Damit ein Fest gelingen kann 1. Lesung: Jes 62,1-5|2. Lesung: 1 Kor 12,4-11|Evangelium: Joh 2,1-11
Paulus schildert uns in der heutigen Lesung buntes kirchliches Leben, ohne dass dabei eine Machtzentrale oder besondere hierarchische Funktionen nötig wären. Er schildert eine Fülle von unterschiedlichen Gaben, Diensten und Kräften, die von Gott geschenkt sind. Paulus nennt aber auch quasi den Lackmustest, mit dem die Rechtschaffenheit des Handelns zu prüfen ist bzw. ob die Gaben im rechten Sinn angewandt und eingesetzt werden. Es muss der rechte Geist vorhanden sein und dies meint, die geschenkte Gabe, Dienst und Kraft so einzusetzen, „damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,4-11). Die geschenkten Fähigkeiten dienen also nicht meinem Ego, sie sind nicht die Chance mich groß zu machen, mich in Szene zu setzen, sondern um anderen hilfreich zu sein.
Wie halten wir es derzeit mit dem Einsatz unserer eigenen Ressourcen und Fähigkeiten? Wenn ich mir unsere gesellschaftliche Situation mitten in der Pandemie ansehe oder die derzeitigen politischen Vorkommnisse, tun sich mir Fragen auf. Einerseits haben wir viele Berufsgruppen, die sich derzeit unter enormem Einsatz ihrer Kräfte bis hin zur Überlastung für das Gemeinwohl einsetzen. Ich denke dabei an Pflegekräfte und Ärzte in Spitälern und Pflegeheimen; LehrerInnen, die sich darum bemühen, dass kein Kind zurück bleiben muss usw. Andererseits gibt es aber auch in weiten Teilen ein Hadern damit, sich zurückzunehmen, Kontakte und Feierlust einzuschränken, Masken zu tragen. Wir haben alle Mühe, unseren Egoismus hintanzustellen und das Gemeinwohl im Blick zu haben. Ähnlich verhält es sich in der Klimafrage. Wir wissen, dass es so nicht mehr weitergehen kann und dennoch, schaffen wir es kaum unser Handeln zu hinterfragen und uns einzuschränken.
Der Text der heutigen Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth hört sich so flockig leicht an, klingt so beeindruckend und auch sehr schmeichelnd, über welche Fülle an Talenten Menschen verfügen können. Wie so oft liegt der Hund im Detail und in wenigen Worten. So unterschiedlich die Gaben sind und keiner über alle verfügen kann: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie ANDEREN nützt“. Derzeit erleben wir, was es bedeutet, das eigene Handeln zu hinterfragen, ob es lediglich Egoismus geleitet ist oder dem Gemeinwohl dient. Es ist eine Anfrage an unsere christliche Spiritualität. Karl Rahner schrieb einmal „der Fromme von morgen wird ein ‚Mystiker‘ sein, einer der etwas ‚erfahren‘ hat, oder er wird nicht mehr sein“. Für uns klingt Mystik nach Individualität, der direkten Verbindung mit Gott, die persönliche Gotteserfahrung. Papst Franziskus – ebenso Jesuit wie Karl Rahner – erläutert in Evangelii Gaudium, was für ihn Mystik bedeutet: die Herausforderung liege darin „zusammen zu leben, uns unter die anderen zu mischen, einander zu begegnen, uns in den Armen zu halten, uns anzulehnen, teilzuhaben an dieser etwas chaotischen Menge, die sich in eine wahre Erfahrung von Geschwisterlichkeit verwandeln kann, in eine solidarische Karawane, in eine heilige Wallfahrt“ (EG 87). Mystik ist eben nicht aufs Persönliche reduziert, sondern sie ist im christlichen Sinn der Boden, auf dem die Verantwortung für das Gemeinwohl wurzelt.
Die Kirchenstruktur, die uns geprägt hat, ist opulent – in ihrer Struktur und in vielen Feierformen. Wir nehmen sie immer mehr als Machtapparat wahr, wo mehrheitlich ältere Männer über das Ach und Weh entscheiden. Immer mehr beschleicht uns der Eindruck, dass das Personal und auch die Organisation nicht mehr von dieser Welt zu sein scheint. Abgewandt von der Lebenswirklichkeit und den Nöten der Menschen, eingebunkert in oft menschleere Büro- oder Kirchenräume.
