Gebet als Raum Gottes 1. Lesung: Ex 17,8-13| 2. Lesung: 2 Tim 3,14-4,2 | Evangelium: Lk 18,1-8
Dieses Evangelium steht in einem größeren Zusammenhang. Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Er begegnet vielen Menschen in Armut und Not. Die Gewalt der Besatzer und diverse Krankheiten bringen die Menschen an die Grenzen der Belastbarkeit. Viele sind einfach müde. Die Gefahr von Aufständen, die die Spirale der Gewalt und der Nöte weiter befeuern würden, liegt in der Luft. Die verschiedenen jüdischen Bewegungen – Gesetzeslehrer, Pharisäer, Zeloten, Sadduzäer, Essener u.a. – haben unterschiedliche Vorstellungen, wie man politisch auf diese Situation reagieren sollte oder muss. Es ist nur zu verständlich, dass Jesus größte Mühe hat, mit seiner Botschaft verstanden zu werden. Zudem wird ihm bewusst, dass er einer wachsenden Gegnerschaft gegenübersteht und ihm ein Leidensweg bevorsteht. Unmittelbar auf unseren Text wiederholt er eine solche Leidensankündigung.
Zurück zur Situation: Jesus hatte sein Wirken begonnen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich die Gefangenen die Entlassung verkünde … und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18ff). Immer mehr Menschen fragen: Wo geschieht das? Wie können wir das verstehen? Die Spannungen sind seit seinem Auftreten nicht geringer geworden. Die Not ist geblieben. Es gibt viele, die seine Botschaft zutiefst in Frage stellen und in ihm die Gefahr eines Volksverführers sehen.
Auf diese Fragen und Widerstände reagiert Jesus mit verschiedenen Hinweisen. Auf zwei möchte ich in besonderer Weise eingehen: Der erste betrifft die Vorstellungen von Reich Gottes. Er hält fest, dass das Reich Gottes nicht so kommt, dass man es beobachten könnte. „Man kann nicht sagen: Seht, hier ist es! Oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lk 17,20f). Mit anderen Worten: Verwechselt Gottes Reich und Gottes Wirken nicht mit einem Schlaraffenland ohne Probleme, Herausforderungen und Unwägbarkeiten. Im Gegenteil, ihr dürft mit Gottes Wirken gerade in den schwierigen Umständen rechnen. Von ihm kommt Kraft, Mut und Hoffnung. Gelebte Solidarität und Sorge füreinander macht Ungeahntes möglich: Reich Gottes.
Wir erleben gegenwärtig eine herausfordernde Zeit mit verschiedenen Krisen: Klima, erneute Aufrüstung, zunehmender Hunger, vielleicht auch Wohlstandsverlust u.a.m. Auch in diese Zeit ist das Wort gesprochen: Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Die Krisen tragen in verschiedenen Bereichen und Themen zu einem Umdenken bei. Sie lassen ganz neu nach dem Lebensstil, Nachhaltigkeit und Schöpfungsverantwortung fragen. Menschen beginnen auch neu über Wege zum Frieden und zu mehr Gerechtigkeit nachzudenken. Es gibt Gewalt, aber es wachsen neue Solidaritäten gegen Gewalt.
Jesus selbst hat sich damals diesem wachsenden Reich Gottes verschrieben. Er hat es im Wissen getan, dass es für ihn nicht ohne Leiden gehen wird.
Und auf einen weiteren Aspekt weist Jesus mit dem Evangelium hin. Es betrifft das Vertrauen ins Gebet. Da sind wir zurück beim Evangelium mit dem rücksichtslosen Richter. Wenn sich ein solcher Mensch auf das drängende Bitten einer rechtlosen Witwe einlässt, wie viel mehr wird es dann Gott tun, der unmittelbarer Anwalt von Recht und Gerechtigkeit ist?
Jesus beendet das Gleichnis mit der Feststellung: „Wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ Eine Zeit mit großen und mehreren Krisen lässt die Menschen fragen: Wo ist Gott? Hilft das Gebet? Hat Gebet eine Wirkung?
Karl Rahner SJ hat einmal gesagt: „Ich glaube, weil ich bete.“ Nein: Nicht weil er glaubt, betet er, sondern weil er betet, kann er glauben. Das Gebet nährte und trug seinen Glauben. Das Gebet hat für ihn den Raum des Glaubens geschaffen. Vielleicht sei dazwischen erwähnt, dass das Gebet verschiedene Dimensionen hat. Das Gebet dient der Sammlung eines Menschen, der immer wieder neuen Rückkehr in die eigene Mitte, in das Innerste, wo wir Gott vermuten dürfen. Das Gebet führt uns aber auch von uns weg, über unsere Grenzen und Begrenzungen hinaus. Es öffnet uns für jene Quellen des Lebens, die nicht in uns selbst liegen.
Es sind Beispiele, wie Dietrich Bonhoeffer oder Provikar Carl Lampert, die bezeugen, dass das Gebet eine besondere Kraft entwickelt, wenn die Ohnmacht gegenüber Gewalt, Unrecht und menschlicher Verachtung groß wird. Sie blieben vom Glauben getragen, dass Gott ihr und unser Anwalt von Recht und Gerechtigkeit ist.
Gott ist Anwalt von Recht und Gerechtigkeit. Im Gebet betreten wir diesen „Raum Gottes“, der vor allem dann zur Kraft- und Lebensquelle wird, wenn die Umstände aussichtlos und unüberwindbar scheinen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus
an Timótheus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: