Den Auftrag klären 1. Lesung: Gen 2,7-9;3,1-7| 2. Lesung: Röm 5,12-19| Evangelium: Mt 4,1-11
Bevor Jesus vom Geist in die Wüste geführt wurde, erhielt er bei der Taufe im Jordan die Zusage, der geliebte Sohn Gottes zu sein. Mit dieser Beteuerung erhielt Jesus kein Konzept, keinen Masterplan und keine konkreten Aufträge. Jesus musste für sich in aller Ruhe klären, was es bedeutet, Gottes geliebter Sohn zu sein. Er musste zuerst einmal seiner konkreten Berufung nachspüren. Uns geht es da nicht anders. Auch wir haben die Zusage, Gottes geliebte Töchter und Söhne zu sein. Aber was heißt das konkret für uns und unser Leben? Was für eine Verantwortung leite ich für mich daraus ab? Was möchte ich zukünftig tun und was lassen? In diese Fragen hinein begleitet auch uns am Beginn der Fastenzeit der Geist Gottes. Darauf dürfen wir vertrauen.
Wer kennt das nicht: Kaum meint man, eine Einigung mit sich selbst erzielt zu haben, schlagen genau dann die Aber-Geister zu. Da kommen die Fragen des Versuchers. Drei Versuchungen widerfahren Jesus in der Wüste. Jede hat es in sich. Und jede ist heute so aktuell wie damals. Sie treffen den Kern, sie zielen darauf ab, das Sohn- bzw. Tochtersein zu testen.
In der ersten Versuchung soll Jesus an der Fürsorge des Vaters zweifeln. Menschlich betrachtet ist die Versuchung, an Gottes Sorge für mich zu zweifeln, wenn es mir schlecht geht, wenn mich hungert, sehr real. Jesus erkennt für sich, dass nicht das einfache Brot allein ihn in seiner Berufung stärken kann, sondern JEDES Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Die zweite Versuchung ist dann noch die Steigerung. Jesus soll nicht nur an der Sorge Gottes für ihn zweifeln, er soll ihn auch noch testen. Der Tempel war der Ort, wo im Verständnis des damaligen Judentums Gott seinen Namen wohnen ließ. Er steht auf jenem Boden, wo Abraham von Gott vermeintlich in Versuchung geführt wurde und seinen Sohn Isaak opfern sollte. Abraham gab diesem Ort den Namen „Auf dem Berg lässt sich der Herr sehen“ (Gen 22,9). Es ist jener Ort an dem Gott Abraham und seinen Nachkommen seinen Segen schenkte. Genau an diesem Verkündigungsort Gottes sollte Jesus diesen auf die Probe stellen. Er sollte an Gottes Segen und seiner Zusage zweifeln. Wie oft zweifeln wir, ob uns die schützenden Hände Gottes auch tragen werden? Wie gerne hätten wir da Gewissheit.
Die letzte Versuchung zielt darauf ab, anzunehmen, dass Gott Jesus etwas vorenthält. Es ist die klassische Versuchungsszene der Schöpfungsgeschichte. Es ist die Versuchung, so werden zu wollen, wie Gott (Gen 3,5) und damit Herrscher über alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht. Jesus wehrte die Versuchung ab, dass Gott ihm etwas vorenthalten könnte. Es ist das Grundvertrauen, das jedes Kind in einer fürsorgenden Familie haben darf. Wir sollen nicht nach dem schielen, was uns vermeintlich vorenthalten wird und uns damit Götzen kreieren, die uns vom Wesentlichen im Leben abhalten.
Bei allen drei Versuchungen beruft sich Jesus auf Worte der hebräischen Bibel. Sie helfen die Versucher in Schacht zu halten. Jesus ist versucht worden wie wir ständig versucht werden und uns versuchen lassen. Aber er widersteht mit Hilfe des Wortes Gottes. Er bleibt seiner Berufung treu. Er bewährt sich als Sohn Gottes. „Und siehe, es kamen Engel und dienten ihm“ (Mt 4, 11). Sein Glaube an den Segen Gottes als Nachkomme Abrahams, sein Vertrauen auf das stärkende Wort Gottes und das Gebet lassen ihm Hilfe zuteil werden. In der Abgeschiedenheit der Wüste durfte er so Gottes Gegenwart erfahren.
Wir meinen immer, dass damit der Widersacher von Jesus abgelassen hätte, dass Jesus nun aller Anfeindungen entledigt seiner Berufung nachgehen konnte. Wenn wir weiter lesen, bleibt Jesus aber vor weiteren Versuchungen nicht verschont.
Eine weitere Versuchung war es, als ihn Petrus beiseite nahm und ihn daran hindern wollte seine Leidensgeschichte anzukündigen. Petrus begann, Jesus „zurechtzuweisen, und sagte: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: „Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,22-23).
Auch wir finden uns immer wieder in Situationen, in denen wir klären müssen, was denn nun Gottes Wille ist und was lediglich verführerische Angebote selbst ernannter Götzen sind. Es ist nie ein für alle Mal ausgestanden. Das war es auch für Jesus nicht. Wir müssen uns immer wieder aufs Neue entscheiden. Er hat allerdings in der Wüste die Erfahrung machen können, wie er erneut den Faden der Rückbindung an Gottes Willen aufnehmen kann. Jesus wird bis zu seinem Lebensende immer wieder das Gespräch, das Gebet in der Stille mit Gott suchen. Er hat seine Rückbindung gefunden: Gottes Wort als Antwort für die Abergeister und das Innehalten in der Abgeschiedenheit vor und mit Gott.
Auch Jesus ist da nichts in den Schoß gefallen. Er konnte deshalb widerstehen, weil er wusste, dass der Mensch nur dort wirklich zur Ruhe kommt, wo er Gott findet. Im Garten Getsemani ergriffen „ihn Traurigkeit und Angst und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir! Und er ging ein Stück weiter, warf sich auf sein Gesicht und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26, 37-39). Drei Mal muss er im Garten Getsemani erneut beten, um den Willen Gottes annehmen zu können.
In der sogenannten Versuchungsgeschichte geht es nicht „nur“ um die Versuchungen Jesu. Es geht auch um unsere Versuchungen, den Abergeistern zu widersagen, eingetretene Wege zu verlassen, eingeschliffene Verhaltensmuster aufzugeben. Es geht um die Frage, welche Wege zu einem erfüllten Leben führen und welche Wege Irrwege sind. Das können schreckliche Zerreißproben sein und unsere ganze Kraft fordern. Es gibt eine Verzagtheit, vor der sich der Glaube immer wieder bewähren muss.
Die Fastenzeit kann für uns Anlass sein, über unsere Verhaltensmuster, unsere Abergeister, unser verlorenes Vertrauen und Versuchungen nachzudenken. Wir vermögen dies aber vermutlich nicht aus uns selbst heraus zu klären. Das geht nur mit Gottes Hilfe – mit seinem Segen, seinem Wort und in Zwiesprache mit ihm.