Begegnung am Kohlenfeuer Eine Meditation zu Joh 21 von Wilhelm Bruners
Erfahrung der Grenze
An der Grenze zwischen Nacht und Tag. An der Grenze zwischen Wasser und Land. An der Grenze zwischen Nichterkennen und Erkennen. An der Grenze zwischen Armut und Reichtum. Zwischen Haben und Teilen. An der Grenze zwischen Schuld und Vergebung. An der Grenze zwischen Enttäuschung und Freundschaft. Von diesen Grenzen erzählt Joh 21.
Die Nacht der Vergeblichkeit
Sie hatten einmal die Gesetze des Wassers beherrscht. Als Er sie noch nicht von den Booten weggerufen hatte. Sieben waren sie jetzt. Damals waren sie zwölf. Uralt heilige Zahlen für Israel, für die Völker. Sie waren enttäuscht. Er, der Meister, war die Enttäuschung. Mit Ihm hatten sie sich Zukunft erhofft. Vom Leben hatte Er gesprochen. Vom Brot des Lebens. Gott hatte Er Vater genannt.
Und jetzt waren sie wieder bei den Netzen. Als wäre nichts gewesen. Als wäre Er nie in ihr Leben eingebrochen. Als hätte Er ihnen nie die Füße gewaschen. Den Becher gereicht. Das Brot. Hatten sie jetzt auch das Fischen verlernt? Das, worin sie sich auskannten. Alles war ihnen genommen. Sie mussten wieder ganz neu anfangen. Wie so viele. Nach Erdbeben. Nach Fluten. Nach Trennung. Nach Krieg. Nach Tod. Ganz von vorne. In jener Nacht fingen sie nichts.
Der Rat des Fremden
Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet finden. Die Drehung. Mehr ist nicht verlangt. Haltet euch nicht fest an scheinbar allzu Bekanntem. Lernt die Sicht des Fremden. Der einen lebendigen Blick hat. Ihr könnt euch umwenden. Auf Seine Seite. Und das Wunder des gefüllten Netzes geschieht. Ihr tretet aus der Vergeblichkeit der Leere in das Licht und die Fülle. Es bedarf des Vertrauens ins Wort des Fremden. Aber nur gemeinsam könnt ihr die Ernte einbringen. Solidarität der Beschenkten. Und die Erkenntnis: Der Herr ist es! Einer sagt es. – Einfach weiter zu machen, taugt nicht. Es taugt die Bereitschaft, sich einzulassen auf Neues. Auf Lebendiges. Als es schon Morgen wurde.
Das Feuer der Erinnerung
Du betrittst das Ufer. Du, Petrus, entdeckst das Feuer. Das Mahl. Aber ohne deinen Beitrag ist es nicht vollständig. Bringt von den Fischen, die ihr eben gefangen habt. Eure Hände sind nicht mehr leer. Jetzt erinnerst du dich? In der Wärme des Feuers erinnerst du dich an die kalte Nacht. Als du Ihn nicht mehr kennen wolltest. Als du dich selbst nicht mehr kanntest. Da, am Feuer, wo du Schutz suchtest, hast du Ihn verraten. Und dich selbst. Dreimal. Du erinnerst dich, jetzt, wenn du wieder in den Schein des Feuers trittst? Aber nichts von dem, was du befürchtest, geschieht. Kein Vorwurf steht störend zwischen Ihm und dir. Kein gefordertes Schuldbekenntnis. Stattdessen gemeinsame Rast am Kohlenfeuer. Vielmehr Mahl-Zeit. Mit Brot, mit Fisch. Was der See, was das Land bietet. Was ihr mitbringt.
Die Frage
Liebst du mich mehr als diese? Die Frage, die aller Begegnung vorausliegt. Die Frage seit Abels und Kains Zeiten. Können beide am Ende doch gemeinsam die Hand in die Schüssel tauchen? Einander in die Augen schauen? Das will Er wissen. Er, ein Kind Abels. Er, der verratene Meister. Er will wissen, ob Er sich bei dir, Petrus, sicher fühlen kann.
