Das schwächste Volk liebt er besonders 1. Lesung: Jes 25,6-10a. | 2. Lesung: Phil 4,12-14.19| Evangelium: Mt 22,1-14
Jesus befindet sich auf dem Tempelplatz. Er diskutiert mit den religiösen Autoritäten, mit den Ältesten und Hohenpriestern. Weitere Zuhörer – solche, die Jesus nachfolgen und andere, sind dabei. Er erzählt Gleichnisse, unter anderem das soeben Gehörte. Es wirkt äußerst sperrig. Und es gibt dazu eine Auslegungstradition, sie wird die allegorische genannt, in der der König mit Gott identifiziert wird. Für diese Tradition kann man sich nur entschuldigen.
Neuere Forschungen zur gesellschaftlichen und sozialen Situation in der Zeit Jesu lassen manche Gleichnisse in einem völlig neuen Licht erscheinen. Es ist vor allem Luise Schottroff zu erwähnen, eine evangelische Exegetin, die daran gearbeitet hat. Ihre Erkenntnisse und ihren Zugang versuche ich zu erläutern:
Mit dem Gleichnis will Jesus einen Kontrast zwischen dem Königtum Gottes und einem Menschenkönig aufzeigen. Dieser Menschenkönig hat einen Sohn, dem er eine Hochzeit ausrichtet. Er lädt dazu Gäste ein. Es war damals üblich, dass Könige oder Menschen aus der Oberschicht große Hochzeitsfeste ausrichteten. Sie wollten damit ihre Großzügigkeit oder ihren Reichtum zur Schau stellen.
Das Gleichnis zeigt auf, dass die Eingeladenen die Einladung mehr oder weniger nicht annehmen. Die Eingeladenen sind zunächst jene aus der Oberschicht. Sie gehen ihren Geschäften nach und lassen sich entschuldigen. Es brüskiert den König. Er weitet nun seine Einladung aus und lädt die Menschen von der Straße, den Pöbel und die Armen ein.
Der Preis der Einladung für diese Gäste ist das Bewacht Werden vom Gastgeber. Einer, der kein Hochzeitskleid trägt, wird hinausgeworfen und in das Verlies gesteckt. Die geladenen Gäste dienen der Imagepflege. Ähnliches erleben wir etwa in Nordkorea oder China, wo Menschen zu großen Demonstrationen oder Paraden gezwungen werden, um Macht und Prestige nach Außen zu tragen. Vermutlich ließen sich noch weitere Beispiele aufzählen.
Solche despotischen Zustände sind weder Reich Gottes oder Königtum Gottes noch entsprechen sie Gottes gerechter Welt. Dieser Menschenkönig steht im Kontrast dazu.
Um das Gleichnis einordnen zu können, gilt es andere Aussagen Jesu bei Matthäus heranzuziehen. Zunächst sei erwähnt, dass das Königtum Gottes oder das Reich Gottes auf keiner Landkarte zu suchen ist. Es steht in Verbindung mit Haltungen von Menschen und Gemeinschaften. Gottes gerechte Welt kann und will an jedem Ort und zu jeder Zeit wachsen.
Einige Zitate von Jesus: „Ihr wisst, dass die Herrschenden der Völker ihre Herrschaft missbrauchen und die Großen ungerechte Gewalt über die Völker ausüben“ (Mt 20,25). Despotische Herrscher können die Einheit nur mit Gewalt aufrecht erhalten. Oder dieser: „Selig sind die Armen …, denn ihnen gehört das Königtum Gottes“ (Mt 5,3); „Selig sind die, die verfolgt werden, weil sie die Gerechtigkeit lieben, denn ihnen gehört das Königtum Gottes“ (Mt 5,10); „Wahrhaftig, ich sage euch, reiche Menschen werden schwerer in das Königtum Gottes hineinkommen. Und ich sage es euch noch einmal: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als das Reiche in das Königtum Gottes hineinkommen“ (Mt 19,23-24).
„So soll es bei euch nicht sein. Wer bei euch groß sein will, soll euch dienen, und wer den ersten Platz einnehmen will, soll euch Sklave oder Sklavin werden” (Mt 20,26-27). Das ist die Umkehrung dessen, was jeder und jede aus den irdischen Herrschaften kennt. Indem Jesus selbst den Vergleich zwischen den „Herrschenden der Völker“ und „jenen“, die Jesus nachfolgen, zieht, weist er uns den Weg, wie wir sein Gleichnis vom Königtum Gottes und dem Menschenkönig verstehen können.
Hinzugefügt sei das Wort Jesu: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Mt 11,28-30).
Gewalt, Hinauswurf, damit Heulen und Zähneknirschen entsteht, das ist nicht Sache von Gottes Königtum. Ein Schlüssel zum besseren Verständnis des Gleichnisses ergibt sich aus dem letzten Satz, der der Deutung bedarf. Er lautet: „Denn viele sind gerufen, wenige aber auserwählt“ (Mt 22,14b). In Anspielung an eine Stelle des Ersten Testamentes (Dt 7,7f) und in der Tradition der rabbinischen Auslegung der Gleichnisse kann sie in folgender Weise verstanden werden: „Gott ruft alle Völker, aber das schwächste liebt er besonders.“
Im Schlussvers geht es nicht um Ausschluss, sondern vielmehr um Einschluss: Israel, die Wenigen, die Geringen, das kleinste unter den Völkern, ist von Gott ausgewählt.
Im Gleichnis wird Gottes gerechte Welt konterkariert. Jesus steht im Konflikt mit den Ältesten und Hohenpriestern, die das System des Menschenkönigs mit ihrer Duldung mittragen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die an die Gemeinde in Philíppi anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
3 Kommentare zu “Das schwächste Volk liebt er besonders 1. Lesung: Jes 25,6-10a. | 2. Lesung: Phil 4,12-14.19| Evangelium: Mt 22,1-14”
Das ist eine schwer verständliche Sache. Warum muß der eine Gast unbedingt ein Hochzeitsgewand tragen. Ich sehe nicht gleich die Bedeutung dahinter. Sicher geht es nicht um eine reine “Modefrage”.
Aber welche tiefere Bedeutung ist hier drinnen?
Grüße angeles.laengle@gmx.at
Liebe Angeles,
danke für die Frage: Was hat es mit dem Mann auf sich, der keine Hochzeitsgewandt trägt und hinausgeworfen wird (Mt 22,11)?
Es bietet mir die Möglichkeit ausführlicher darauf einzugehen. Zunächst ist zu bedenken, dass das Gespräch Jesu mit den Gegnern und den enthaltenen Gleichnissen in einer zugespitzten Situation stattfindet (Mt 21-25). Sie folgen auf die Tempelaustreibung. Jesus diskutiert an dieser Stelle mit den Ältesten und Hohenpriestern. Es mag verschiedene Zugänge geben. In meiner Deutung folge ich Luise Schottroff, die die gesellschaftliche und politische Situation von damals berücksichtigt.
Es war üblich, dass Menschen aus der Oberschicht riesige Hochzeiten für ihre Kinder organisierten. Sie wollten damit ihre Großzügigkeit und ihren Besitz zur Schau stellen. Jetzt macht dieser König die Erfahrung, dass seine geladenen Gäste nicht kommen. Er ist brüskiert. Das Gleichnis steigert den Zynismus: Der König ladet die Bettler und Armen ein. Er verwendet nun diese Gruppe, um sein Prestige aufzupolieren. Sie werden „missbraucht“. Es war damals üblich, dass jeder Gast am Eingang eine Hochzeitsgewandt erhielt, damit die Gesellschaft gut aussah. Da ist nun einer, der macht dieses Spiel des „Mächtigen“ nicht mit und verweigert das Gewandt.
Das Gleichnis zeigt auf, dass der Einladende kein echtes Interesse an der Person hat, vielmehr geht es ihm um ein perfektes Fest. Er lässt diesen einfach aus dem Saal entfernen.
Vielleicht können wir uns den einen oder anderen Diktator vorstellen, der die Massen für großartige Paraden aufmarschieren lässt, um sein eigenes Prestige aufzupolieren.
Ferner wurde das Evangelium zu einer Zeit geschrieben, in der sich viele Christen als von der Gesellschaft ausgeschlossen erlebten, weil sie das Spiel der Mächtigen – Korruption, geheucheltes Gönnertum u.a. – nicht mitmachten.
Der abschließende Satz lautet: „Denn viele sind gerufen, wenig aber auserwählt.“ Viele sind praktisch in den Widerstand gerufen, aber es sind nur wenige, die es mittragen. Wir kennen solches Verhalten auch aus anderen Zeiten und mag sein, dass es gegenwärtig in der Kirche nicht viel anders ist?
Wenn Jesus vom Kommen des Himmelreiches oder von Gottes gerechter Welt redet, dann richtet er die Hoffnung auf, dass diese „geheuchelte Welt“ einmal vorbei sein wird.
Luise Schottroff spricht in diesem Zusammenhang von Kontrastgleichnissen, d.h. diese Gleichnisse beschreiben gerade das Gegenteil von dem, wie es im Himmelreich ist.
Erich Baldauf
Grüß Gott,
hiermit ein weiterer Blickwinkel, weniger sozialkritisch, mehr persönlich: .. Gastgeber mischt sich unter die “Asozialen”…. Spricht einen an mit “mein Freund…..” und fragt nach Warum/Motiv ….. keine Antwort….
Mein Gedankenspiel: Gast kam nicht aus Wertschätzung der Einladung, sondern war nur an Saufgelage oder Tafelsilber interessiert…. er disquaifiziert sich selbst, Hinauswurf logisch….
Frage: Was kann ein Gastgeber erwarten, wenn er Gute und Böse einlädt, ohne Sündenregister oder Gute-Taten-Katalog zu überprüfen?
Antwort: Liebe möchte mit Liebe beantwortet werden…. Gast sollte sich mit dem “Gewand” der Freude, Dankbarkeit ect. kleiden, das er sogar nocht geschenkt bekommt, wenn die Motivation/guter Wille stimmen.
Fazit: Am Ende zählen nicht Glaubenslehren und Leistungen, sondern die Liebe, – um Heilige zu zitieren. Oder ein Sprichwort: Gott hat dir ein Gesicht gegeben, Lächeln musst du schon selbst.
Herzlich ein “Behüt’ Gott” aus München