Den Mantel der Verantwortung anziehen 1. Lesung: 1 Kön 19,16b.19-21| 2. Lesung: Gal 5,1.13-18| Evangelium: Lk 9,51-62
Elija wirft beim Vorbeigehen Elischa den Mantel über und setzt ihn als seinen Nachfolger ein. Um besser zu verstehen, was uns da gesagt werden will, gilt es das Umfeld zu beleuchten.
Elija, der eigenwillig und im Übereifer über 800 Baalspriester umbringen hat lassen, hat am Horeb erfahren: Gott ist nicht im Erdbeben, nicht im Blitz, nicht im Donner, sondern er geht im Säuseln des Windes vorüber. Elija, der große Prophet und Kämpfer für den Ein-Gott-Glauben, den Glauben an den einen HERRN, lernt, dass Gott sein gewaltsames Vorgehen alles andere als gut heißt (1 Kön 19,1-13). Gott handelt gewaltfrei, gleich dem Säuseln des Windes.
Elija hat dies am Berg Horeb neu gelernt. Unmittelbar darauf klagt Elija Gott an und wirft ihm vor: Mit Leidenschaft bin ich für Dich eingetreten, weil Israel den Bund verlassen hat und ich habe die Altäre des Baal zerstört und nun trachten mir die Menschen nach dem Leben. Ich bin allein übrig geblieben (1 Kön 19,14-15). Er fühlt sich von Gott und Menschen im Stich gelassen. Er ist allein gelassen. Er ist enttäuscht, vielleicht noch mehr verbittert.
Die Antwort Gottes darauf haben wir als Lesung gehört, wobei leider manches auch da unterschlagen wird. Denn Elija soll nicht nur Elischa berufen, sondern er soll durch die Wüste nach Damaskus gehen und dort Könige salben: Hasael für Aram und Jehu für Israel. Und was ebenso erwähnt wird: Es sind in Israel 7.000, die das Knie vor Baal nicht gebeugt haben, das heißt sie sind Baal nicht gefolgt (1 Kön 19,16-18). Mit anderen Worten: Elija steht in seinem Ringen für den Glauben an den einen HERRN bei weitem nicht so allein da, wie er es meint und beklagt. Es gibt 7.000 Menschen in Israel, die seinen Weg teilen oder ihm zumindest nahe stehen. Es sind sieben mal 1 000. Sieben als Zahl der Schöpfung und des Neuwerdens. Es ist im Volk viel Potential für einen Neuanfang gegeben. Es ist bei einem Übereifer, wie er bei Elija vorkommt, die Gefahr, dass jene nicht mehr gesehen werden, die grundsätzlich ein Anliegen teilen und sogar mittragen.
Elija soll gehen und Könige salben. Es ist der Auftrag an Elija, das Volk neu zu organisieren, neue Könige zu salben, die das Volk in neuer Weise leiten und führen und zwar mit solchen, die auf den Einen Gott hören. Er soll einen neuen Propheten – Elischa – salben, das meint berufen, der in seinem Geist das Werk fortführt. Es ist der Auftrag an Elija, die Aufgaben und die Verantwortung zu teilen und nicht alles selber machen zu wollen oder zu müssen.
Es ergeht Elija nicht viel anders als dem Mose, der bei der Berufung am Dornbusch sich ebenso überfordert fühlte. Gott machte diesen auf seinen Bruder Aaron aufmerksam. Er kann ihm zur Seite stehen.
Diese Bibelstelle könnte wohl auch die Kirche heute inspirieren, insofern es um die Neuorganisation geht. Der Auftrag an Elija richtet sich nicht nur darauf, auf vertraute Personen zu setzen, sondern neue zu suchen. Er soll sogar nach Damaskus gehen, da wo die Feinde leben, um Hasel zu salben. Man darf fragen: Vielleicht ist für unsere Zeit die Auswahl der Verantwortungsträger mit der Beschränkung auf den zölibatären Mann zu eng?
Die Begeisterung des Elija hält sich in Grenzen, wenn wir weiter lesen. Elija hat Mühe und lebt sogar teilweise im Widerstand. Diese Mühe erkennen wir als er Elischa beruft. Da heißt es, dass er im Vorbeigehen den Mantel auf ihn wirft. Es fehlt die volle Präsenz oder Aufmerksamkeit. Vielleicht fehlt sogar der Glaube, dass da etwas wird.
Es überrascht die Reaktion des Elischa. Zunächst wird deutlich, dass er wohlhabend ist. Er hat zwölf Gespanne. Er selbst pflügt mit dem zwölften. Ein Großunternehmer. Er lässt sich von dieser gesicherten Position ohne Umschweife wegrufen. Elischa macht keine halbe Sache, sondern nimmt mit einem großen Mahl Abschied von den Seinen, um für seine neue Aufgabe frei und bereit zu sein.
Elischa lies sich den Mantel umwerfen. Seine Rolle ist nicht einfach die eines Dieners. Er will ganz in die Rolle eines Propheten hinein wachsen. Er geht in die Schule des Elija, will ihm folgen, doch mehrmals gibt Elija ihm zu verstehen, dass er allein weiter gehen will (2 Kön 2,2; 2 Kön 2,4). Elischa lässt nicht locker und folgt ihm und hat den Wunsch, dass er Teile vom Geist des Elija erhalte. Es ist Elischa, der alles daran setzt, dass das von Elija begonnene Werk weiter geht.
Vielleicht spiegelt sich im Verhalten des Elija das Phänomen, dass es manchmal begabten und talentierten Menschen schwer fällt, ihr Können weiter zu geben. Sie möchten, dass ihr „Licht“ möglichst stark in die Nachwelt hinein leuchtet und keine Konkurrenten aufkommen. Im alleinigen Wissen liegt auch ein Machtfaktor. Wissen zu teilen ist zugleich ein Teilen der Macht.
Elija hat Mühe von dem allem los zu lassen. Doch ohne den Einsatz der neu gesalbten Könige und ohne den Dienst seines Nachfolgers Elischa wäre sein Vorhaben, das er am Karmel begonnen hat, stecken geblieben.
Im Schlusssatz des Evangeliums sagt Jesus zu einem, der ihm folgen will: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes“ (Lk 9,62). Jesus nimmt Bezug auf Elischa, der viel zurück lässt, um seine Berufung, seine Aufgabe ganz wahrnehmen zu können. Und in einem solchen Satz schwingt die ganze Geschichte des Übergangs zwischen Elija und Elischa mit.
Es ist im Volk zum Neuwerden viel Potential vorhanden, vielleicht mehr als Verantwortungsträger wahrhaben wollen. Es gilt die Aufgaben und die Verantwortung zu teilen und in neuen Situationen ist das neu zu organisieren. Einzelkämpferinnen und -kämpfer, so wichtig ihre Rolle und ihre Pionierarbeit in bestimmten Phasen sein kann, tragen nicht in die Zukunft.
Der Übergang zwischen Elija und Elischa ist holperig, keineswegs irritationsfrei. Auch da ist Gott zugegen.