Eine Freude, die niemand nehmen kann 1. Lesung: Apg 5,17-35.38-41 | 2. Lesung: Off 5,11-14| Evangelium: Joh 21,1-9
Um die Umstände der Apostel besser erfassen zu können, war der Umfang der Lesung etwas ausführlicher als von der Leseordnung vorgesehen. Sie gab uns einen Einblick in das Wirken der Apostel, bzw. in das Wachsen der jungen Kirche. Es sind drei, vier Aspekte, die besondere Achtung verdienen:
Zunächst einmal gilt es einen Blick auf die Jünger zu werfen, bei denen sich viel getan hat. Am Karfreitag laufen sie entgegen aller Versprechungen davon. Petrus betont dreimal: Ich kenne diesen Jesus nicht. Er und die anderen Apostel werden uns nun als Männer geschildert, die sich nicht mehr einschüchtern lassen. Petrus erklärt: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5,29). Es gilt diesen Satz in der Folge noch näher anzusehen. Es gilt auch anzusehen, welche Botschaft sie verkünden? Aber vorerst fällt dieser Wandel auf, zum mutigen und offenen Auftreten. Weder Gefängnis, Drohungen noch Peitschenhiebe hindern sie, selbstbewusst in aller Öffentlichkeit das Evangelium von Jesus, dem Christus, zu verkünden.
Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Es ist zu vermuten, dass Lukas weiß, wen er zitiert. Platon hat den Satz seinem zum Tod verurteilten Lehrer und Philosophen Sokrates in den Mund gelegt. Sokrates, der 399 v. Chr. starb, hält den Giftbecher in der Hand und erklärt: Ich werde Gott mehr gehorchen als euch.
Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Dieser Satz richtet sich gegen den Hohen Rat, den Tempelhauptmann und Hohenpriester, die von den Aposteln das Schweigen fordern. Sie können und wollen aber nicht schweigen. Es ist eine andere Autorität, der sie sich verpflichtet fühlen, einer Botschaft der Rettung und des Heils. Es ist aber zugleich auch ein politischer Satz. Der Kaiser in Rom lässt sich als Gott verehren, d.h. er verlangt uneingeschränkte Treue und Gefolgschaft. Die Apostel rücken damit auch dieses Bild zurecht. Der Kaiser ist für sie nichts mehr als ein Mensch. Da bleiben sie in einer tiefen Verbundenheit mit den Juden. Vermutlich ist es für Gamaliel ein wichtiges Motiv, die Apostel in der weiteren Auseinandersetzung in Schutz zu nehmen.
Gott mehr gehorchen als den Menschen. Der Satz hat Brisanz bis in unsere Zeit. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Mensch als Ab- bzw. Ebenbild Gottes geschaffen ist, dann verändert dies die Beziehung zu Migranten oder Fremden. Für Gott ist niemand eine Fremde oder ein Fremder, hat jeder Mensch seine besondere Würde.
Wenn wir davon ausgehen, dass wir Gott mehr gehorchen sollen als den Menschen, dann bleiben Autoritäten hinterfragbar, kritisierbar bzw. bleibt jeder und jede Mensch. Wenn wir Gott mehr gehorchen als Menschen, dann steht weiter nicht mehr die eigene Karriere, Aufstieg, Vorteil oder Erfolgsdenken im Vordergrund. Es schenkt eine große, innere Freiheit.
Und zugleich ist zu beachten, dass gerade unter diesem Vorzeichen – man muss Gott mehr gehorchen als dem Menschen – unsagbares Leid geschaffen wurde und werden kann: Menschen, die Gott für ihre Interessen oder Ideologien missbrauchen, die im Namen Gottes ihre heimlichen oder offenen Ziel verfolgen, Menschen, die sich im Namen Gottes gegen Anfragen oder Kritik immunisieren. Gott mehr gehorchen als den Menschen, wie es die Apostel hier verstehen, erlaubt weder das eine noch das andere, weder das Töten im Namen Gottes, noch jede Abwertung von Menschen oder Religionen.
