Unser eigener Beitrag zählt 1. Lesung: Bar 5,1-9|2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11|Evangelium: Lk 3,1-6
Nachdem Lukas in seinem Evangelium die Geburt von Johannes des Täufers und Jesus geschildert hat und bevor er das Leben dieser erwachsenen Männer zu erzählen beginnt, ist es ihm wichtig zu beschreiben, wie die geschichtlichen Rahmenbedingungen waren.
Jeder Mensch wird in eine ganz bestimmte Epoche geboren und wird von dieser Zeit, ihren Umständen und Rahmenbedingungen geprägt. Sie beeinflussen das Denken und Handeln. Einige von uns erinnern sich noch an die Erzählungen der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen. Die Ereignisse des Krieges und des anschließenden Wiederaufbaues des Landes haben Spuren hinterlassen. Derzeit werden wir gerade geprägt von Monaten der Corona-Pandemie. Auch die aktuellen politischen Geschehnisse lassen uns nicht kalt und werden unsere Ansichten und unser Verhalten prägen.
Dem Evangelisten Lukas ist es offensichtlich sehr wichtig darzustellen, dass Johannes und Jesus keine geschichtslosen Wesen waren, sondern auch sie zu einer ganz bestimmten Zeit gelebt haben, mit ganz bestimmten Herausforderungen.
Welche Namen nennt uns Lukas zur Orientierung und was hat es mit ihnen auf sich? Auf sie möchte ich etwas näher eingehen.
Genannt wird Kaiser Tibérius. Er regierte in jener Zeit als Jesus wirkte und starb. Kaiser Tibérius ließ sich ganz offen als Gott verehren. Er war menschenscheu und damit gewann sein Mitarbeiter Seianus immer mehr Einfluss. Ihm, der ein Feind der Juden war, verdankte Pontius Pilatus seine Ernennung zum Präfekten von Judäa. Auch er wird namentlich im heutigen Text erwähnt. Warum kam es aber dazu, dass Judäa einen römischen Statthalter bekam?
Die Herrschaftsverhältnisse zur Zeit Jesus waren im Heiligen Land verwirrend. Es war dreigeteilt. Nach dem Tod Herodes des Großen im Jahr 4 v. Chr. wurde sein Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt. Zwei Söhne werden im heutigen Evangelium genannt, nämlich Herodes und Philippus. Ihr Bruder Archelaos war ursprünglich Tetrárch von Judäa. Er war ein Tunichtgut und musste des Amtes enthoben werden. Das Gebiet des Archelaos gelangte nach dessen Verbannung unter römische Verwaltung. So wurde Pontius Pilatus römischer Statthalter.
Nicht nur die politischen Verhältnisse waren verworren, auch die religiösen Machtverhältnisse waren undruchsichtig. Lukas formuliert dies so: „Hohepriester waren Hannas und Kájaphas“. Er beschreibt etwas, das eigentlich nicht möglich war, denn es konnte immer nur einen Hohepriester geben. Hannas wurde von den römischen Machthabern abgesetzt, die Juden sahen ihn aber weiterhin als rechtmäßigen Hohepriester an. Er hatte sich auch für die folgenden Jahre einen großen Einfluss bewahren können. Faktisch war damals Kájaphas im Amt.
In dieser aufgelandenen und diffusen Zeit zog sich Johannes in die Wüste zurück und rief fernab der Machtzirkel, Hauptstäde und dem religiösen Zentrum zur Umkehr auf. Johannes hatte die Ungerechtigkeiten und das Leid statt. Die Umstände waren verworren, die Verantwortungsträger intrigant und machtversessen. Er sah, dass es so nicht weitergehen konnte. Er leistete seinen Beitrag zur Umkehr. Wenn jeder Einzelne sein Handeln überdächte und wenn alle Menschen guten Willens zusammenarbeiten würden, könnte Veränderung gelingen.
Mich erinnert dies an die Berichte rund um UN-Klimakonferenz in Glasgow vor wenigen Wochen. Dort wurde 14 Tage über den Kampf gegen den Klimawandel beraten. Es gab Kundgebungen zahlreicher junger Menschen, die der Überzeugung sind, dass die PolitikerInnen und damit auch wir alle ihre Zukunft verspielen. Wir seien unehrlich, denn auf Worte würden keine Taten folgen. In Diskussion waren auch die zahlreichen Privatjets, mit denen die PolitikerInnen jeweils einzeln angereist waren – teilweise auch auf Kurzstrecken. Kaum jemand war per Bahn angereist.
Auch kirchlicherseits wird das Klimathema mit schönen Worten propagiert. Allerdings habe ich auch hier den Eindruck, dass wir den Worten keine Taten folgen lassen. Wie ernst nehmen wir es beim Umstieg auf fossile Brennstoffe bei Gebäuden in Kirchenbesitz? Aus optischen Gründen werden Fotovoltaikanlagen auf Kirchengebäuden abgelehnt. Werden kirchlich Angestellte angehalten, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen? Fahren unsere Bischöfe in Fahrgemeinschaften zu Bischofskonferenzen oder zu Terminen in Rom mit dem Zug? So ein Konklave einer mehrstündigen gemeinsamen Fahrt könnte vielleicht ganz spannende Ergebnisse bringen.
Wir leben in einer Zeit, in der Politik und Kirche stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben. In einigen Bereichen scheint es um Moral und Ethik schlecht bestellt zu sein.
Wir hören wie im Buch der Reden des Propheten Jesája von einem Rufer in der Wüste die Rede ist. Auch aktuell hören wir zum einen die Stimme jener, die Opfer unserer Klimapolitik geworden sind und deshalb in Armut, unter Lebensmittel- und Wassermangel leiden, durch Abholzungen und Vernichtung von landwirtschaftlichen Flächen ihre Lebensgrundlage verlieren, Klima- und Wirtschaftsflüchtlinge vor Land ins Meer zurückgestoßen werden. Zum anderen Hören wir die Stimme jener, die wie Johannes in der Wüste zur Umkehr aufrufen.
Erst wenn wir bereit sind unsere verworrenen Pfade der Finanz-, Aktien- und Wirtschaftswelt wieder zu geraden Straßen für lebensnotwendige Arbeitsplätze mit fairem Lohn umzubauen, erst wenn wir bereit sind die Täler der Armut durch Solidarleistungen aufzufüllen, erst wenn wir bereit sind Berge und Hügel von Ungerechtigkeit und Gewalt abzutragen, werden alle Menschen das Heil Gottes schauen können. Wenn jeder Einzelne sein Handeln überdächte und wenn alle Menschen guten Willens zusammenarbeiten würden, könnte Veränderung gelingen – damals wie heute.
Nur mit unserer Bereitschaft und Unterstützung kann Gott das sehnsüchtige Flehen seiner Schöpfung und seiner Geschöpfe nach Erbarmen und Gerechtigkeit erfüllen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Baruch anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philipp anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
2 Kommentare zu “Unser eigener Beitrag zählt 1. Lesung: Bar 5,1-9|2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11|Evangelium: Lk 3,1-6”
Vielen Dank für die “geschichtliche Aufklärung” und die tollen Gedanken!
Tolle Predigt, Katharina.
Du triffst mit deinen Gedanken den Nagel auf den Kopf!