Der Platz an unserem Lebensbrunnen 1. Lesung: Ex 17,3-7| 2. Lesung: Röm 5,1-2.5-8| Evangelium: Joh 4,5-42
„Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, nach dir, Gott. Meine Seele dürstet nach Gott, nach Gott dem lebendigen Gott“ (Ps 42,2-3a), so beginnt Psalm 42. Das Judentum kennt keinen Missionsbefehl, wie ihn der Evangelist Matthäus z.B. am Ende seines Evangeliums formuliert. Jesus sagt da: „Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (vgl. Mt 28,19f).
Das Judentum geht davon aus, dass jedem Menschen der tiefe Durst nach Gott mitgegeben ist. Ich muss niemandem Gott bringen. Aufgabe der Verkündigung ist es, den Menschen zu helfen, in ihrem Leben die Spuren Gottes, die Spuren des lebendigen Gottes zu lesen oder zu entdecken. Wir wissen, was es bei Menschen auslöst, wenn ein Durst nicht gestillt wird: Unruhe, Unzufriedenheit, die sich bist zu gewaltsamer Aggression gegen Nächste auswirken kann. Für glaubende Menschen gibt es praktisch keine „Gott-losen“ Menschen. Niemand wird Gott los. Es ist immer wieder Gott selbst, der den Menschen sucht, bei ihm anklopft, ihn einfach nicht in Ruhe lässt. Nachdem Adam und Eva von der Frucht des Baumes gegessen hatten und sich versteckten, ist es Gott selbst, der ihnen nachgeht, sie sucht und dann fragt: Wo bist du? (Gen 3,9).
Der tiefe Durst nach Gott ist dem Menschen mitgegeben. Es mag für manche überraschend klingen, wenn ich feststelle, dass wir z.B. in einer religiös sehr aufgeladenen Zeit leben. Die Werbung verwendet immer wieder religiöse Symbole. Die ganze esoterische Welle ist ein Suchen nach dem lebendigen Gott. Es heißt noch nicht, dass sie auf dessen Spuren gehen. Eine Kopftuchdebatte ist letztlich eine Frage nach Gott, nach dem Gottesbild: Wie äußert sich sein Wille? Bei einigen äußert es sich in der Debatte um die Rettung des christlichen Abendlandes. Wieder andere wollen jedes religiöse Symbol aus der Öffentlichkeit verbannen, weil sie vielleicht Angst haben, Gott stört das Miteinander oder verhindert ein friedliches Zusammenleben.
Ein Suchen, das den lebendigen Gott nicht findet, läuft „Götzen“ nach. Es sind die Zerrbilder Gottes. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Mensch den sich biblisch offenbarenden Gott verneint oder ablehnt oder sagt: Mit ihm will ich nichts zu tun haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand jenen Gott ablehnt, den er bisher meint, kennen gelernt zu haben oder dass er jenen „Gott“ ablehnt, den sie oder er sich zum Bild gemacht hat. Der biblische Gott, der dich gewollt hat – als sein Abbild, der dich als Original gedacht hat, der dich vermutlich mehr liebt als du dich selbst, dessen tiefe Absicht es ist, dass das Leben Sinn hat und jeder Mensch der Welt zu Segen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand diesen lebendigen, mich zutiefst liebenden Gott ablehnt.
Jesus begegnet der Frau am Jakobsbrunnen. Es geht um Durst und Durststillen. Er begegnet der Frau am Brunnen, der im Gespräch zum Sinnbild dieser Suche nach Gott wird, ein Suchen nach dem lebendigen Wasser.
Die Frau hatte fünf Männer, so heißt es. Damit sind nicht Ehemänner gemeint, sondern die verehrten Gottheiten in Samarien. Die Gottheiten auf dem Berg Garizim wurden als Männer bezeichnet. Es geht im Gespräch zwischen der Frau und Jesus um die Fragen: Wer betet den wahren Gott an? Wer hat im Glauben Recht?
