Auf ihn sollt ihr hören! 1. Lesung: Jes 50,5-9a| 2. Lesung: Jak 2,14-18| Evangelium: Mk 8,27-35
Jesus ist mit den Jüngern in Caesaraea Philippi unterwegs. Es ist geographisch der nördlichste Punkt seines Wirkens. Es ist ein geographischer Wendepunkt. Von Caesaraea Philippi aus führt sein Weg nach Süden, nach Jerusalem in die Konfrontation, ins Leiden, in den Tod auf Golgota.
Es ist auch ein Wendepunkt in seiner Verkündigung. Er kommt mit der Erfahrung nach Caesaraea Philippi, dass es nicht so rasch wie erwartet geht. Das Reich Gottes braucht Geduld. Ebenso erfährt er, dass die anfängliche Begeisterung für ihn und seine Botschaft nachlassen. Einige verlassen seine Sammelbewegung und wenden sich ab. Er spricht nicht mehr vom kommenden oder anbrechenden Reich Gottes, sondern vom Leiden bis hin zum Sterben müssen. Auch die Diktion der Sprache verändert sich. Hat ihn bisher der Prophet Jesaia geleitet, so wechselt er nun eher in die Sprache eines Jeremia.
Bei diesem Abschnitt wird deutlich, dass Jesus auch seinen Weg sucht. Diese Fragen: Für wen halten mich die Menschen? Oder: Für wen haltet ihr mich? sind Fragen eines Menschen in einer Krise. Unmittelbar danach steigt Jesus mit Petrus, Johannes und Jakobus auf den Berg Tabor. Die Leseordnung übergeht diese Stelle am kommenden Sonntag, obwohl sie zusammen zu lesen wären. Jesus sucht in seiner Krise auch die Nähe Gottes, holt sich Orientierung in der Schrift, in der Thora und bei den Propheten. Er erfährt die Bestätigung, die ihn seit der Taufe trägt: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich gefallen gefunden. Nicht nur er hört diese Worte, sondern ebenso seine Begleiter und was ebenso wichtig für sie ist – die Stimme aus dem Himmel sagt: Auf ihn – Jesus – sollt ihr hören.
Kommen wir zu unserem Evangelium zurück: Jesus beginnt darüber zu reden, dass der Menschensohn leiden, getötet und nach drei Tagen auferstehen wird. Er redete ganz offen darüber, so heißt es. Was da genau Inhalt war, bleibt beinahe verborgen. Einiges wird verständlicher, wenn wir uns den Anspielungen widmen.
Ich möchte hier auf zwei Wörter näher eingehen. Es wird der „Menschensohn“ erwähnt. Er ist ein großes Thema beim Propheten Ezechiel und im Buch Daniel (Dan 7). Daniel hat eine Vision in der sich der Menschensohn absetzt von Tieren, die dem Volk bzw. den Menschen zusetzen. Hinter diesen Tieren verbergen sich Unrechtssysteme, in denen Menschlichkeit keinen Platz hat.
Jesus entscheidet sich für diesen Weg der Menschlichkeit. Wer den Weg der Menschlichkeit geht, wer da ist für jene, denen das Wasser bis zum Hals steht (von daher die Berufung der Jünger zu „Menschenfischer“), wer nicht den Weg des Stärkeren, der Gewalt, der Korruption, der Karriere, des Erfolgs und Reichtums geht, musste sich damals erklären und ahnte, dass das in einen mächtigen Konflikt führt: Leiden und Tod.
Der Weg der Menschlichkeit ist immer gefährdet. Schwache, Minderheiten, in Not geratene werden schnell politisch an den Rand gedrängt oder ausgegrenzt. Man schottet sich ab. Der Drache des Populismus verwendet sogar demokratische Instrumente, um etwa die Menschenrechte auszuhebeln und die Menschenwürde mit Füßen zu treten. Der Menschensohn steht für Menschlichkeit. Heute würden wir sagen: Er tritt ein für die Würde eines jeden Menschen – Mann, Frau und Kind.
Interessant ist, dass Jesus in Konflikt mit religiösen Gruppen kommt, wie: Älteste, Hohenpriester, Schriftgelehrte. Es sei erwähnt, dass die Pharisäer nicht genannt sind, die normalerweise Hauptgegner Jesu sind. Die damaligen religiösen Autoritäten sahen seinen Weg als Verrat an bzw. als Gefahr für den Glauben. Wer mit Religion Macht und Einfluss ausüben will, Karriere anstrebt oder sie verwendet, um Menschen auszugrenzen, der verlässt den Weg der Menschlichkeit, den Weg des Menschensohnes.