Das 2. Vatikanische Konzil wollte aufrütteln und forderte alle Verantwortlichen auf, ihre Aufgabe in der Welt von heute zu sehen, mit allen mitzuarbeiten an der Gestaltung einer größeren, freieren, menschenwürdigeren Welt, Verantwortung und Mut zu haben. Karl Rahner meinte dazu: „nicht bloß auf die moralischen Weisungen der amtlichen Kirche zu warten, nicht nur zu fragen, wie man etwas tun könne, damit das Leben lebenswerter werde“, sondern selbst zu handeln. Der Text von Karl Rahner stammt aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts und liest sich brandaktuell. Er erkannte schon damals, dass die großen Moral- und Machtinstanzen ins Trudeln geraten werden. Dass diese als Orientierungsmaßstäbe für die wesentlichen Parameter des Lebens an Glaubwürdigkeit verlieren werden. Er schrieb: „Das Maß kommt nicht mehr von außen. Der Mensch muss es sich selbst freisetzen. Und das ist eine neue Weise der christlichen Askese … Konsumaszese (aber auf allen Gebieten) ist schwer“. Zukünftig wird es auf unser selbstgesetztes Maß ankommen, auf „die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden“, das ist eine der von Paulus genannten Gaben – und auf unsere persönliche, christliche spirituelle Haltung. Wir stehen am Rand einer Epoche. Vieles gerät ins Wanken. Karl Rahner meint: „dass in dieser Situation die Frömmigkeit bescheiden und karg sein muss und dies auch sein darf“ – im weltlichen wie im kirchlichen Bereich.
Das heutige Evangelium verdeutlicht uns auf diese Weise ein selbstbewusstes Agieren von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Gaben, Kräften und Diensten in der kargen und bescheidenen Welt der Menschen von damals.
Jesus mischte sich unter die Menschen. Maria erkannte, dass in ihrem Sohn mehr steckt, traut ihm etwas zu und erkennt die Not der Stunde. Sie fordert Jesus sehr deutlich auf, Hand anzulegen und tätig zu werden. Auch das Tun von Jesus erfolgt im Zusammenwirken mit anderen. Er nimmt die Unterstützung der Diener in Anspruch und lässt sich helfen, lässt sie ihre Fähigkeiten und ihr Können einbringen. Sie reichen – wie es ihre Aufgabe vorsieht – den „Probeschluck“ dem Veranstaltungsmanager. Auch er behält seinen Job. Jesus drängt sich nicht in den Vordergrund. Ausrichter und Verantwortlicher des Festes bleibt der Bräutigam. Jesus hat „lediglich“ eine Teilaufgabe wahrgenommen. Dort wo es hakte, hat er eingegriffen und gedient. Jesus hat sich nicht in Szene gesetzt, es bleibt offen, ob das Geheimnis des „Weinwunders“ bei diesem Fest bereits gelüftet wurde.
Das Gelingen von Gemeinwohl hängt davon ab, dass viele Zahnräder ineinandergreifen und es geht nicht darum, dass einer allein den Erfolg einfährt. Ein Fest kann nur dann gelingen, wenn alle ihre Gaben, Dienste und Kräfte zur Verfügung stellen und einbringen. Jesus wollte, dass die Hochzeit ein Fest bleiben kann. Unser Leben kann zum Fest werden, wenn wir uns unter die Menschen mischen, die Nöte sehen, unseren Beitrag leisten und uns selbst zurücknehmen lernen. Auch Jesus selbst hat sich nicht mehr als „ein Zahnrad“ zu einem geglückten Fest verstanden.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Damit ein Fest gelingen kann 1. Lesung: Jes 62,1-5|2. Lesung: 1 Kor 12,4-11|Evangelium: Joh 2,1-11”
Liebe Frau Weiss,
Ihr Beitrag atmet dieses Mal besonders den Geist der “Ermöglicherin” – und nimmt damit Maß am Wandler Jesus, wie er uns in der Johannes-Perikope vorgestellt wird.
Mit Recht verweisen Sie auf Karl Rahner, der uns vorausgedacht hat, wo es heute langgehen sollte: Raum und Gelegenheit zu schaffen für spirituelle Erfahrungen, Ermutigung der Einzelnen und der Gruppen – überall.
Für mich ist es ermutigend, in Ihren Gedanken einer beredten “Mitgläubigen” zu begegnen. Es ist wohltuend, hier einer “Vergegenwärtigung der Wurzelgemeinschaft” zu begegnen, wie Martin Buber das in seinem Aufatz ‘Bildung und Weltanschauung’ genannt hat.
Dafür bin ich besonders dankbar in einer Welt, die zu häufig Vereinzelung produziert, auch wenn sie sich nach dem Gegenteil sehnt.
Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine fröhliche Woche.
Paul-Reiner Krieger
PS
Liebe Grüße an Erich!!!
Seine und Ihre Beiträge sind zum festen Teil meines Sonntags geworden.
Herzlichen Dank dafür.