Wenn Gott in mein Heim kommt 1. Lesung: 2Sam 7,1-5.8b-12.14a.16 | 2. Lesung: Rom 16,25-27| Evangelium: Lk 1,26-36
In letzter Zeit mehren sich journalistische Beiträge, die uns glauben machen wollen, dass heuer Weihnachten auf Grund von Corona gar nicht stattfinden könne. So las man in einer österreichischen bunten Tageszeitung: „Corona zerstört unser Weihnachten“. Geht das überhaupt? Kann ein Virus das Gedenken an die Geburt Jesu zerstören? In einer Rundschausendung im Fernsehen wurde die Frage gestellt, ob wir heuer überhaupt besinnliche Tage verbringen könnten wie bisher: Gäste empfangen, Winterurlaub oder Gottesdienst. Alleine die Reihenfolge der Aufzählung gibt reichlich Auskunft über die Prioritätenreihung zahlreicher „besinnlicher Weihnachtsfeiertage“ der Vergangenheit.
Das heutige Evangelium führt uns zum Ursprung der Menschwerdung Gottes. Gott sendet den Engel Gabriel aus, um eine Frau in Nazaret aufzusuchen. Einen – zur Zeit Jesu – vollkommen unbedeutenden und kleinen Ort. Er traf dort auf eine junge Frau, die es verstand, sehr besonnen, überlegt und selbstbewusst mit dieser ungewöhnlichen Situation umzugehen. Was zeichnet diese junge Frau aus, welche Wesenseigenschaften können uns inmitten dieser ungewöhnlichen Adventszeit hilfreich sein?
Entgegen der oft verkitschten Darstellung von Maria wird sie gar nicht als makellos oder als edle Rose geschildert, sondern von Anbeginn an als eine Mutter in schweren Zeiten. Sie wird geschildert als Nachdenkende, auch später in LK 2, 19 „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“. Sie ist keine Frau des schnellen Wortes. Auch Anfragen Gottes mögen überdacht sein. Die Jesuiten, zu denen auch unser Papst Franziskus gehört, nennen dieses kritische Überdenken die Unterscheidung der Geister.
Diese junge Frau ist durchaus selbstbewusst, sie zweifelt nicht, dass ihre Antwort wichtig ist. Sie hat dem Engel keine andere – vielleicht bessere junge Frau weiterempfohlen – nein, sie zweifelte nicht, dass es gerade auf sie ankommt. Maria ist sensibel und spürt, dass ihr Dienst gefragt ist und lässt sich in den Dienst nehmen.
Sie ist aber durchaus nicht naiv, sie ist Realistin und fragt ganz direkt, wie soll das geschehen? Ihre Gottesbeziehung ist davon geprägt, dass sie auf Gott vertrauen kann. Es ist das jüdische Urvertrauen, dass dieser eine Gott sein Volk nie im Stich lassen wird. Sie ist Glaubende. Sie glaubt der Verheißung des Engels Gabriel. Es ist eines der vielen amüsanten Details der Bibel, dass Gott bzw. auch seine Engel die Menschen allzu gut kennen. Der Engel liefert nämlich gleich mit der Nachricht der Schwangerschaft der alten Elisabeth – quasi sicherheitshalber – einen Beweis mit, dass für Gott nichts unmöglich ist.
Maria ist Prophetin. Sie lässt sich als Magd bzw. Knechtin von Gott in den Dienst nehmen, wie vor ihr schon zahlreiche Männer und Frauen im Ersten Testament. Im Zweiten Testament wird Maria nicht mehr allzu oft erwähnt. Jene Stellen, wo sie erwähnt wird, machen aber deutlich, dass das Leben als Partnerin Gottes nicht immer ein Honigschlecken ist. Es braucht Treue, Ausdauer und Beharrlichkeit – wie in jeder Liebesbeziehung. Sie hält durch. Sie ist bereit, Partnerin Gottes zu werden und willigt damit ein, an seinem Heilsplan mitzuwirken. Gott kann erst durch und mit ihr Mensch werden.