Es ist deshalb unbedingt zu beachten, was die Apostel als Grund ihres nicht Schweigens angeben: „Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. Ihn hat Gott als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken“ (Apg 5,31). Es geht ihnen nicht um Rechthaberei, sondern ihre Botschaft ist, dass sie das Leben neu verstehen sollen. Es lebt der Totgeglaubte, der Gescheiterte. Er ist zum Hoffnungsträger geworden. Er, der Opfer wurde, ist der neue Richter. Es geht nicht um Rache und Vergeltung – schon gar nicht Israel gegenüber – sondern um Vergebung und Versöhnung, um ein neues Miteinander, um ein Brücken bauen unter und zwischen den bestehenden Gegensätzen und Bruchlinien. Was sie zu künden haben, ist ein Geschenk Gottes. Sie können und wollen es nicht mit Gewalt oder Zwang verbinden, sie nehmen aber Gewalt und Repressalien auf sich.
Es wird uns geschildert, dass ein Engel den Aposteln in der Nacht das Gefängnistor geöffnet hat. Es wird früher erwähnt, dass die Apostel bzw. Jünger unter dem Volk beliebt waren (Apg 2,47). Sie hatten ihre Anhänger, auch wenn diese nicht offen zu ihnen standen. Mag sein, dass es auch unter Soldaten und Wächtern bald Anhänger des „neuen Weges“ gab, die in die Engelfunktion kamen und im Untergrund die Jünger und Jüngerinnen unterstützten. Es gibt Unterstützung mit der man nicht rechnen kann oder würde. Christsein heißt immer auch damit zu rechnen, dass Türen aufgehen, wo wir es nicht vermuten. Es ist auch ein Wort an eine Kirche, die mit großen Herausforderungen und Umwälzungen konfrontiert ist.
Am Ende wurden die Apostel ausgepeitscht. Es wird dann von den Jüngern gesagt: Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden. Es könnte masochistisch verstanden werden, will es aber nicht. Sie haben das nicht bewusst gesucht oder gewählt. Es ist ihnen im Rahmen der Verkündigung geschehen. Für mich finde ich den Gedanken von Papst Franziskus wieder, der in „Evangelii gaudium“ sagt: Das Evangelium verkünden ist eine Freude teilen.
Das Evangelium verkünden ist nicht nur dann gefragt, wenn die äußeren Umstände gut, frei und bequem sind. Die Apostel künden das Evangelium in einer Atmosphäre des Widerspruchs, der Anfeindungen, der Repressalien und Verfolgung. Zu beachten ist dabei – zumindest schildert es uns Lukas in dieser Form – sie schimpfen weder über die Peiniger noch irgendwelche Gegner. Sie freuen sich im Herrn, gewürdigt worden zu sein. Sie freuen sich.
Vermutlich hängen wir zu sehr an den Zahlen und an all dem, was in der Kirche nicht mehr geht. Vielleicht sind wir nicht so sehr Gefangene von Gegnern, sondern Gefangene der Zeit und den Vorstellungen, wie Kirche einmal war. Wir wissen nicht, wie es weiter gehen wird. Es führt uns leicht zu einer eher depressiven Gestimmtheit (ich möchte mich da nicht ausnehmen). Die Jünger ließen sich nicht abbringen, Tag für Tag im Tempel und in den Häusern das Evangelium von der Rettung zu verkünden. Die gelebte Solidarität, ihre Dankbarkeit, ihre gegenseitige Achtung, ihr Dasein für Menschen, nicht zuletzt ihr gewaltloses Agieren erfüllte sie mit einer Freude, die ihnen niemand nehmen konnte.
2 Kommentare zu “Eine Freude, die niemand nehmen kann 1. Lesung: Apg 5,17-35.38-41 | 2. Lesung: Off 5,11-14| Evangelium: Joh 21,1-9”
Lieber Erich,
vielen herzlichen Dank für Deine Gedanken
zur heutigen Lesung.
z.B. während des Krieges zur Schülermesse am Werktag zu gehen und den Sonntag zu
feiern.
“Vielleicht sind wir nicht so sehr Gefangene von Gegnern, sondern Gefangene der Zeit und den Vorstellungen, wie Kirche einmal war”.
Dieser Satz hat mich sehr beeindruckt, denn auch ich zähle mich dazu, oft willen- und kraftlos das Evangelium weiterzutragen, vor allen mit jenen Worten, bei denen ich mich verstanden fühle.