Gott erahnen 1. Lesung: Lev 19,1-2.17-18 | 2. Lesung: 1 Kor 3,16-23| Evangelium: Mt 5,38-48
Auf den Faschingssonntag trifft es heuer wieder einmal das Evangelium mit der Feindesliebe. Jesus sagt: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet. Die Liebe des Feindes und der Humor haben allerdings doch einiges gemeinsam: das sich selbst Zurücknehmen, das selbstkritisch Sein, das über sich selbst Lachen können.
Die Zumutung der Feindesliebe ist in die Bergpredigt eingebettet. Ihren Ursprung und ihre Stellung im Rahmen der Rede Jesu versuche ich zu beleuchten.
In der Mitte der Tora geht es um das Fest des Yom Kippur, um das große Versöhnungsfest, das alljährlich begangen wird. Die Mitte dieses Festes und damit in der Mitte der Tora steht: An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr (Lev 19,18).
Mit der Feindesliebe baut Jesus das Herzstück der Tora in seine Rede ein. Sie ist nicht seine Erfindung, sondern er hebt den ursprünglichen Sinn der Nächstenliebe hervor. Man ist sehr leicht versucht, die Liebe zum Nächsten auf jene zu beschränken, von denen man geliebt ist, die einem gut gesinnt sind oder mit denen man eben gut kann. Für die Liebe zum Feind wird im Griechischen das Wort „Agape“ verwendet. Es geht nicht um große Gefühle für einen sogenannten Feind oder Feindin, sondern um diese „hingebende Liebe“, die selbst dem Feind das Gute will oder wünscht, die feindlichen Menschen zum Segen ist. Sie ist nicht darauf aus, jemanden klein zu machen oder zu zerstören, sondern es gilt ihm oder ihr die Sonne und den Regen zu gönnen.
Auf einen weiteren Zusammenhang sei hingewiesen, der sich aus der inneren Logik der Bergpredigt ergibt. Ich erwähne ihn deshalb, weil die sonntägliche Leseordnung die Fortführung der Bergpredigt nicht vorsieht. Es folgt ja die Fastenzeit. Da hören wir am ersten Sonntag von den Versuchungen Jesu.
Zurück zur inneren Logik der Bergpredigt: Sie beginnt mit den Seligpreisungen. Es folgen die (Anti-)Thesen Jesu, in denen es Jesus um das rechte Verständnis der Tora, der fünf Bücher des Moses geht. Diese Thesen finden ihren Höhepunkt in der Zumutung der Feindesliebe. Es folgt dann das uns vertraute Vaterunser. Das Gebet bildet die Mitte der Bergpredigt.
Menschen, die den Geist der Seligpreisungen atmen, im Geist der Seligpreisungen leben, Menschen, die die Tora in rechter Weise leben bis hin zur Feindesliebe, diese Menschen führt es zu Gott, diese Menschen berühren Gott. Ihnen muss niemand Gott erklären. Sie ahnen IHN.
Ich denke, es gilt diesen engen Zusammenhang zu sehen, den Jesus hier in der Bergpredigt zum Ausdruck bringt: diese Nähe zwischen der Feindesliebe und dem Gebet des Vaterunsers. Menschen, die die Feindesliebe leben, kommen oder sind Gott nahe. Vielleicht können wir sogar sagen: Durch gelebte Feindesliebe kommt ein Mensch in Berührung mit Gott? Und vermutlich kann ein Mensch ohne diese Verwurzelung im Gebet, im Vaterunser die Feindesliebe nicht leben.
Die Feindesliebe braucht Seelenstärke. Sie kann in ihrer Herausforderung manchmal einer besonderen Quelle bedürfen, wenn man sich z.B. ungerecht behandelt fühlt, in Katastrophen, jetzt im Krieg jenen gegenüber, die für unsagbares, menschliches Leid verantwortlich sind u.a. Jesus wirbt in Bildern ums Verstehen: Gott lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Gottes Zuwendung gilt allen. Es wird immer eine Herausforderung bleiben, im Kampf um die Würde von Menschen, um Recht und Gerechtigkeit nicht dem Rache- und Vergeltungsdenken zu verfallen.
Das Vaterunser steht in enger Beziehung zur Zumutung der Feindesliebe. Es stützt die Feindesliebe. Die Anrede „Vater“ besagt: Gott ist uns nahe wie ein Vater, wie eine Mutter. Zugleich wird mit dem „Unser“ die Unverfügbarkeit unseres Gottes angesprochen. Es ist nicht mein Vater, meine Mutter. Mit dem „Unser“ sind alle Menschen in die Beziehung einbezogen. Er ist der Vater und die Mutter aller Menschen, die Mutter und der Vater der Familie, der Freundinnen und Freunde, der Ungerechten, Bösen und Feinde. Dann folgt: „Dein Name werde geheiligt“, „dein Wille geschehe“, „dein Reich komme“. Mit dem „Dein“ ist viel Loslassen verbunden. Feindesliebe kann nur von Menschen gelebt werden, die loslassen können, die die Kraft haben loszulassen.
Vielleicht ist aufgefallen, dass ich bei der Feindesliebe nicht von Gebot, sondern von einer Zumutung gesprochen habe. Sie ist eine Zumutung. Man kann sie nicht als Gebot verordnen. Sie ist auf eine tiefere Quelle als die, der Verordnung oder eines Gebotes angewiesen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Levítikus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeine in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Gott erahnen 1. Lesung: Lev 19,1-2.17-18 | 2. Lesung: 1 Kor 3,16-23| Evangelium: Mt 5,38-48”
Aus einem Faschingsgedicht „Liebet eure Feinde“ von Magnus Lux heißt es abschließend:
………..,
Denn wenn wir nur lieben, die lieben auch uns –
Das kann doch jeder, Hinz und Kunz.
Wenn wir nur grüßen „die Brüder“ auf Erden,
Wie soll’n wir dann Kinder Gottes werden?
Alle sind uns Brüder und Schwestern.
Wer das nicht glaubt, der ist von gestern.
Geschwister hat man, man sucht sie nicht aus.
Wir nehmen sie alle – manchmal mit Graus.
Im Frohsein wollen wir nicht erlahmen.
Darum lebet, liebet, betet ein herzhaftes AMEN!