Die Würde der Glaubenden 1. Lesung: Dan 12,1-3|2. Lesung: Hebr 10,11-14.18|Evangelium: Mk 13,24-32
Am Ende des Kirchenjahres haben wir jetzt Auszüge aus apokalyptischen Texten gehört. Sie sind Schriften in Zeiten größter Repressalien und Verfolgung, in denen Strukturen des Widerstandes fehlen oder bereits zerstört sind. Apokalyptische Texte sind Texte der Hoffnung und des Widerstandes. Sie wollen den Gläubigen helfen, in schwierigsten, beziehungsweise in chaotischen Zeiten aus- und durchzuhalten. Die Fragen: Was ist noch zu machen, wenn Terror und Gegenterror, Gewalt und Gegengewalt als Problemlöser dienen? Wer hält die Fäden in der Hand, wenn die Welt aus den Fugen und die Probleme nicht mehr händelbar zu sein scheinen? Ich widme mich jetzt vor allem der Lesung.
Das Buch Daniel ist eine späte Schrift der Bibel. Sie dürfte im 2. Jht. v. Chr. entstanden sein. Die Welt ist beherrscht von vier großen Bestien, besonders das vierte Tier war „furchtbar und schrecklich und stark“, von triebhafter Gier besessen. Es ist eine Anspielung auf das römische Reich, das sich in Palästina etablierte. „Es fraß und zermalmte alles, und was übrigblieb, zertrat es mit den Füßen“ (vgl. Dan 7). Und denen tritt „einer wie ein Menschensohn“ entgegen, dem „Herrschaft, Würde und Königtum gegeben“ sind. Die Bestien bedeuten „vier Könige, die sich auf der Erde erheben werden“. Ihnen wird ihre Macht entzogen.
Es klingt hier eine erste Hoffnung an: ihnen wird ihre Macht entzogen. Daniel spricht vom großen Engelsfürsten Michael, der für die Söhne (und Töchter) seines Volkes eintritt. Michael ist jener Bote Gottes, der die Gläubigen stärkt, der die Gebete der Menschen vor Gott bringt, Michael, der stärkende Engel. Mich erinnert es an den Münchner Prälaten Hecht, den ich bei einer Führung durch das KZ Dachau erleben durfte. Er selbst war mehrere Jahre Insasse. Wir standen vor einem großen Bild, das viele Gesichter von Gefangenen, von Frauen und Männern zeigte. Ihr Blick war ernst, ohne jedes Lächeln, gezeichnet von Hunger, Angst und schwerer Arbeit. Dann machte Prälat Hecht für mich eine beeindruckende Feststellung: „Etwas konnten sie uns trotz aller Schikanen nicht nehmen: das freie Denken und den Glauben, dass dieser Schrecken ein Ende nehmen wird. Die Gesichter zeugen von einer Kraft des Widerstandes, zeugen von der Sehnsucht nach Leben. In Zeiten größter Not wächst Glaubenden Kraft zu“: so der Prälat. Vielleicht hat er damit umschrieben, was im Buch Daniel gesagt ist: Michael, ein Engel tritt auf, der den Notleidenden zu Hilfe kommt.
Im Buch Daniel heißt es genauer: „Dein Volk wird in jener Zeit gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist“. Diktaturen, gewalttätige Herrschaftssysteme sind darauf aus, gerade den schwachen, kleinen Menschen den Namen zu nehmen. In den KZ’s hatten die Gefangenen nur noch Nummern, keinen Namen. Einem Menschen den Namen zu nehmen, nur noch mit einer Nummer zu versehen, das ist tiefste Entwürdigung. Daniel hält dagegen fest, auch wenn sie dir den Namen nehmen, du bleibst im Buch Gottes verzeichnet. Du hast bei ihm einen Namen. Die Ermordeten bleiben, weil sie aus dem Staub gerufen und bei ihm – Gott – leben werden.
Und Daniel bringt hier einen neuen Gedanken in die Glaubensgeschichte Israels ein, den Glauben an die Auferstehung. Dieser Glaube, dass der Mensch eine Neuschöpfung wird, entstand in Israel verhältnismäßig spät. Es gab die Vorstellung, dass ein Verstorbener in die „Scheol“ – Unterwelt – eingeht.
