Ein Volk in der Krise 1. Lesung: Ex 17,3-7| 2. Lesung: Röm 5,1-2.5-8| Evangelium: Joh 4,5-42
Man könnte den Abschnitt aus dem Buch Exodus mit dem Titel überschreiben: Ein Volk in der Krise. In der offiziellen Leseordnung waren die ersten beiden Verse (Ex 17,1-2) nicht vorgesehen. Für das Verständnis scheinen sie mir allerdings von Bedeutung zu sein.
Unmittelbar unserem Abschnitt voraus wird berichtet, dass das Volk hungert. Gott versorgt es mit Manna und Wachteln. So können sie Tag für Tag weitergehen. Sie kommen nun nach Refidim und haben Durst. Refidim heißt „Stromschnellen“. Es ist also genügend Wasser vorhanden, aber Israel bekommt nichts ab von diesem Überfluss. Sie dürsten. Wir wissen aus unserer Zeit: Es ist genug Geld in unserer Mitte und trotzdem gibt es Armut. Es ist genügend Zeit vorhanden, und trotzdem bleiben Menschen allein u.a.
Das Volk Israel, so heißt es, murrte. Sie stampften auf den Boden, wäre die bessere Übersetzung. Das Protestieren ist gut biblisch. Vielleicht haben wir in der Kirche viel an Lebendigkeit und Aktualität eingebüßt, weil wir die Tradition des Protestierens zu wenig kultiviert haben und zu sehr auf einen lähmenden Gehorsam fixiert sind. Wobei der Gehorsam eine wichtige Haltung unseres Glaubens ist. Er hat mit „Hören“ zu tun: das Hören auf Gott – Gottes Wort –, das Hören auf das Lehramt, das Hören auf die Menschen und ihre Nöte und schließlich das Hören auf das eigene Herz: In diesem umfassenden Hören können gute und tragfähige Entscheidungen wachsen. Gehorsam sollte aber nicht der Unterwerfung oder der Umgehung von Verantwortung in Konfliktsituationen dienen.
Der Prostest des Volkes stand am Anfang der Lösung. Es ist interessant, welche Stimmen da hochkommen. Es gibt den Wunsch nach dem Zurück an die Fleischtöpfe in Ägypten. Es wird dabei völlig übersehen, dass es in Ägypten für das Volk keine Zukunft gab. Jede männliche Geburt wurde getötet. Der Wunsch zurück an die Fleischtöpfe und die Verweigerung, der Wahrheit ins Auge zu sehen, begleitet alle Krisen, seien sie persönlich, gesellschaftlich oder kirchlich. Das Volk hörte auf, Schritt für Schritt, Tag für Tag den Weg weiterzugehen.
Es ist ein massiver Protest, denn Mose fürchtet um sein Leben. Er ist verzweifelt. Was soll ich mit diesem Volk anfangen?, ruft er Gott entgegen. Dieser sagt ihm: Nimm den Stab in die Hand. Mit anderen Worten: Jetzt ist deine Führung gefragt. Nimm jenen Stab, mit dem du auf den Nil geschlagen hast. Er hat ja schon Erfahrung, wie Leitung geht und was es braucht.
Weiter sagt Gott zu Mose: Nimm Älteste mit. Er muss es nicht allein machen, absolut und autoritär. Die Ältesten sind Menschen mit Erfahrung und Autorität, die ihn beraten und die Verantwortung mittragen können. Es sind keine Schreier oder selbsternannte Erlöser und Propheten. Dies dürfen wir alles mithören.
Er soll an den Berg Horeb gehen. Horeb heißt zu Deutsch: „Öde“, „Wüste“. Der Berg Horeb ist Bild für eine Situation, in der die Probleme und Herausforderungen einem Berg gleichen, der zunächst einmal unüberwindbar erscheint. Dem Problemberg oder dem Berg von Problemen soll er sich nähern. Am Schluss der Lesung hörten wir den Satz, beziehungsweise die Frage des Volkes: Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?
Bei übergroßen Problemlagen ist wohl die Frage der meisten Menschen: Ist Gott noch da?
Mose erhält die Zusage von Gott, dass er am Berg Horeb vor ihm stehen wird. Man beachte den Zugang, der uns hier geschildert wird. Das Volk Israel und Moses erleben eine herausfordernde Situation. Sie wird nicht mit einer Strafe Gottes für Fehlverhalten oder Sünde in Verbindung gebracht, vielmehr ist es die Zusage, dass Gott vor einem solchen Problemberg steht, um Hilfe und Rettung zu ermöglichen. Er ist da. Mose wird dann angeleitet, mit dem Stock auf den Felsen zu schlagen. Der Fels ist Bild für Gott. In Psalm 92 steht: „Der Herr ist mein Fels. An ihm ist kein Urecht.“ Moses bekommt den Auftrag, mit dem Stab auf den Fels zu schlagen, nicht auf Menschen.
Wir haben hier verschiedene Botschaften:
Eine erste: Im Angehen von Problembergen erschließen sich Quellen, die wir im Voraus noch nicht kennen. Es richtet sich gegen ein Erdrücken oder Entmutigen lassen vor großen Herausforderungen.
Auf den „Fels“ schlagen: Wir dürfen Gott bestürmen. Wir dürfen klagen, anklagen. Wir dürfen ihn als Reibebaum sehen, der uns gerade im Ringen mit ihm zur Quelle, zur lebendigen Quelle wird.
Wir haben Durst nach Leben, Liebe, Freundschaft, Anerkennung u.a.m. Gerade in Krisen wird dieser Durst latent. Der heutige Abschnitt aus dem Buch Exodus gibt Impulse mit dem Durst umzugehen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten: