Von Gott gesandt 1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-12 | 2. Lesung: 1 Thess 5,16-24| Evangelium: Joh 1,6-8.19-28
Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt. Wie schnell ist so ein Satz überlesen. Bei einem näheren Hinsehen gewinnt er immer mehr an Bedeutung. Ja, es ist zunächst von Johannes dem Täufer die Rede, es hat mit mir selbst und dann noch mit jedem Menschen zu tun, dem ich gegenübertrete. Ein Mensch trat auf.
Er ist weder ein König mit Macht, noch ein Prophet mit mächtigem Wort, noch ein Priester oder Hohepriester im Tempel, sondern eben ein Mensch. Es wird vom Evangelisten daran erinnert, dass Johannes zunächst ganz und gar Mensch ist: ein Mensch mit seinen Charismen und Talenten, aber zugleich auch mit seinen Schwächen, Unzulänglichkeiten, Bedürfnissen und Ängsten, mit den Erfahrungen von Stärke und Ohnmacht.
Wir nehmen zur Kenntnis – auch wenn er eine ganz besondere Rolle hat –, dass es sich „nur“ um einen Menschen handelt. Doch dann wirkt es beinahe wie ein Zwischenruf: Er ist von Gott gesandt. Ein Mensch von Gott gesandt. Er hat seine Bedeutung nicht aus Eigenem, sondern sie kommt ihm von einer ganz anderen Dimension her zu: nämlich von Gott selbst.
Es mag nun beinahe wie eine Nebensächlichkeit erscheinen, dass sein Name „Johannes lautet: „Gott ist gnädig“. Der Name ist Lebensprogramm. Wir wissen, dass es in der Familie zu diesem Namen Fragen gab. Einige wehrten sich dagegen, dem Kind diesen Namen zu geben: Noch nie trug jemand aus der Familie diesen Namen, lautete der Einwand bei Lukas (Lk 1,61). Die Familie hatte bisher Gott nicht als gnädig erlebt. Die Schwere, die auf der Familie lag, lässt sich nur erahnen.
Ein Mensch trat auf. Wenn wir den Evangelisten Johannes lesen, dann dürfen wir das eigene Dasein mitdenken. Ich bin ein Mensch; kein König, kein Priester – wie viele sagen müssen oder können, kein Prophet, niemand Besonderer, sondern einfach ein Mensch mit Fähigkeiten und Eigenheiten, mit Hinfälligkeiten, Schwächen und Begrenzungen.
Und für diese meine Person, Mann oder Frau, jung oder alt, gesund oder krank, gilt: von Gott gesandt. Gott, so dürfen wir glauben, hat jeder und jedem eine besondere Sendung zugedacht; eine Sendung, die wir nicht aus uns selbst haben. Wir sind von Gott gesandt, um Leben in Fülle zu haben; gesandt, um andere an dieser Fülle von Leben teilhaben zu lassen, bzw. Leben in Fülle zu ermöglichen.
Wir sind von Gott gesandt und müssen dennoch wie Johannes, kein Messias, kein Elija oder sonst ein Prophet sein. Wir müssen auch nicht das Licht der Welt oder ein Stern am Himmel sein. Wir dürfen Mensch sein und bleiben. Wir sind von Gott gesandt, wenn wir uns nochmals an Johannes anlehnen, Zeugen für das Licht zu sein. Unsere erste Assoziation wird sein: Zeuge für Jesus sein. Doch Zeuge für das Licht sein, meint vor allem Licht in das Dunkel zu bringen, in dunkle Machenschaften; Licht in Situationen der Not, der Gewalt, der Verzweiflung und Angst.
Das Zeuge Sein für das Licht, zeigt sich vor allem in Haltungen: in gelebter Menschlichkeit, Solidarität, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit u.a.
Es trat ein Mensch auf, von Gott gesandt. Wir sind da an einen weiteren, wichtigen Aspekt der Botschaft erinnert. Nämlich jeder Mensch, der mir begegnet, ist eine von Gott Gesandte oder ein von Gott Gesandter. Gott hat den Menschen als sein Abbild bzw. Ebenbild geschaffen. Jede und jeder kommt mit einer Sendung von Gott her. Dies gilt unabhängig von Geschlecht, Nation, Alter oder Beruf. Es gilt auch unabhängig von jeder Religion.
Es kann sein, dass manche Menschen um ihre Sendung gar nicht wissen, vielleicht sich sogar keine Gedanken darüber machen. Johannes der Täufer hat es mit Menschen zu tun, die nach seiner Sendung fragen. Er erklärt vieles, was er nicht ist und was auch wir nicht sein müssen bzw. auch Menschen nicht sein müssen, die uns begegnen. Er verhindert damit, dass falsche Erwartungen oder Überwartungen entstehen, denn solche wirken auf den Menschen und die Menschlichkeit zerstörerisch.
Es ist dem Evangelisten zunächst einmal ganz wichtig festzuhalten: Es ist ein Mensch. Oder: Sei Mensch, lebe das Menschsein. Als Mensch bist du von Gott gesandt, Zeuge für das Licht zu sein.
Mensch sein dürfen einerseits und auf der anderen Seite die Würde des Menschen zu achten, sind für Johannes ganz wichtige Themen. Und ein weiteres: Licht überall dort hinein zu tragen, wo Leben zur Nacht wird durch Elend, Korruption, Gewalt und Menschenverachtung.
Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt. Sein Name war Johannes. Gott ist gnädig.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalónich anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Von Gott gesandt 1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-12 | 2. Lesung: 1 Thess 5,16-24| Evangelium: Joh 1,6-8.19-28”
Bei Deiner Auslegung von Bibeltexten fällt mir Heraklits Spruch ein. Und statt “Fluss” setze ich “Bibel”:
“Kein zweitesmal steigst du als der gleiche in den gleichen Fluss – und bist doch DERSELBE im SELBEN Fluss.”
Danke, Erich