Eine normale Familie wird heilig 1. Lesung: 1 Sam 20-22.24-28| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-2.21-24| Evangelium: Lk 2,41-52
Das Fest der Heiligen Familie ist ein junges Fest. Vor knapp hundert Jahren, 1920 wurde es in unserer Katholischen Kirche eingeführt. Es sind praktisch zwei Großereignisse bzw. gesellschaftliche Entwicklungen, auf die das Fest eine Antwort sein soll: Da ist zunächst die industrielle Entwicklung des 19. Jahrhunderts verbunden mit der Urbanisierung und dem Rückgang der Agrargesellschaft, in der Familien vielfach den gesamten Alltag teilten. Die industrielle Entwicklung veränderte das familiäre Leben, insofern die Präsenz des Vaters abnahm, vermehrt Männer und Frauen von der Schichtarbeit betroffen waren. Das Fest der Heiligen Familie wurde auch eingeführt in der Folge des I. Weltkrieges, der in Europa viele Familien zerrissen zurück lies. Es gab viele Witwer, Witwen und Waisen, viele Familien mit Invaliden und Vermissten. Auf Grund der politischen und ökonomischen Situation gab es viele Flüchtlinge bei uns und in andere Kontinente Flüchtende.
Es ist die Heilige Familie, in deren Schicksal sich damals viele wieder finden konnten. Auch sie ist eine Familie, die mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontiert war: die fragwürdige Schwangerschaft; wirtschaftlicher Druck verbunden mit Not; eine Geburt in der Fremde; weil das Kind gefährdet ist, die Flucht nach Ägypten; der eigenartige bzw. eigenwillige Weg des Sohnes mit Distanz zur Familie; schließlich der Tod des Sohnes. Es wird an die Heilige Familie erinnert, die in dieser Umbruchszeit mit den vielen verwundeten Menschen Hoffnung und Orientierung sein konnte. Es wird an diese Heilige Familie erinnert, die ihre Situation auf Gott hörend, betend und wallfahrtend gemeistert hat, der auch so manches unverständlich blieb und im Herzen erwägend mitgetragen hat. Nicht zuletzt ist bei uns die Vorstellung von der Heiligen Familie geprägt durch die Nazarener Kunst, die oft den Nährvater Josef mit Jesus als Handwerker zeigt, Maria im Gespräch mit dem Engel. Die Heilige Schrift zeichnet die Heilige Familie als eine in ihren Beziehungen geforderte Familie, die mit Brüchen, Irritationen, Not, Unverständnis … u.a. zu ringen hatte. In ihr zeigt sich vieles, was auch andere Familien erleben. Sie zeigt auf, dass Gott mit ihr Geschichte schreibt. Es ist und bleibt ein wichtiger Aspekt des Glaubens: Gott will ebenso mit ihrer (meiner) Familie Geschichte schreiben. Gott bindet sich dabei nicht an ein Ideal, sondern nimmt die Realität als Grundlage seines Wirkens, die Familie, so wie sie ist.
Zwei Gedanken möchte ich an die biblischen Texte anknüpfend festhalten:
Als Hanna in Schilo um ein Kind bittet, erlebt Israel eine tiefe Krise. Politisch wird Israel von den übermächtigen Philistern unter Druck gesetzt, d.h. es gibt eine steigende Armut. Religiös schwindet im Volk der Glaube bis hin zu den Priestern. So wird berichtet, dass die Söhne des Priesters Eli, die ebenso als Priester am Heiligtum in Schilo tätig sind, die Opfer der Menschen für ihre private Gier missbrauchen.
Es ist eine triste Situation. Ähnlich trist war es für Israel zur Zeit Jesu. Von Hanna wird berichtet, dass sie ein Kind erbittet. Das Kind trägt schließlich diesen Namen: Samuel – „ich habe ihn vom Herrn erbeten“. Es sind Hanna und Maria, die jeweils in ihrer Situation Ja zum Kind sagen.
Es gibt heute manchmal Stimmen, die fragen: Ist es heute noch zu verantworten ein Kind in die Welt zu setzen? Die Zukunft verheißt diesen Kindern doch nichts Gutes?
Wir dürfen es aus beider Geschichten entnehmen, sowohl bei Samuel als auch bei Jesus: Jede Zeit gebiert die Kinder, die mit den Herausforderungen einer Epoche umzugehen wissen, die jene Wenden einleiten, die es für die Zukunft braucht, die die Weisheit und Kraft aufbringen, einen Weg in die Zukunft zu bahnen. Es ist Samuel, der mit Hilfe des alten Eli lernt, neu auf Gott zu hören und dessen Sprachrohr zu werden. Es ist Samuel, der als Prophet zum Betlehemiter Isai geht, um den neuen König unter seinen Söhnen zu suchen und zu salben: David sein Name. Er sammelt die Stämme und weist die Philister in ihre Schranken.
Im Ja zum Kind bzw. zu Kindern zeigt sich der Glaube, Gott gewährt jene Charismen und Talente, die den Weg in die Zukunft ermöglichen, die den Herausforderungen einer Epoche gewachsen sind. Es lässt mich immer wieder bei jungen Menschen staunen, welche Zusammenhänge ihnen bekannt sind und welche Verantwortung sie spüren, bei allem Leichtsinn, der natürlich auch vorhanden ist. Das Ja zu einem Kind ist auch das Ja, zu jenen Begabungen, Talenten, Charismen, … die eine Gesellschaft braucht, damit sie gut in die Zukunft gehen kann. Da sind die Talente eines Kindes mit Behinderung nicht ausgenommen.
Ein zweiter Gedanke: Es wird in der Lesung und im Evangelium deutlich, die Kinder haben nicht nur eine Aufgabe für die Familie. Die Aufgabe dieser Kinder geht weit darüber hinaus.
Es mag überhört worden sein. Es ist für das I. Testament beachtlich wie Hanna auftritt. Als ihr Mann im Jahr nach der Geburt nach Schilo gehen will, um für den Sohn die Opfer zu bringen, sagt sie nein. Sie ist alles andere als eine Mitläuferin oder gefügige Frau. Sie weiß, was sie will. Zugleich bindet sie aber den Sohn nicht an sich. Nach der Entwöhnung, so heißt es, geht sie nach Shilo und überlässt den Sohn dem Herrn. Sie übergibt ihn Eli mit den Worten: „Er soll für sein ganzes Leben ein vom Herrn zurückgeforderter sein.“
Sie versteht Samuel nicht als Besitz. Sie macht ihn stark und lässt ihn seinen Weg gehen. Es wird eigens erwähnt, dass sie zum Herrn beten. Es ist das Ringen, das innere Ringen: Wozu lebe ich? Wofür lebe ich? Was ist meine Aufgabe für das Volk, für die Gesellschaft, für das Gemeinwohl? Wir würden die Heilige Familie völlig falsch deuten, wenn wir in ihr eine abgeschlossene Idylle sähen. Die Heilige Familie ist über jeden Selbstzweck erhaben, 1. Lesung: Bar 5,1-9| 2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11| Evangelium: Lk 3,1-6auch sie steht im Dienste eines Größeren.
Ein Kommentar zu “Eine normale Familie wird heilig 1. Lesung: 1 Sam 20-22.24-28| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-2.21-24| Evangelium: Lk 2,41-52”
Lieber Pfarrer Baldauf, Danke für den heutigen Bibelblog. Vor allem der Gedanke “jede Zeit gebiert die Kinder, die mit den Herausforderungen ihrer Zeit umzugehen wisssen, …. Im ja zum Kind bzw zu Kindern zeigt sich der Glaube, Gott gewährt jene Charismen und Talente, die den Weg in die Zukunft ermöglichen … Danke für den wöchentlichen Bibelblog! Fürs neue Jahr wünsche ich weiterhin viel Hl. Geist