Ein zweites Wort kommt vor, die Zahl: drei. Er wird am dritten Tag auferstehen. Wenn die Bibel die Zahl „drei“ erwähnt, dann steht sie immer in Verbindung mit Gott oder steht sogar für Gott. Am „dritten“ Tag auferstehen, ist keine zeitliche Angabe, sondern der Hinweis, dass in Bezug auf die Auferstehung Jesus auf Gott vertraut. Die Auferstehung ist nicht meine Tat, sondern sie ist das Werk Gottes. Auferstehung ist dann, wenn Gott es will, wann Gott sie schenkt.
Der Dialog im Evangelium macht deutlich, dass Petrus Jesus nicht verstanden hatte. Umgekehrt: er macht ihm sogar Vorwürfe. Jesus korrigiert Petrus ganz ordentlich. Für mich bleibt höchst interessant, dass Jesus anschließend die Volksmenge und die Jünger zu sich ruft und sich an beide wendet. Mit anderen Worten, es richtet sich an alle Gläubigen, an alle Menschen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“
Lasst es mich so deuten: Wenn Menschen in der Haltung leben, sie kommen zu kurz oder könnten zu kurz kommen, an denen geht das Leben vorbei Sie finden keine Freude am Leben. Menschen, die teilen, die ein weites Herz haben, die großzügig sein können, die immer wieder los lassen, sie werden zu Beschenkten.
Auch das Leben los lassen können, gehört dazu. Ich habe erwähnt, dass Jesus den Konflikt mit den religiösen Autoritäten auf sich zukommen sieht. In dieser Unterweisung der Volksmenge und der Jünger geht er noch weiter. Mit Kreuz auf sich nehmen sind nicht einfach die Alltagsbeschwerden und Krankheiten gemeint, sondern mit Kreuz auf sich nehmen, ist der politische Widerstand inkludiert. Jesus ist der Menschlichkeit wegen auch ein politisches Opfer geworden. Sogenannte Aufständische wurden gekreuzigt. Wer wie Jünger sein will, der kann nicht ausschließen, dass er der Menschlichkeit wegen, sein Leben aufs Spiel setzt. Es sind aber jene, die das Leben in sich haben.
Es hat heuer im Sommer, ausgelöst im Nachbarland, eine heftige Diskussion zum Kreuz gegeben. Es sei hier soviel angemerkt: Das Kreuz ist für Christen kein Symbol, das für die Ausgrenzung taugt. Jesus ist eingetreten für Menschlichkeit und Menschenwürde. Paulus schreibt im Epheserbrief: „ … Jesus riss durch sein Sterben die trennende wand der Feindschaft nieder. … Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden (Juden und Heiden) durch das Kreuz … Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. (Eph 2,14-16)
Wenn wir das Kreuz verehren, dann auf diesem Hintergrund. Es sei uns immer wieder Impuls das zu leben, wofür es steht: Versöhnung.
Ein Kommentar zu “Auf ihn sollt ihr hören! 1. Lesung: Jes 50,5-9a| 2. Lesung: Jak 2,14-18| Evangelium: Mk 8,27-35”
Das Reden von Leid und Tod.
Immer wieder kommt es vor, dass Angehörige und Freunde schlechter mit Leid und Tod umgehen können, als der Betroffene selbst. Wenn Menschen akzeptiert haben, dass sie mit einer Krankheit weiterleben oder bald sterben müssen, dann gilt das noch lange nicht für das Umfeld. “Das wird schon wieder”, – man will das Unvermeidliche nicht wahrhaben.
Eine ähnliche Situation haben wir im heutigen Evangelium. Offensichtlich ist Petrus entsetzt über die offene Rede Jesu. Worin die Vorwürfe genau bestehen, wird nicht berichtet. Die Auferstehung konnte sich Petrus wohl noch nicht vorstellen und der Weg dahin war offenbar nicht nach seinem Geschmack.
Aber Jesus weist ihn scharf zurecht. Das Kreuz ist Gottes Wille. Wir können uns leicht vorstellen, wie Petrus nun verstört da steht, weil Jesus ihn als Satan bezeichnet. Verachtung, Leid und Tod soll Gottes Wille sein? Es ist die Frage, die uns Menschen schon so lange beschäftigt. Und niemand kann zufriedenstellend erklären, wie Gott und die Existenz von Leid zusammen passen. Auch Jesus tut das nicht.
Was Jesus tut, ist, offen darüber zu reden. Nachdem er Petrus zurecht gewiesen hat, wendet er sich an die Volksmenge. Und er ist unverschämt ehrlich. Er macht seinen Zuhörern nichts vor: das Kreuz gehört dazu, wenn man ihm auf seinem Weg nachfolgen will, – und niemand erfährt das wahre Leben, der sich vor dem Kreuz drücken will. Jesus konfrontiert die Menschen mit der Wirklichkeit von Leid und Tod. Sie gehören zum Leben.