Vermeintliches Kennen 1. Lesung: Ez 1,28c-2,5|2. Lesung: 2 Kor 12,7-10|Evangelium: Mk 6,1b-6
Jesus heilt Menschen von unterschiedlichen Krankheiten. Wir hörten letzten Sonntag im Evangelium davon. Er verkündet eine Botschaft, die Menschen ins Staunen versetzt. Gleichzeitig wächst Widerstand und Ablehnung im Volk und bei Verwandten. Es gibt da unterschiedliche Motive. Ich versuche einigen provozierenden Motiven nachzugehen.
Jesus heilte den Besessenen von Gerasa. Danach fordern die Leute Jesus auf, das Land zu verlassen. Zurückgekommen am Ufer heilt er die Frau, die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt und beim Mühen gesund zu werden ihr ganzes Vermögen investiert hatte. Er weckt die Tochter des Jairus vom Tod auf. „Talita kum!“, „Mädchen ich sage dir, steh auf!“. Jesus wird ausgelacht, als er sagte, sie würde nur schlafen.
Zurück in seinen Heimatort Nazaret geht Jesus in die Synagoge. Die Menschen staunen zunächst über das, was er ihnen zu sagen hat. Sie loben seine Weisheit. Allerdings kippt in der Menge die Stimmung, als die Herkunft Jeus zur Sprache kommt: Er sei der Sohn der Maria und wir kennen seine Brüder und Schwestern. Es heißt, da nehmen sie heftigen Anstoß.
Drei Anmerkungen dazu:
Eine erste: Jesus beginnt sein Wirken: Kehrt um! Denkt um! Die Zeit ist erfüllt. Sie ist Gott-voll. Das Reich Gottes ist nahe (Mk 1,14f). Jesus lebt diese Zuwendung Gottes gegenüber Menschen, denen diese Nähe abgesprochen wurde oder wird: Besessenen, chronisch Kranken, Toten. Er hilft ihnen, Gott zu begegnen; zu erkennen, welchen Platz ihnen Gott in ihrem Leben zugedacht hat, verbunden mit Respekt und Würde.
Er hilft dem Besessenen, der herumschreit und von dem Angst und Schrecken ausgehen, ein anderer zu werden. Schließlich sitzt er bekleidet und mit Verstand da. Er ist wieder Mensch, menschlich. (Mk 5,15).
Er gesteht der blutflüssigen Frau zu, dass ihre Berührung akzeptiert. Wenn sie ihn, den Rabbi berührt, darf sie auch mit anderen in Berührung kommen. Sie ist nicht länger die gemiedene Außenseiterin oder Ausgestoßene.
Der zwölfjährigen Tochter des Jairus traut er ein eigenständiges Leben als Frau zu. Mädchen, steh auf. Und weiter: Gebt ihr etwas zu essen. Ermutigt und stärkt sie in und mit eurem Dasein.
Die Heilungen wirken den Vorstellungen entgegen, diese Menschen seien missratene, verkümmerte, unnütze oder eben kranke Menschen. Jesus hilft ihnen, an Gott und an sich zu glauben und achtet ihre menschliche Würde.
Dazu eine zweite Anmerkung: Die Heilungen verändern die einzelnen Menschen. Sie haben aber zugleich zur Folge, dass es die Umkehr bzw. das Umdenken bei den Umstehenden erfordert. Es gilt diesen Menschen eine neue Rolle zuzugestehen. Wir können auch sagen: Heilungen stellen oftmals bestehende Systeme von Beziehungen oder sogar von einer Gesellschaft in Frage. Sie sind Anfragen an die Haltungen der Umgebung.
Vielleicht hilft ein Beispiel diesen Gedanken besser zu verstehen: Natürlich wünschen wir den Menschen Gesundheit. Es regen sich aber sehr schnell Widerstände, wenn sich dazu notwendige Rahmenbedingen ändern müssen. Alle sollen Arbeit haben, aber es gibt große Widerstände die bestehende Arbeit aufzuteilen. Es soll gegen den Klimawandel vorgegangen werden, aber möglichst ohne, dass mein Lebensstil davon berührt wird.
Wenn Jesus in Nazaret als Prophet auftritt und bewundert wird, dann ist das ein Beleg, dass er für das Gesagte Zustimmung erhielt. Es wird sogar seine Weisheit gelobt. Die Veränderungen oder den Wandel erhofft er sich nicht von der Politik, von den Wirtschaftstreibenden, von den religiösen Führern oder anderen Gruppen. Die Veränderungen und den Wandel traut er den Angesprochenen zu. Da beginnt zugleich der Widerstand und die Ablehnung zu wachsen. Dabei wird nicht der Inhalt seiner Rede in Frage gestellt, sondern seine Person.
Damit bin ich bei der dritten Anmerkung: Sie betrifft seine Herkunft. Er ist der Sohn der Maria. Es mag für unser Ohr harmlos klingen, aber nicht für die anwesende Menge. Es war üblich, einen Sohn einem Vater zuzuordnen. Es ist der Vorwurf an Jesus: Du hast keinen Vater. Du bist ein lediges Kind. Was willst du uns schon sagen? Wir kennen dich.
Das vermeintliche Kennen verhindert den tieferen Zugang zu Jesus. Es heißt: Jesus wundert sich über ihren Unglauben. Das vermeintliche Kennen Jesu wird zum Unglauben, zur Beziehungslosigkeit, zur Starrheit, ja sogar zur Feindschaft.
Es ist eine wichtige Botschaft dieses Sonntagsevangeliums: Du magst schon viel von Jesus gehört, gelesen und gesehen haben. Das vermeintliche Kennen kann allerdings auf dem Weg zu ihm hinderlich sein. Es kann eine Quelle des Unglaubens werden. Rechne immer wieder damit, dass er dir neu begegnet.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Ezéchiel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten: