Offene Türen 1. Lesung: Weish 6,12-16 | 2. Lesung: 1 These 4,13-18| Evangelium: Mt 25,1-13
Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen habe ich im vergangenen Jahr neu zu verstehen gelernt. Es zählt zu den sogenannten „Kontrastgleichnissen“ (Luise Schottroff). Es wird im Gleichnis ein Szenario geschildert, wie Himmelreich gerade nicht zu verstehen ist. Der Bräutigam ist nicht mit Gott oder Jesus Christus zu vergleichen, ebenso nicht die Hochzeitsgesellschaft mit dem Himmelreich. Der damalige gesellschaftliche Hintergrund führt uns zu einem anderen Verständnis.
In der Zeit Jesu war es üblich, wenn eine Hochzeit gefeiert wurde, dass der Bräutigam in seinem Haus auf die Braut wartete. Die Braut wurde von ca. 12-jährigen Brautjungfern in das Haus begleitet. Es war die Gelegenheit, dass sich junge Frauen für den Hochzeitsmarkt präsentieren konnten. Sie sollten schön sein und was das Gleichnis ebenso zur Sprache bringt, sie sollten ebenso tüchtig sein, d.h. alles im Blick haben. Erfüllten sie diese Kriterien nicht, erlebten sie, dass sie draußen vor der Tür standen und keiner von den Heiratswilligen um ihre Hand anhielt.
Es ist in einer patriarchalen Welt für Frauen eine Herausforderung den Rollen zu entsprechen. Die Bibel lässt kein Thema aus, eben auch dieses nicht. Es mag sich viel verändert haben, aber das Thema mit den Rollenerwartungen den Frauen gegenüber bleibt aktuell. Wie oft gelten Frauen als töricht, wenn sie z.B. das Frausein, Muttersein und die Karriere nicht unter einen Hut bringen; wenn ein Mädchen ungewollt schwanger wird; wenn eine Frau mehrere Kinder hat; wenn es auf Grund der beruflichen Umstände für ein Kind nicht mehr ausgeht … Ich tippe hier verschiedene Themen nur an. Wir wissen um die Kommentare aus der Gesellschaft. Oft sind sie unsensibel und verletzend. Es ist eine mögliche Deutung, dass eben der Bräutigam im Gleichnis Sprachrohr der gesellschaftlichen Stimme ist.
Im Gleichnis klingt auch an, dass die Frauen keine Solidarität erfahren. Sie erhalten von den klugen kein Öl für ihre Lampen. Verweigerte Solidarität passt nicht zur Botschaft Jesu, passt nicht für jene gerechte Welt, wie Gott sie gedacht hat oder wie Himmelreich sein wird. Es sei erwähnt, dass gerade in Gruppen, die praktisch vom selben Schicksal, von gemeinsamen Benachteiligungen betroffen sind, öfters diese mangelnde Solidarität gegeben ist.
Die sogenannten törichten, jungen Frauen sind draußen. Die Tür ist zu. Niemand kümmert sich um sie. Der Bräutigam kennt sie nicht. „Kennen“ im biblischen Sinn bedeutet, mit ihnen eng vertraut sein (vgl. Gen 4,1). Man lässt die Menschen in Not außen vor. Und es kommt hinzu: Es erreicht sie auch nicht mehr die Botschaft – die Frohbotschaft –, dass es anders werden könnte oder wird. Sie sind draußen vor der Tür.
Es ist eine Frage an unsere Verkündigung: Von denen, die außerhalb der Gesellschaft stehen, vernehmen sie die Botschaft, welche Welt Gott für sie denkt, dass Gott dem Drinnen und Draußen ein Ende machen wird.
Für das Verständnis des Gleichnisses ist zudem mit zu bedenken, dass Christen, die sich um eine aufrechte, ehrliche und nicht korrupte Lebensweise bemühten, oft jene waren, die draußen standen, vor die Türen gesetzt und ausgegrenzt wurden; dass Ihnen auf Grund ihrer Lebensweise das Gefühl blieb: Wir sind die Dummen, die Törichten.
Für das Verstehen und die Deutung ist der letzte Satz wichtig: „Seid wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“. Vermutlich liege ich nicht ganz falsch, wenn er in vielen unserer Ohren eher als Drohung ankommt, so etwa im Sinne: Pass auf, sonst bist du auch draußen vor der Tür. Die Adressaten, die der Evangelist vor Augen hatte, sind von einem anderen Lebensgefühl getragen. Sie hofften darauf, dass dieser Tag bald kommen wird. So lautet es im Psalm 98: „Jauchzet dem Herrn, alle Lande, freut euch, jubelt und singt! … Er richtet den Erdkreis Gerechtigkeit, die Völker so, wie es recht ist“ (Ps 98,4.9). Dann werden endlich diese verschlossenen Türen und das Draußen sein ein Ende haben.
Dieser Satz ist also alles andere als eine Drohung. Vielmehr ist die Intention, die Hoffnung und die Zuversicht der Gemeinde zu stärken, dass die bestehenden Verhältnisse abgelöst werden, dass eine Zeit kommen wird, in der das Öl geteilt wird, es die Solidarität gibt, die Türen offen bleiben und das Miteinander nicht mehr vom Drinnen und Draußen bestimmt wird. Wenn die Kirche den Geist dieses Evangeliums atmen will, dann darf sie u. a. die Vorstellung hinter sich lassen, dass die Kirche aus Kirchenfernen und -nahen besteht.
Im Johannesevangelium sagt Jesus: „Ich bin die Tür“ (Joh 10,7). Er ist es, der die Tür öffnet und sie offen halten wird. Er führt auf die Weide hinaus und führt auch zurück in den schützenden Raum. Das ist die Welt, die Christus für den Menschen denkt bzw. das Bild von Gottes gerechter Welt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessalónich:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Offene Türen 1. Lesung: Weish 6,12-16 | 2. Lesung: 1 These 4,13-18| Evangelium: Mt 25,1-13”
Keine/r soll außen vor bleiben müssen! Herzlichen Dank für diese spannende Erklärung des Evangeliums von den klugen und törichten Jungfrauen. Die Welt zur Zeit Jesu, mit ihren Bräuchen, ist mir durch ihre Erklärung verständlicher geworden. So passt das Erzählte auch in unsere Zeit und macht aufmerksam wie unsolidarisch auch wir oft sind. Wir geben auch nicht gerne etwas ab, oder lassen andere nicht an der Gemeinschaft teilhaben. Selbst umsichtig zu handeln und solidarisch zu sein im Alltag, in Freizeit und Beruf und im Blick auf die Gesellschaft wird wohl klug sein, ja ein Auftrag. Wir wissen weder den Tag, noch die Stunde wenn der Herr wiederkommt. Weil der Herr dann die Türe öffnet zur vollen Gemeinschaft mit ihm, das wird für alle ein Freudenfest sein. Und niemand bleibt draußen, der nicht außen vor bleiben will.