Der Gedanke der Auferstehung ist mehr als eine billige Verströstung, wie es manchmal den Vorwurf gab im Sinne, später wird es dann schon gut werden. Der Gedanke der Auferstehung ist verbunden mit der Zusage, deine Würde, dein Wesen bleibt. Niemand kann dich für immer zerstören. Selbst wenn sie dich in den Staub treten wollten, deine letzte Würde, dein Leben bleibt. Dafür ist Gott selbst Garant.
Es ist noch ein weiterer Gedanke, den Daniel in der Lesung entfaltet: „Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten“.
Wenn alles aus den Fugen gerät und der einzelne Mensch nicht mehr zählt, beginnt man unwillkürlich über kurz oder lang zu fragen: Macht mein Kampf gegen Unrecht Sinn? Was bringt es, wenn ich den Mund aufmache? Was bringt es, wenn ich den Job, den guten Ruf, ja letztlich vielleicht das Leben riskiere? Es gibt Situationen, da scheint jeder Gedanke, jedes Wort, ja jedes Tun völlig ins Leere zu gehen. Alles wirkt aussichtslos. Warum dann überhaupt noch etwas tun?
Gegen ein solches Denken wehrt sich Daniel. Vordergründig kommen wir gegen Große, gegen Mächtige nicht an, aber das Engagement bleibt nicht ohne Wirkung. Das ohnmächtige Tun der Ohnmächtigen strahlt, wie der Himmel strahlt, und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten. Vielleicht erscheint das Tun der Gerechten, der Glaubenden, der Liebenden, der Engagierten für Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit … zunächst erfolglos zu sein, aber sie zünden Lichter der Hoffnung an, sie schaffen eine neue Atmosphäre. Das Dunkel verliert mehr und mehr ihre zerstörerische Kraft.
Nochmals: die Bibel malt uns keine rosarote, schöne, feine Welt. Schon gar nicht sollen Glaubende sich darauf verlassen. Eher könnt ihr damit rechnen, dass die Gewalt und das Dunkle zunehmen können und ihr zwischen die Mühlsteine der Gewalt kommt. Die Bibel gibt uns allerdings Rüstzeug mit, um in solchen Zeiten aus- und durchzuhalten: Glaubende können mit der Kraft Gottes rechnen. Wir haben eine Würde, die uns niemand nehmen kann. Das Aus- und Durchhalten lohnt sich. Die Wirkung gerechter Taten erhellt das Dunkel und bringt es zum Schwinden.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Daniel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
3 Kommentare zu “Die Würde der Glaubenden 1. Lesung: Dan 12,1-3|2. Lesung: Hebr 10,11-14.18|Evangelium: Mk 13,24-32”
Eine interessante Auslegung der Lesung aus dem Buch Daniel.
Heute ist auch Caritas Sonntag. War heute bei der Hl. Messe in Frastanz. Dort hat der Priester erwähnt, dass Papst Franziskus den heutigen Sonntag zum Sonntag der Amen berufen hat.
So wurden auch entsprechende Lesungen und Evangelium vorgetragen. Wird das nicht in allen Pfarreien so gehalten??
Leider erhalte ich ihr Bibellabor nur übe Umwegen.
Bestärkende Worte zum “Weitermachen” in einer chaotischen Welt ! Danke!
Nur eines, einfach zum Nachdenken:
“und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.” –
Warum nur Männer ?….Gerade in der Auslegung sollten an dieser Stelle besonders auch Frauen genannt werden. Was wäre ohne ihr Tun? Was wäre ohne sie?
Danke, Luitgard, für Deinen Kommentar!
Besonders Deine letzte Zeile kann ich nur unterstreichen. Diese “Männerkirche” vertreibt mit ihrer patriarchalen Sprache und Gottesvorstellung immer mehr Frauen aus den Gotteshäusern. Auch meine erwachsenen Enkelinnen können mit diesen frauenfeindlichen Kirchenstrukturen nichts mehr anfangen.
Schon im Kirchenfrauenkabarett haben wir Anfang der 90-er Jahre gesungen: “Warts nur ab, Männerkirche, warts nur ab, wenn die Frauen aus dir fliehen und in andre Räume ziehen, warts nur ab…..