Die Antwort Jesu: Weder hier noch in Jerusalem entscheidet sich diese Frage, es ist nicht ein Ort, sondern entscheidend ist die Haltung wer im Geist und in der Wahrheit anbetet. Es ist die Absage über Gott verfügen zu wollen, im Namen Gottes über andere Menschen sich zu erheben oder besser sein zu wollen. Wer Gott anbetet – im Geist und in Wahrheit – entledigt sich der Rechthaberei. Gebet wird zur Suche nach Gott, zum Stillen eines Durstes in jeder Situation. Es ist Offenheit und hat zu tun mit sich beschenken zu lassen. Anbeten in Geist und Wahrheit zieht keine Gräben oder vertieft nicht Trennendes, sondern führt zur Erfahrung des Verbindenden. Gebet im Geist und in Wahrheit sucht und findet das Verbindende auch unter und zwischen Religionen. Anbeten in Geist und Wahrheit führt nicht zu Bewertung anderer Religionen, ob besser oder schlechter, es gebietet viel mehr Respekt und Achtung.
Noch einen Aspekt des Evangeliums möchte ich hervorheben. Jesus sagt: wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt (Joh 4,14). Jesus erschließt uns eine innere Quelle, die in uns selbst zu fließen beginnt, nicht fremd- oder außengesteuert. Eine Quelle, die in dir selbst liegt, bringt er zum fließen; eine Quelle der Liebe, des Lebens, der Freude und der Kraft.
„Ewiges Leben“ ist ein Qualitäts-, nicht aber ein Quantitätsbegriff. Ein immerwährendes, langweiliges Leben wäre wahrlich eine Katastrophe. Ewiges Leben beinhaltet ein erfülltes, volles, sinnsattes Leben und dies bereits im Heute. Die Samariterin erfährt, dass der Gast, der sich um die Mittagshitze zu ihr gesellt, dieses Leben erschließt. Wir sind eingeladen, mit Jesus ins Gespräch zu kommen, vielleicht uns von ihm zeigen zu lassen, ob unser “Brunnen”, aus dem wir schöpfen, tief ist? Ob er in uns eine Quelle lebendigen Wassers ist? Nicht jede Art von Glauben stillt den wahren Durst.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Exodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem Johannes Evangelium anhören möchten:
3 Kommentare zu “Der Platz an unserem Lebensbrunnen 1. Lesung: Ex 17,3-7| 2. Lesung: Röm 5,1-2.5-8| Evangelium: Joh 4,5-42”
Lieber Erich,
vielen Dank für deine Zeilen. Für mich ist ewiges Leben ebenso ein Qualitätsbegriff. Einer, der uns auch in dieser belastenden Zeit stützt und “den Durst” nimmt. Hier frage ich mich auch, ob nicht das durch Corona entstandene gesellschaftliche Umdenken, in welcher Form auch immer, uns zu einem Brunnen des Nachdenkens führt. Ein Brunnen, der ebenso ohne Schöpfgefäß auskommt. Ein Brunnen, der uns mit jenem Wasser speist, das uns im Glauben, der Hoffung und der Liebe zugesagt ist. Wie oft habe ich aus einem Brunnen der Selbstverständlichkeit getrunken und den vermeintlichenin Lebensdurst mit dem Schöpfgefäß meiner Wahl gestillt?
LG Hans
Lieber Hans, danke für Deine Ergänzung. Ja, das Carona verändert viel und wird noch viel verändern und zum Nachdenken bringen. Zugleich ist für mich erstaunlich, welche Solidarität in unserem Volk wächst, das soll durch Ausreißer nicht übersehen werden. Ein Grund der Solidarität ist auch der Durst nach Leben, der uns verbindet. Erich Baldauf
..diesen mich zutiefst liebend Gott zusammenzubringen mit schwerer Krankheit und mit Sterben..: Da ist immerhin vorstellbar, dass ich Nein sagen..
Wegen gottlos. Zwanzig Jahre meines Lebens hat es bei mir keinen Gedanken gegeben an einen Gott..Heute ist das vielleicht immer noch mehr in meinem Kopf, also intellektuell und theologisch als als in meinem Herzen..
Und: Der Beweis meiner Liebe zu Gott sei die konkrete und lautere Nächstenliebe…auch in der Erfüllung meiner beruflichen und Standespflichten…