Von Gott erwählt sein 1. Lesung: Gen 3,9-15.20| 2. Lesung: Eph 1,3-6.11-12| Evangelium: Lk 1,26-38
Von Anfang an ist Maria, als sie von der Mutter Anna im Schoß empfangen wurde, eine Erwählte. Wir feiern es in besonderer Weise. Was wir hier allerdings von Maria feiern, hat zugleich Bedeutung für jeden Menschen. Von Anfang an ist Maria erwählt, nein sie ist kein Zufallsprodukt, kein zufälliges Rädchen im Getriebe der Zeit, auch ihre Lebensgeschichte bleibt kein Zufall. Ihr Wesen, ihr Dasein, ihr Leben, ihre Lebensgeschichte steht in Beziehung mit Gott und ist nur mit Gott zu verstehen. Seine Liebe und sein weiser Plan stehen über diesem Leben des einfachen Mädchens aus Nazaret. Seine Liebe und sein weiser Plan stehen über dem Leben Marias, einer Frau, die im Laufe der Tage und Jahre mit vielen offenen Fragen und ungelösten Rätseln fertig werden muss. Als sie Mutter wird, hört sie Verheißungen, aber auch zugleich Ablehnung, die das Kind betreffen wird. Sie erfährt später für damalige Zeiten eine ungewohnt harte Abgrenzung des heranwachsenden Sohnes und schließlich geht er einen Weg, der viele anzieht, aber auch tiefe Ablehnung provoziert. Sie muss ohnmächtig das Leiden und Sterben mitverfolgen. Sie wird nicht gefragt. Sie geht und steht mit ihrem Schmerz daneben. Ostern wird auch für sie zu einer Wende. Sie erfährt eine neue Gemeinschaft, eine neue Familie. Sie wird aufgenommen in den Kreis der Freunde und Freundinnen Jesu, seiner Begleiter und Begleiterinnen. Ihr sorgen und begleiten des Sohnes Jesus erfährt neuen, tiefen Sinn. Mit ihrem Leben ist sie zur Tür zu einer anderen Welt geworden, einer Welt, in der Gott HERR ist, die vom Geist der Menschlichkeit und Menschenwürde erfüllt ist.
Wir feiern die Erwählung Mariens. Wir sind eingeladen mit Maria unsere eigene Erwählung zu feiern. Es ist ein Fest gegen die Banalisierung des Lebens. Wir sind Erwählte Gottes. Trotz und hinter allen Fragen des Lebens, trotz und hinter aller Herausforderungen und Schwierigkeiten des Lebens steht eine Liebe und ein weiser Plan. Gott hat mit jedem Menschen Großes vor. Dieses Große meint nicht gleich Karriere oder Reichtum, Popularität oder Martyrium, sondern dieses Große wird, wenn ein Mensch sich immer mehr auf das einlässt, was die Liebe von ihm tagtäglich fordert an Aufmerksamkeit und Solidarität, an Anteilnahme und Zuwendung, an Rücksicht und Geduld, und nicht zuletzt im Mut loszulassen. Es ist ein wiederkehrendes Merkmal im Leben Marias, dass sie loslassen konnte, vielleicht auch musste, angefangen von den Vorstellungen einer normalen Geburt, über den heranwachsenden Sohn, der einen eigenwilligen befremdlichen Weg einschlägt bis hin zum Tod am Kreuz. Ihr Leben mag von vielen Fragen und (Selbst-) Zweifeln begleitet gewesen sein. Sie ist und bleibt Erwählte.
Es bedeutet, dass nicht das Schicksal ihre (Lebens-) Geschichte bestimmt, sondern ein Du sie sucht, durch die Geschichte zu ihr spricht. SEIN Plan für sie und mit ihr ist einer des Heiles und nicht des Verderbens, der Hölle oder gar Verdammnis. Von Gott erwählt sein, darin liegt ihre Würde begründet und das ist letztlich jene Würde, die unantastbar bleibt. Auch du bist Erwählte/Erwählter Gottes. Jeder Mensch.
Ein dritter Gedanke: Er hat weniger mit dem heutigen Fest zu tun, sondern wird als Frage immer wieder mit Maria in Verbindung gebracht: die Frage der Jungfrauengeburt. Kann man so etwas als aufgeklärter Mensch glauben?
Es gab und gibt viele Versuche von Antworten. Die Ansätze sind unterschiedlich: mythologisch, theologisch, psychologisch, vielleicht manche biologisch oder fundamentalistisch … u.a. Bei all diesen Versuchen bleibt letztlich ein Rest, etwas, was in unserer menschlichen Logik nicht aufzulösen ist. Und genau das ist es, was wir von der Jungfrau und Mutter Maria lernen können: anzunehmen, dass wir nicht alles verstehen können, vielleicht müssen, dass wir mit dem Herzen in Situationen einwilligen können, die uns unbegreiflich und das Denken übersteigend erscheinen, und gerade das der Weg ist, auf dem das wirklich Neue, das Heilbringende und Heilige sich ereignet. Und so wie Maria die Worte in ihrem Herzen bewahrte, und zur Tür einer neuen Welt wurde, so birgt auch so manches, was wir in unserem Herzen bewahren – und vielleicht nicht verstehen – die Chance, Tür zum Heiligen zu sein, Tür zum tieferen Sinn des Lebens.
Wir feiern heute 50 Jahre selbständige Diözese Feldkirch. Es sind mir noch die Bilder der Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ in Erinnerung, die den Einzug des Bischofs Bruno Wechner zeigten und die ich als elfjähriger erlebte. Der Festtag „Erwählung Marias“ wirft ein besonderes Licht auf das Jubiläum. Die Kirche, eine Diözese steht im Dienste dieser Botschaft an die Menschen: Du als Mensch bist eine Erwählte/Erwählter Gottes. Für diese Würde geben wir Zeugnis, für diese Würde treten wir ein – unabhängig vom Intellekt, von der Leistungsfähigkeit und vom Sosein.