Gerettet sein 1. Lesung: 2 Chr 36,14-16.19-23| 2. Lesung: Eph 2,4-10| Evangelium: Joh 3,14-21
Heute versuche ich einige Gedanken im Anschluss an den Epheserbrief zu formulieren. Zunächst sei ein Hintergrund des Schreibens erwähnt. Der Brief dürfte gegen Ende des 1. Jahrhunderts entstanden sein. Er kann daher nicht unmittelbar von Paulus stammen, sondern ist aus dem Kreis seiner Schüler. Es ist bereits die Zeit, in der die judenchristliche Gemeinde mehr und mehr von den Heidenchristen an den Rand gedrängt wird. Jene Christen, die aus dem hellenistisch-römischen Kulturkreis stammen, werden zahlenmäßig größer und stärker und kommen, wenn man so sagen will, sich besser vor.
Das Schreiben richtet sich gegen diese Tendenz. Wir wollen dazu nochmals Zitate aus dem Brief hören: „Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt -, nicht aus Werken, damit keiner sich rühmen kann.“
Es ist beachtenswert in welchem Stil der Autor der Überheblichkeit und Arroganz der Heidenchristen begegnet. Er formuliert keine kränkenden oder verletzenden Vorwürfe, sondern er erinnert an den Ursprung des Glaubens, beziehungsweise des Glaubensweges. Alle – du und ich – sind aus Gnade gerettet. Niemand hat einen Grund sich über die andere oder den anderen zu erheben. Es gilt ebenso für Gruppen: Keine Gruppe hat einen Grund sich über eine andere zu erheben.
Es lohnt sich den Gedanken der Lesung noch etwas vertiefter nachzugehen, weil es wesentlich für unser Glaubensverständnis ist. Da ist nochmals der Gedanke: Aus Gnade seid ihr gerettet. Er wird in dem kurzen Abschnitt sogar zweimal erwähnt. Der Glaube an den lebendigen Gott ist und bleibt ein Geschenk. Es darf uns bewusst bleiben, dass nicht allen Menschen das Glauben können gegeben ist. Es hat nichts mit ihrer Ablehnung oder einem Böswollen zu tun.
Der Glaube als Geschenk hat damit zu tun, dass Gott den Menschen in seiner Liebe zuvorkommt. Seine Liebe geht der Liebe der Menschen voraus. Vermutlich kennen wir Menschen, die wir als zuvorkommend erleben, die den Vortritt lassen, die in Konflikten unmittelbar um eine Klärung bemüht sind, die jedes Vordrängen meiden, die um lobende und anerkennende Worte selbst in prekären Situationen wissen.
Es schließt dann der Gedanke an: ER, der lebendige Gott, hat uns mit Christus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz in den himmlischen Bereichen gegeben, um in den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum seiner Gnade zu zeigen, in Güte an uns durch Christus Jesus.
Wir sind mit Christus zu einem neuen Leben auferweckt. Es ist ein Leben verbunden mit Dankbarkeit für all die guten Dinge, die geschehen und möglich sind. Gnade verzichtet auf Druck und Zwang, sie ist vielmehr zuvorkommend, höflich und wertschätzend. Eine solche Lebensweise ist ein Weg in himmlische Bereiche. Wenn hier von einem Weg in himmlische Bereiche die Rede ist, dann ist nicht gemeint, dass es keine Probleme, Herausforderungen oder Anfeindungen geben wird oder darf, solche werden das Leben immer begleiten, aber sie verlieren an Bedeutung, Kraft und Macht über uns.
Nochmals der Gedanke: Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet. Es gibt Situationen, in denen das Gefühl bleibt, völlig ohnmächtig zu sein, weil es an Kraft, Perspektive oder einer Spur eines gangbaren Weges fehlt. Es ist hier der Glaube erwähnt. Das Gerettet sein steht als Überschrift über dem Leben, über deinem und meinem. Diese Überschrift bleibt bestehen, selbst wenn der Verstand (größte) Einwände hat.
In allen Schrifttexten dieses Sonntags wiederholt sich dieser Gedanke. Die erste Lesung ist dem zweiten Buch der Chronik, dem letzten Kapitel entnommen (2 Chr, 36). Sie schildert uns nach einer Aufzählung vieler Versagen, dass ein fremder König einer fremden Großmacht – sein Name: Kyrus – völlig unerwartet zum Segen für das Volk Israel wirkt. Gott führt Wege des Heils und des Segens.
Ähnlichen Gedanken wie in dem Brief an die Epheser begegnen wir im Evangelium: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder und jede, der oder die an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Der Sonntag ist jener Tag, der von der Rettung Gottes singt. Deswegen lasst uns ihn hochhalten. Und: Es ist jener Tag, an dem wir auftanken, um aus dieser Kraft des Gerettet seins zu leben.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem zweiten Buch der Chronik anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Éphesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.