Du antwortest: Du weißt, dass ich dir Freund bin. Dreimal. Zweimal fragt Er dich nach deiner Liebe. Du antwortest Ihm als Freund. Beim dritten Mal fragt auch Er nach deiner Freundschaft. Du hast Ihn erinnert, dass Er euch an jenem letzten Abend Freunde genannt hat: Ihr seid meine Freunde, hat Er gesagt, weil Ich euch mein ganzes Gottwissen offengelegt habe. Das macht wahrhaft zu Freunden.
Im Feuer des neuen Tages, beim Mahl, ruft der Auferstandene Petrus in die Nachfolge der Freundschaft.
Wilhelm Bruners, Priester, Bibliodramaleiter und Geistlicher Begleiter, Mönchengladbach
Dieser Artikel ist erstmals in der Zeitschrift „Dein Wort – Mein Weg“ – Alltägliche Begegnung mit der Bibel in der Ausgabe 2/20 publiziert worden.
Ein Kommentar zu “Begegnung am Kohlenfeuer Eine Meditation zu Joh 21 von Wilhelm Bruners”
Von Ostern bis Pfingsten – Pfingsten ist mein liebstes Fest im Ablauf des Jahres
Die befreiende Wirkung des Heiligen Geistes macht es mir schwer, gelassen zu bleiben. Was sagt der Urtext der Bibel: ha ruach, die Geistin Gottes ist weiblich. Das Wort “Ströme” wird wiederholt verwendet, sie stehen symbolisch für den Heiligen Geist. Schon Jes 58,11 verhieß: “Dann wirst du sein wie ein Wasserquell, dessen Wasser nicht versiegt.” Wenn Christus genau das getan hat, was er verhieß, nämlich Menschen mit Geist und Feuer zu taufen, wie sollten diese dann sein? Kalt, distanziert und zurückhaltend? Sicher nicht! Gottes Kennzeichen ist Feuer, nicht der Eiszapfen. Abstoßend oder anziehend? Unsere Schwächen stoßen Gott nicht ab, sie ziehen ihn an. Wir mögen ohne Hoffnung sein, aber der Geist Gottes ist Geschenk, gerade für die Schwachen. “Er gibt den Müden Kraft und den Ohnmächtigen mehrt er die Stärke.” Jes 40,29 Unsere Sünde, nicht unsere Gerechtigkeit brachten Jesus ans Kreuz, unsere Schwachheit, nicht unsere Stärke brachte uns den Heiligen Geist. Gottes Herz schlägt leidenschaftlich für die Rettung seiner Geschöpfe, deshalb sandte er den Geist als Helfer. Er bewirkt das in den Menschenherzen, was Jesus am Kreuz für uns bewirkt hat. Man kann ihn nicht mit etwas beauftragen, was nichts mit Golgatha zu tun hat. Nur auf dem Boden der Erlösung gibt es echte, göttliche Kraft. Derselbe Geist, der Jesus von den Toten auferweckt hat, wird auch unseren sterblichen Leib durch seinen Geist wieder lebendig machen, er wohnt und wirkt ja in uns. Röm 8,11 Und alle, die Gott beruft, rüstet er auch reichlich aus.
Wie der Vater den Sohn sandte, um uns zu erlösen, so sandte er auch seinen Geist, um uns zu erfüllen.
Das Evangelium ist das einzige Gewehr, mit dem man Tote lebendig schießt. Die Bibel ist die Verfassung des Reiches Gottes. Das Wort Gottes ist ein fester Fels, kein Haufen Kieselsteine mit christlichen Ansichten. Eine kraftlose Kirche ist eine Schande. Der Heilige Geist handelt immer, wenn WIR für Gott handeln. Daran sollten wir die Wirksamkeit unseres christlichen Glaubens messen.