine Jünger, in seinem Sinne ihre eigenen Wege zu den Menschen zu gehen. Damit sie dies gut tun können, gibt er ihnen Empfehlungen. Ich möchte mich im Folgenden etwas genauer mit diesen auseinandersetzen.
Zuerst einmal sollen sie nicht alleine unterwegs sein. Offensichtlich war die Empfehlung so hilfreich, dass sie auch nach dem Tod Jesu weitergepflegt wurde. Die Emmausjünger waren zu zweit, die junge Kirche hat dieses zu zweit gehen auch auf Ehepaare wie z.B. bei Priscilla und Aquila (Apg 18,2) ausgelegt. Wir dürfen hier ablesen, wie flexibel die junge Kirche Jesus-Empfehlungen an Gegebenheiten und Bedürfnisse angepasst hat. Dieses zu zweit auf dem Weg sein, macht es möglich, sich auszutauschen, Erfahrungen und Enttäuschungen zu teilen und zu reflektieren – wie es uns in der Erzählung der Emmausjünger – ausführlich berichtet wird.
Jesus gab seinen Jüngern die Vollmacht über die unreinen Geister – über jene Dinge, die Menschen belasten und sie an ihrem Fortkommen und am Leben an sich hindern. Die Jünger hatten schon Erfahrungen gesammelt, wie Jesus selbst mit solchen Situationen umgegangen ist. Sie waren dabei, als die Schwiegermutter des Petrus geheilt wurde, ein Gelähmter, ein Mann mit einer verdorrten Hand, der Besessene von Gerasa, zuletzt die blutflüssige Frau und die Tochter des Synagogenvorstehers. In diesen Situationen erlebten sie, wie Jesus die Anwendung der Tora versteht und diese menschenfreundlich auslegt.
Die Wahl des Weges und ihrer Ziele lässt er den Jüngern frei. Sie waren schon dabei, als Jesus vor Haustüren, in Synagogen, am See, beim Essen, in Booten und auf Bergen zur Umkehr aufrief.
Für die Wanderschaften sollten sie lediglich einen Wanderstab mitnehmen. Der Stab wird im Ersten Testament öfter im Zusammenhang mit Mose erwähnt. Der Stab Moses lässt Schlangen vertreiben, Wasserquellen sprudeln und das Meer teilen. Anschließend war er „das Zepter“ der Anführerschaft der Stämme. „Darauf gaben ihm all ihre Stammesführer je einen Stab, je einen Stab für einen Anführer, entsprechend ihren Großfamilien: insgesamt zwölf Stäbe“ (Num 17,21). Es sollen sich nun erneut 12 Männer mit ingesamt 12 Stäben auf den Weg machen. Dies soll verdeutlichen, dass sich diese Gruppe nicht als Sekte oder Splittergruppe des Judentums versteht, sondern ganz in der Tradition des Volkes Israel. Man mag auch noch an den Psalm 23 erinnert sein: „Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich“. Für uns klingen die Worte Stock und Stab sehr ähnlich, in Sinne einer jüdischen Interpretation sind aber zwei unterschiedliche Dinge gemeint. Der Stock ist das Arbeitsutensil des Hirten. Es gilt, fremde Tiere zu verscheuchen und der Herde Einhalt zu gebieten. Mit dem Stab ist das Utensiel des Toralesers gemeint. Wir kennen es heute als „Tora-Zeiger“. Er besteht meist aus einem silbernen Stab, an dessen Ende sich eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger befindet. Man kann daraus ablesen, dass die Jünger auf ihrem Weg zu den Menschen auf die Tora verweisen und diese auslegen sollen.
Weiters dürfen sie kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld und kein zweites Hemd mitnehmen. Sie sollen ausziehen, wie es die Hebräer aus Ägypten tun mussten, ohne alles und im Vertrauen darauf, dass Gott sie begleiten und für sie Sorge tragen wird. Wie die Hebräer Manna von Gott erhalten haben, Abraham seine drei Gäste bewirtet hat und auch zahlreiche Prophetenerzählungen erwähnen, dass für das Durchkommen in unterschiedlichen schwierigen Situationen gesorgt wurde – so sollen auch sie sich darauf verlassen, dass es Orte geben wird, wo sie wohl aufgenommene Gäste sein werden.
Im Anschluss gibt Jesus nun auch noch eine vermeintliche Anweisung für das Schuhwerk. Aber auch dahinter verbirgt sich für einen Juden ein ganz bestimmter Code. Das Tragen von Sandalen war für die Vorbereitungszeit vor Jom Kippur vorgeschrieben. Jom Kippur ist seit biblischer Zeit das große Versöhnungsfest der Juden zwischen den Menschen und mit Gott. Die Sandalen sind Zeichen der Bescheidenheit und Buße vor Gott und sollen zur Besinnung auf die eigenen Sünden, die Charakterschwächen und die Vergänglichkeit des Lebens beitragen. Somit werden hier die Sandalen nicht als Kleidungs-, sondern als Haltungsvorschrift erwähnt. Die Jünger sollen auf ihren Wegen zu den Menschen eine Haltung der Bescheidenheit und Buße vor Gott und den Menschen einnehmen. Auch sie sollen wissen, dass sie Menschen mit Fehlern sind und der Ruf zur Umkehr auch ihnen gilt. Sie sollen als Gleiche unter Gleichen auftreten.
Die nächsten Empfehlungen beziehen sich auf das Verweilen vor Ort. „Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst!“ Etwas was Jesus selbst gelebt hat, immer wenn er in Kapharnaum war, lebte er im Haus des Petrus. „Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis.“ Wenige Zeilen vor dem heutigen Evangelium hat Jesus selbst in seiner Heimat Ablehnung erfahren. Markus hält fest: „Und er konnte dort keine Machttaten tun“ (Mk 6,5). Abgelehnt zu werden raubt Energie, die man lieber für solche Fälle aufsparen sollte, wo sie gewünscht und gebraucht wird. Es ist aber auch mit Respekt verbunden, den Menschen die freie Wahl zu lassen. Diese Haltung vor der Entscheidungsfreiheit des Menschen baut geistlichem Mißbrauch vor. „Geistlicher Missbrauch liegt immer dann vor, wenn jemand angeblich besser weiß, was Gott von einer anderen Person will, als sie das selbst weiß …Menschen nehmen für sich in Anspruch, Gottes Willen genau zu kennen und ihn im Leben anderer durchzusetzen“ so schreibt Doris Reisinger in der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“. Das stehe aber niemandem zu. Spiritueller Missbrauch sei „Wenn man weiß, was Gott will“. Die Jünger sollen sich mit einer abweisenden Haltung nicht belasten und die Enttäuschung wie Staub von den Füßen schütteln, sie sollen aber auch bedenken, dass Gottes Geist weht „wo er will“ (Joh 3,8).
Wenn wir nun nochmals auf auf den heutigen Text des Evangeliums zurückblicken, können wir erkennen, dass es Jesus nicht um Kleidungs- und Unterkunftsempfehlungen geht. Einerseits sorgt er sich um seine Jünger, dass sie gut mit Enttäuschungen umgehen lernen und empfiehlt ihnen, Abstand zu halten und durch den Weg zu Zweit – wie man heute sagen würde – eine Supervisionsmöglichkeit. Andererseits hat er deutliche Wünsche an die Haltung seiner Jünger. Sie sollen bescheiden auftreten, Gottvertrauen ausstrahlen und sich ihres eigenen fehlerhaften Handelns bewusst sein. Vielfach wirft man der Kirche vor: „Wasser zu predigen und Wein zu trinken“. Genauso soll es nicht sein. Nur wer glaubhaft und authentisch auftritt, kann Dämonischem Einhalt gebieten. Nur von solchen Menschen lässt man sich gerne berühren und salben. Und nur auf Grundlage einer solchen vertrauensvollen Beziehung auf Augenhöhe kann Heilung gelingen. Wenn man bedenkt, was die Kirche mit allen möglichen Vorschriften zu reglementieren versucht, veranschaulicht uns das heutige Evangelium, dass Jesus seine Jünger hinsichtlich – heute würde man sagen – der Zielgruppe ebenso wie der Raum- und Ortswahl völlig freie Wahl lässt. Bedeutsam ist Jesus die Haltung unter- und zueinander.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Amos anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Ephesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Unterwegs sein 1. Lesung: Am 7,12-15|2. Lesung: Eph 1,3-14|Evangelium: Mk 6,7-13”
Danke, Frau Katharina Weiss, für Ihre so ausführliche und aufschlussreiche Auslegung eines Bibeltextes, den auch nicht „amtlich beauftragte“ Gläubige bedenken und in den Alltag integrieren sollten.
Mich macht es immer wieder fassungslos, welch irrige bis irrwitzige Interpretationen Menschen aus der Schrift ableiten können oder welch umfangreiches Bibliotheken füllendes „Lehrmaterial“ sich bis heute angehäuft hat.
Und Menschen, die so absolut überzeugt sind, dass sie mit ihren Gedanken den Willen Gottes durchschauen und „alleinseligmachend“ umzusetzen wissen, finde ich beängstigend.
Hilfreich dagegen ist die Aussage von Benedikt XVI, dass es „so viele Wege zu Gott gibt, wie es Menschen gibt“.
Und wenn Jesus DER WEG ist, dann ist wohl alles vor allem eine Frage der Liebe und des Herzens, wie Sie auch am Ende betonen.