Das Buch der Bücher 1. Lesung: Jer 33,14-16| 2. Lesung: 1 Thess 3,12-4,2| Evangelium: Lk 21,25-28.34-36
Im Wort Gottes begegnen wir Gott. Ich möchte heute einige grundlegende Gedanken zur Bibel und zum Wort Gottes sagen. Viele finden zu den Texten der Bibel kaum oder nur schwer einen Zugang. Ich weise auf einige Vorzeichen hin, die vielleicht einen solchen erleichtern. In einem zweiten Teil nenne ich Anliegen der neuen Einheitsübersetzung.
Ein erstes Vorzeichen: die Bibel ist ein Buch des Volkes und nicht so sehr der Experten oder für die Experten. Ihr Interesse gilt vor allem dem Schicksal der kleinen, der einfachen und oft vergessenen Menschen. Dem Mose offenbart sich Gott beim brennenden Dornbusch: Ich habe das Elend meines Volkes gesehen. Ihr Schreien ist an mein Ohr gedrungen. (Ex 3) Gott ist zutiefst betroffen und angerührt, wenn Menschen von Not oder Elend betroffen sind. Geschichtsbücher beschäftigen sich oft mit den Siegern und Mächtigen. Die Leiden des Volkes, die Opfer, die Not der Witwen und Kinder sind meist kein Thema, in der Bibel sehr wohl.
Ein zweites Vorzeichen: Die Bibel ist über weite Strecken eine Untergrundschrift. Viele Schriften sind in Zeiten der Verfolgung, der Unterdrückung und Diktaturen entstanden. Es musste verdeckt geschrieben werden, damit weder den Lesern noch den Schreibern ein sogenannter „Strick“ gedreht werden konnte. Es sind Widerstandsschriften, die Bilder und Symbole verwenden, die den damaligen Menschen verstanden haben. Wir müssen uns heute eher die Zugänge erarbeiten. Man könnte hier unzählige Stellen anführen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang vor allem die Bücher wie: Daniel, Judith, Esther, die Offenbarung des Johannes …
Ein drittes Vorzeichen: Die Bibel gibt Erfahrungen wieder, die Menschen mit Gott gemacht haben. In diesen Erfahrungen können wir uns wiederfinden, können wir die eigenen Gotteserfahrungen verstehen lernen. Letztlich führt sie uns in die Begegnung mit einem Gott, der uns mehr liebt als wir uns selbst zu lieben vermögen. Er befreit uns zu einer Liebe, bei der wir nicht an uns selbst hängen bleiben. Der Mensch wird von IHM ins Leben geliebt. Er ist sich treu und so dürfen wir glauben, dass sein Richten ein Retten sein wird. Im Johannesevangelium sagt Jesus: Ich bin nicht in die Welt gekommen, um zu richten, sondern zu retten (Joh 3,17; 12,47).
Ein viertes Vorzeichen ist zu beachten. Es bezieht sich im Besonderen auf das I. Testament: Es gilt sich völlig vom Gedanken zu verabschieden, dass wir es im I. Testament mit einem Gott der Rache und Vergeltung zu tun haben und im Neuen Testament mit dem Gott der Liebe. Jesus hat seinen Glauben im I. Testament gelernt. Dies war ihm Richtschnur für den Weg der Gewaltlosigkeit. Dies erfüllte ihn mit dem Glauben, dass die Liebe des Vaters stärker als der Tod sein wird.
Ein fünftes und letztes Vorzeichen: Es gibt kein Buch, das religions-, kult- und machtkritischer ist als die Bibel. Die Bibel weiß darum, dass man mit keinem Instrument mehr als mit der Religion Menschen knechten bzw. versklaven kann. Diese Religionskritik finden wir in besonderer Weise bei den Propheten. Die prophetische Dimension der Bibel kommt in der Verkündigung etwas zu kurz, so mein Eindruck.
Gott ist niemandes Feind, sondern er will, dass ein Mensch sich entfaltet, zum echten Original, zur Besonderheit wird. Er will nicht Kopien, sondern Ebenbilder. Er will dich und mich als Mensch – einzigartig, einmalig.
Nun im zweiten Teil einige Anliegen der neuen Einheitsübersetzung:
Sie wird zunächst dem Anliegen gerecht, dass die Sprache lebendig ist und sich verändert. So muss sich auch die Sprache der Bibel verändern, damit sie anschlussfähig bleibt. Es wird nach wie vor zur Bibel und ihrem Hintergrund sehr viel geforscht. Solche Forschungsergebnisse der letzten Jahre sind ebenso eingearbeitet worden.
Die neue Einheitsübersetzung hat ferner das Bemühen, möglichst nahe an die Originaltexte heran zu kommen und möglichst die hebräischen und griechischen Sprachbilder wieder zu geben. Das bedeutet, dass manche Formulierungen für uns eher sperrig und ungewohnt erscheinen werden.
Übersetzungen sind immer auch ein Stück Deutung. Wir haben im Deutschen über 60 000 Vokabeln, die Hebräische Sprache ca. 24 000. Viele der Hebräischen Worte bieten daher mehrere Übersetzungsmöglichkeiten. Die Einheitsübersetzung versucht nun bei den Übersetzungen möglichst beim selben Wort zu bleiben, damit die Zusammenhänge und Anspielungen besser erkennbar werden. Der Nachteil ist, dass dadurch manche Bedeutungen unter- oder auch verlorengehen.
Aus Respekt vor den Juden, die das Tetragramm „JAHWE“ aus Ehrfurcht niemals aussprechen, sondern es mit „ADONAJ“ umschreiben, meidet die neue Übersetzung ebenso das Tetragramm und setzt dafür eben das Wort „ADONAJ“, „HERR“ ein. Man kann hier bei den Frauen nur um Verständnis bitten. Es ist ein schwieriger Kompromiss, der bei den Entscheidungsträgern zugunsten des Judentums ausgefallen ist. Es soll uns bewusst bleiben, dass mit diesem „HERR“ eine nicht benennbare Wirklichkeit angesprochen ist, die wir landläufig Gott nennen. Das vermehrte Vorkommen von „Herr“ rechtfertigt daher keine Geschlechterlastigkeit zugunsten der Männer oder des Mannes.
Im Wort Gottes ist und wird Gott gegenwärtig. Wer offen ist für SEIN WORT, den verwandelt und heilt er, den stärkt und erneuert er, den macht er lebendig. Das biblische Wort atmet zutiefst Gottes Geist. Beim Propheten Jesaia hören wir: „So ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.“ Im Wort der Bibel kommt uns Gott nahe.