Was bedeutet dies alles nun für unser heuriges Weihnachtsfest? Welche Anfrage Gottes liegt vor, wenn wir dieses Jahr Weihnachten anders feiern müssen? Genauso wie damals ist unsere – meine ganz persönliche – Antwort wichtig.
Menschen fühlen sich derzeit verloren. Vieles was bisher getragen oder abgelenkt hat, fällt weg: der Vorweihnachtsstress, der Einkaufstrubel, die Geselligkeiten mit manchmal völlig ausufernden Weihnachtsfeiern. Selbst mancher treue Katholik steht verloren da – ohne Rorate, ohne gewohnten Sonntagsgottesdienst, ohne „Stille Nacht“ in der abgedunkelten Kirche.
Uns bewegt die Frage: wie soll heuer Weihnachten geschehen? Auf den Arzt und Priester Angelus Silesius geht folgende Aussage zurück: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren“. Kann es nicht sein, dass wir in den Weihnachtsfeiern der vergangenen Jahre nicht viel verlorener waren, weil wir vom eigentlichen Ereignis abgelenkter waren als dieses Jahr? Dieses Jahr ist vieles anders. Sind wir nicht in anderen Umständen, wie es damals auch Maria war?
Es liegt an uns zu fragen, welche Regungen in uns dazu beitragen unser Leben gelingen zu lassen. Es gilt – wie es die Jesuiten praktizieren – die Geister zu unterscheiden, um den Willen Gottes in der derzeitigen Situation für uns bzw. für mich zu finden. Der gute Geist hat kein anderes Ziel, als das Gute in unserem Leben gelingen zu lassen. Der böse Geist will, dass das Projekt Gottes mit dem Menschen misslingt.
In der ersten Lesung haben wir gehört, dass David Gott ein Haus bauen wollte. Gottes Ansinnen war es aber, dass zuerst sein Volk an einem sicheren Ort wohnen soll. Welche Fürsorge und welche Rücksichtnahme! Das mobile Zelt, in dem er mit seinem Volk durch die Wüste mitgezogen war, störte ihn nicht, war ihm nicht zu wenig, nein es diente seiner Absicht mitten unter den Menschen zu wohnen. Es ist für uns üblich, Weihnachten in Gotteshäusern manchmal in wahren Kirchenpalästen, zu feiern – die Geburt eines Kindes, das unter armen Umständen geboren worden ist. Möglicherweise soll dieses Jahr die Geburtsfeier an einem anderen Ort stattfinden. Vielleicht will Gott mein Haus, meine Wohnung, meinen inneren Stall aufsuchen – wo es wahrlich auch nicht immer aufgeräumt ist, wo es den sturen Esel und den schwerfälligen Ochsen gibt, manchmal auch Gestank und Dreck.
Rufen wir uns nochmals die Beschreibungen über Maria in Erinnerung: Es waren schwere Zeiten, auch sie musste nachdenken, was denn das nun für sie zu bedeuten habe. Sie zweifelte nicht an der Zuwendung Gottes und wusste, dass ihre Antwort wichtig ist. Auch wir dürfen uns wie Maria fragen, wie soll das geschehen? Wie kann das Kommen des Erlösers in meinem Leben und in unserer heutigen Welt stattfinden? Vielleicht gilt es auch zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Es gilt aber ja zu sagen, wenn Gott mit mir und durch mich seine Schöpfung – vielleicht gerade in der schwierigen Zeit der Pandemie und danach – gestalten möchte.
Alfred Delp ein Jesuit, der im Widerstand gegen den Nationalsozialismus tätig war und wegen Hochverrats zum Tod am Strang verurteilt wurde, schrieb während seiner Haft über das Weihnachtsfest: „Ich glaube, ich werde ganz schön Weihnachten feiern. Mit dem Herrgott allein“.
Es ist heuer so vieles anders … es sind wahrlich andere Umstände. Vielleicht kann uns aber gerade das diesjährige Weihnachtsfest näher bringen, um was es eigentlich geht: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren“.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Samuel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: