Ernte ist mehr Geschenk als Verdienst 1. Lesung: Jes 5,1-7 | 2. Lesung: Phil 4,6-9| Evangelium: Mt 21,33-44
Wir feiern heute Erntedank. Wir danken für die Früchte, die auf Wiesen und in Gärten gewachsen sind. Wir danken für die Arbeit, die Menschen in unterschiedlichsten Berufen leisten, damit die Menschen mit Nahrung versorgt sind. Wir danken, dass uns das Essen und Trinken mundet, dass es das Herz erfreut, Kraft gibt und immer wieder auch für den Menschen notwendige Gemeinschaft entstehen lässt.
Wenn wir heuer Erntedank feiern, so haben sich einige Vorzeichen verändert. Dieses Jahr zeigt uns das kleine Virus Corona COVID-19 auf, dass das Leben weit weniger planbar ist, als von vielen für selbstverständlich angenommen. Feste, Feiern, Reisen, Vorhaben, ja Arbeit und Existenzen sind für viele unsicher geworden. Vielleicht lässt es neu erahnen, dass doch vieles mehr ein Geschenk als Verdientes ist.
Echte Dankbarkeit führt ins Teilen, weckt die gegenseitige Verantwortung füreinander, mindert auch die Angst vor dem Kommenden und führt uns zu Gott, dem wir letztlich das Leben und alles Gewachsene verdanken. Ich darf es ein wenig plakativ formulieren: Abraham und Sarah, die Ureltern der Glaubens, zeigen auf, dass die Dankbarkeit den Glauben nährt und der Glaube in die Dankbarkeit führt.
In unsere Situation möchte ich die biblischen Texte vom Weinberg sprechen lassen: Jesus greift auf das Gleichnis von Jesaia zurück, setzt aber gleichzeitig neue Akzente. Im Ersten Testament haben wir öfters das Bild vom Weinberg. Es ist ein Bild für das Volk Israel, das eine Pflanzung Gottes ist. Jesus spricht nun davon, dass der Besitzer verreist ist.
Es dürfte eine Anspielung auf das Lebensgefühl in der Zeit Jesu sein. Sie erleben die ausbeuterische, römische Besatzung, die mächtige hellenistisch-römische Kultur. Beides ist zur großen Konkurrenz Israels geworden. Es scheint ihnen, als wäre Gott verreist. Es ist eine apokalyptische Zeit, eine Zeit größter Bedrohung. Es geht die Angst um, dass der Glaube verschwindet und ebenso die existentielle Angst, dass sie als Volk untergehen.
Das Gleichnis erzählt, dass der Gutsbesitzer vom Weinberg Früchte erwartet. Gott ist kein Kapitalist, dem es um die Vermehrung des eigenen Besitzes ginge, sondern Früchte, die er wartet, sind: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Frieden. Er hat den Weinberg angelegt, damit die Menschen darin Heil werden.
Er investiert viel. Immer von neuem sendet er Winzer in den Weinberg, die aber geschlagen, ausgeraubt oder gesteinigt wurden. Schließlich entsendet er seinen Sohn und hofft auf Respekt. Doch auch ihn misshandeln sie und bringen ihn um.
Darauf stellt Jesus an die Ältesten und Hohenpriester die Frage: Was wird der Gutsbesitzer mit den Winzern tun? Die Antwort der Männer scheint logisch zu sein, nämlich: Der Gutsbesitzer wird die bösen Menschen vernichten und an andere Winzer verpachten.
Die Antwort Jesu geht allerdings in eine völlig andere Richtung. Nein, er kündet kein Strafgericht an, sondern der „verworfene Stein“ – wohl ein Bild für ihn selbst und sein Schicksal – wird zum neuen Eckstein errichtet. Gott gibt den Weinberg nicht auf. Er investiert weiter in ihn.
In der Auslegungstradition ist dieses Gleichnis verwendet worden, um zu erklären, dass das Reich Gottes vom Judentum auf die Christenheit übergegangen sei. Diese Deutungsgeschichte bewirkte viele unheilvolle Feindseligkeiten zwischen Juden und Christen. Matthäus zeichnet Jesus dagegen als Reformer des jüdischen Glaubens. Es ist für ihn eine innerjüdische Auseinandersetzung. Was im Gleichnis zur Diskussion steht, sind die religiösen Autoritäten, hier die Ältesten und die Hohenpriester, die ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und ersetzt werden.
Matthäus setzt einen weiteren Akzent in seiner Fassung: Die Geschichte des Weinbergs geht weiter, allerdings weitet er sie. Es werden die Ärmsten aller Art integriert, Heiden eingeschlossen.
Ich denke, wir dürfen davon ausgehen, dass Gott auch heute in seinen Weinberg investiert, ihn weitet trotz aller oder gerade in den gegenwärtigen, kirchlichen Entwicklungen (mit dem Priestermangel). Vielleicht ist er gerade daran die bisherige Verwaltung zu ersetzen?
Wir erinnern uns heute an Franz v. Assisi. Am 4. Okt. 1226 ist sein Todestag. Sein Wirken lässt sich ebenso mit diesem Gleichnis in Verbindung bringen. Franz v. Assisi begann seine Reformbewegung in der Blüte der Kreuzfahrerzeit. Der Gewalt- und Herrschaftsmentalität der Kreuzfahrer stellt er den Geist des Evangeliums entgegen:
Die Menschen sind einander Schwester und Bruder. Gewaltlosigkeit bestimmt jedes strategische Vorgehen. Demut, die wie das Wasser immer den untersten Platz sucht, bestimmt die zwischenmenschlichen Beziehungen. Gott ehren und loben als wichtige und grundlegende Formen des Gebetes und des Gottesdienstes. Respekt und tiefe Achtsamkeit den Geschöpfen – den Pflanzen und Tieren – gegenüber ist heute noch beispielgebend für jede ökologische Bewegung.
Franz v. Assisi hat damals auf neue Weise das Reich Gottes verstanden. Er hat auch dem Amt in der Kirche ein neues Verständnis gegeben. Papst Franziskus hat mit der Wahl des Namens diesem Verständnis ein neues Gewicht gegeben.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die an die Gemeinde in Philíppi anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: