Würdig befundener Restglaube 1. Lesung: Gen 15,5-12.17-18 | 2. Lesung: Phil 3,17-4,1| Evangelium: Lk 9,28b-36
Der Text der ersten Lesung ist ein wichtiger Text für unsere Glaubenstradition und für das Glaubensverständnis. Es ist ein zusammen gestückelter Text, bei dem manches im Dunkeln bleibt. Dennoch: Es bergen sich darin unheimliche Schätze.
Abram gerät in eine tiefe Krise. Er hat auf den Ruf Gottes hin die Familie, Verwandtschaft und Heimat verlassen. Er ist im Vertrauen aufgebrochen, dass sein Name groß wird, dass er Nachkommen haben wird, ihm ein großes Volk und ein neues Land geschenkt werden. Die Verheißungen aber lassen auf sich warten. Auf dem Weg musste er sich vom Neffen Lot und seinem Gefolge trennen. Dieser hatte die fruchtbare Ebene gewählt. Abram blieb das karge Gebirge. Lot kam in Gefangenschaft. Abram riskiert sein Leben, um ihn wieder zu befreien.
Abram hat schon viel losgelassen und schon viel für andere getan, doch immer noch ist er ohne Kind und ohne Land. Da zeigt ihm Gott den Nachthimmel und erneuert die Verheißung: Sieh doch zum Himmel hinauf, so zahlreich werden deine Nachkommen sein.
Hier setzt dann die Lesung ein: Abram glaubte dem Herrn. Der Herr rechnete es ihm als Gerechtigkeit an. Es klingt vielleicht ungewohnt. Im Ersten Testament besteht eine enge Beziehung zwischen Glauben und Gerechtigkeit. Der Glaube zeigt sich in der Gerechtigkeit, in dem Bemühen, den Mitmenschen gerecht zu werden bzw. ihnen Gerechtigkeit zukommen zu lassen, für ihr Recht zu sorgen. Es ist Frucht des Glaubens: wachsende Gerechtigkeit.
Dieser Zusammenhang zwischen Glauben und Gerechtigkeit bestimmt aber ebenso die Beziehung des Menschen zu Gott. Dass Gott gerecht ist, ist unser hoffen und glauben. Doch Abram kommen Zweifel: Ist Gott mir gegenüber gerecht? Kann Gott gerecht sein, wenn er mir Kinder verweigert? Oder: das neue Land? All mein Vertrauen, Arbeiten und Mühen ist doch vergeblich? Mit leeren Händen friste ich mein Leben?
Die unzählbaren Sterne, die Abram nicht geschaffen hat, werden für ihn zum Zeichen, dass die Zusage von Nachkommenschaft Wirklichkeit werden wird. Abram glaubt es. Es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Doch der Glaube bleibt stecken. Die Krise Abrams geht tiefer. Nachkommenschaft ja, aber alles andere: die Landverheißung, der große Name, ein Gesegneter zu sein und zum Segen werden, sind für ihn nicht erkennbar. Es quält ihn – nochmals – die Frage: Ist Gott, der Herr gerecht? Werde ich von ihm gerecht behandelt? Er fragt nach: Woran soll ich erkennen, dass DU – Gott – mir das alles gibst?
Gott heißt ihn, er solle Tiere aufteilen. Es erinnert an Traditionen, wie im alten Orient Verträge geschlossen wurden. Die Vertragsparteien teilten Tiere auf und brachten anschließend einen Teil als Opfer dar. Wer sich nicht an den Vertrag hielt, dem sollte es gehen wie den Tieren. Der Ritus war also Ausdruck einer hohen Verbindlichkeit.
Als Abram den Ritus vollzieht kommen Raubvögel, die ihm das Fleisch wegnehmen wollen. Ein ähnliches Bild begegnet uns in der Geschichte des Joseph, der den Traum des Bäckers deutet. Im Traum trägt dieser die Brotkörbe auf dem Kopf und Raubvögel wollen sie wegnehmen. Dort ist es die Angst, es wird ihm alles strittig gemacht und er komme zu kurz. Hier beschreibt das Bild der Raubvögel, dass das Vertrauen Abrams in den Vertragspartner „Gott“ angefochten wird. „Raubvögel“ wollen es ihm entreißen, rauben. Abram versucht sich dagegen zu wehren. Als die Sonne untergeht, fällt er in einen tiefen Schlaf und eine unheimliche Angst befällt ihn. Vielleicht würden wir heute sagen: Er fällt in ein Burnout, in eine Depression. Es ist für ihn und um ihn dunkel geworden.
Es erinnert an Situationen, in denen der Lebensentwurf und die Lebensträume zerbrechen, wie: das Ende einer Partnerschaft oder Ehe, das Scheitern im Beruf oder mit/in der Firma, das harte Konfrontiert-Sein mit eigenen Grenzen, ein scheinbar unlösbarer Konflikt, ein Zerwürfnis in der Familie … oder eben auch das Gefühl von Gott betrogen zu sein. Viel habe ich investiert, riskiert oder losgelassen und nichts erhalte ich zurück.
Die Schilderung lässt offen, ob es im Zusammenhang mit Gebet oder Gottesdienst steht? Sie erzählt allerdings eindrücklich wie sehr es für Abram Nacht, dunkel wird und der letzte Funke Hoffnung erloschen ist. Man kann berechtigt fragen: Hat Abram überhaupt noch einen Glauben? Es war nicht mehr als ein „Restglaube“, den der Herr zur Gerechtigkeit anrechnete.
Es ist der „Restglaube“, der von Gott gewürdigt wird. Die geschilderte Szene ist zugleich der Erweis, dass Gott gerade in das Dunkel des Menschen kommt. In der völligen Dunkelheit und tiefen Angst Abrams erscheint der rauchende Ofen und die lodernde Fackel, Zeichen der Gegenwart Gottes.
Es kommt dann ein späterer Einschub, den die heutige Lesung – in meinen Augen: leider (Gen 15,13-16) – weglässt. Er erzählt, was Abram hoffen lässt. Es sind die Erfahrungen der Geschichte. Das Volk Israel hat in Ägypten die Nacht erlebt. Aus dieser Nacht hat sie Gott heraus geführt. Auch Abram darf in seiner Situation auf diesen ins Leben und in die Freiheit führenden Gott hoffen.
Glaube bedarf der Erfahrung, des Rückblicks. Es richtet auf, wenn ich mich an eigene, überstandene Schwierigkeiten erinnere oder wenn ich von anderen höre, wie sie in ähnlichen Situationen vorgegangen sind. Die Bibel erzählt uns ebenso auf vielfältigste Weise, wie Menschen in dunklen und dunkelsten Stunden seine Hilfe erfahren haben.
Es ist zu erwähnen, dass sich bei Abram in dieser schwierigen Lebensphase ein großer Lernschritt vollzieht. Die Verheißung von Land wird er nicht selbst erleben, sondern erst seine Nachkommen. Er bleibt Verheißungsträger, nichts mehr. Lebensträume werden sich nicht immer erfüllen, aber sie sind wichtig, weil sie kommende Generationen beschenken, wie auch wir von den Lebensträumen der Vorväter und Vormütter beschenkt sind.
Diese Lesung ist dem Evangelium vom Tabor beigefügt. Es gibt mehrere Berührungspunkte: Wie Abram ist Jesus in der Krise. Es kommen Angst und Schlaf vor. Es geht um Einbezug der Schrift – Moses und Elija als Repräsentanten. Es geht um Jesus als Träger von Verheißungen.