Denkt um! 1. Lesung: Jona 3,1-5.10 | 2. Lesung: 1 Kor 7, 29-31 | Evangelium: Mk 1,14-20
Es sind zwei Gedanken des Evangeliums, denen ich näher nachgehen möchte: Zum einen die Botschaft, mit der Jesus auftritt und zum anderen, die Berufung der ersten Jünger.
Sie wirkt wie eine Randnotiz, ist aber zum Verständnis des Auftretens Jesu ganz maßgeblich: Nachdem man Johannes den Täufer ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus nach Galiläa. Es macht mit einem Menschen etwas, wenn ein Freund, vielleicht sogar der nächststehende Freund ins Gefängnis geworfen wird. Johannes ist ein politischer Häftling. Er hat den König wegen seiner Heirat kritisiert. Kritik duldet der König nicht. Es kommt für Johannes schließlich noch schlimmer: Er wird enthauptet.
Ja, es ist eine Zeit der Verfolgung, der Unterdrückung und Repressalien. Es ist für Jesus kein Grund des Lamentierens, dass die Zeiten schlechter werden, sondern er beginnt sein Auftreten mit der Botschaft: Die Zeit ist erfüllt. Die Zeit ist Gott-voll. Kehrt um, oder besser wäre die Übersetzung von „meta-noeite“ – „denkt um“, das Reich Gottes ist nahe. Vielleicht tun wir uns ein wenig schwer mit dem Begriff „Reich Gottes“, weil es historische Belastungen trägt.
Im griechischen Urtext steht dafür das Wort „Basileia“ – Königsherrschaft. Auch das ist eine Herrschaftsform, die uns heute fremd geworden ist. In der Antike dagegen zeichnet sich „Königsherrschaft“ dadurch aus, dass ein König rechtmäßig herrscht, im Gegensatz zur Gewaltherrschaft von Despoten oder Tyrannen. Für die Bibel hat das Wort noch einmal eine eigene Bedeutung: Der wahre König Israels ist Gott selbst. Wo sein Königtum sich durchsetzt, wenden sich die Dinge zum Guten. Das Zusammenleben ist getragen von Gerechtigkeit und Friede. Die sozialen Unterschiede sind aufgehoben, denn es gibt keine Not und keine Armut mehr. Die Menschen wissen um ihre Verbindung mit Gott, pflegen sie, pflegen ebenso die Solidarität untereinander.
Diese „Basileia“ – diese Königsherrschaft Gottes – kündet Jesus. Sie ist die Realität – Wirklichkeit – Jesu. Sie bestimmt sein Denken und Tun. Sie ist für ihn die Wahrheit. Sie hat Bestand und alles andere wird vergehen: jedes Gewaltregime ist bereits angezählt. Und was ist schon alles vergangen: Kommunismus, Marxismus. Es werden auch vergehen der Kapitalismus, jeder Fundamentalismus, u.ä. Jesus beginnt Menschen zu rufen und berufen, dass sie in und aus dieser „Basileia“ heraus leben.
Jesus ist in Galiäa aufgetreten. Es war damals im jüdischen Verständnis Missionsland und gerade hier sagt er: Denkt um! Das Reich Gottes ist nahe. Die Nähe des Reiches Gottes ist unabhängig von den Mitgliedszahlen der Kirche, ob mehr oder weniger dabei sind. Weil Menschen bedrängt, verfolgt sind, weil vielen der befreiende, aufrichtende Gott fremd ist, kommt Jesus nach Galiläa und kündet diesen Menschen, ihr dürft mit der Zuwendung Gottes rechnen. Es ist der „Kairos“, der gute Zeitpunkt, in der Gott seine Herrschaft aufzurichten beginnt.
Jesus kündet diese Botschaft und beginnt aus ihr zu leben. Das erste, was er tut, er geht am See entlang und beruft die ersten Jünger. Er ruft Fischer in seinen Kreis. Er beruft keine Priester, oder Menschen aus der Priesterklasse oder aus der Gruppe der Leviten. Fischer: Sie zählen nicht zu den Angesehenen, schon gar nicht zu den Frommen.
Vielleicht erleben wir derzeit den Nachhilfeunterricht Gottes. Die Priester in der bisherigen Form – zölibatäre Männer – brechen mehr oder weniger völlig weg. In den nächsten Jahren haben wir uns darauf einzustellen, dass sie immer weniger eine tragende Rolle in den Pfarren haben werden, möglicherweise dass wir zeitweise ohne sie auszukommen haben. Jesus hat sein Evangelium mit Fischern begonnen, nicht mit Priestern oder Hohepriestern.
Fischer zählen wie die Bauzimmerer oder Hirten zu den sogenannten Geh-hin-Berufen. Man konnte den Beruf nicht zu Hause ausüben. Sie mussten zu den Leuten hingehen, bzw. die Fischer auf den See hinausfahren. Vielleicht auch ein wichtiger Hinweis für das Verständnis von Kirche: viele warten darauf, dass die Leute zu uns, zur Kirche kommen. Jesus – und in derselben Tradition stehen die JüngerInnen – ist zu den Menschen vor allem hinausgegangen. Er hat sie in ihrem Zuhause aufgesucht. Es ist ein vertrauter Satz, den er an den Zöllner Zachäus richtet: Heute muss ich bei dir zu Gast sein.
Diesen Fischern gibt er einen Auftrag: Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Menschenfischer – es ist das Dasein für jene, denen das Wasser bis zum Hals steht. Ich finde, hier gibt es eine Schräglage in der Kirche, nämlich im Verständnis wofür Menschen von Gott berufen sind. Die erste Aufgabe, die Jesus für seine Jünger sieht, ist, Menschenfischer zu sein.
Mose wurde am brennenden Dornbusch auch nicht dazu berufen, allein Gottesdienst zu feiern oder fromme Übungen zu begehen. Er wurde berufen, sein Volk aus der Knechtschaft herauszuführen, aus Not und Elend. Die Not der Menschen ist Gott an die Nieren gegangen.
Im Verständnis der Bibel folgen jene Menschen dem Ruf Gottes, die sich von der Not anderer anrühren lassen, die sich dafür hergeben, Not zu lindern, Krankheiten zu heilen, Menschen aus tödlichen Abhängigkeiten herauszuführen. Es ist Verrat an der Botschaft Jesu, wenn wir uns nicht mehr von der Not oder dem Elend von Menschen anrühren lassen, innere Zäune im Herzen dagegen errichten oder äußere Zäune bauen, damit wir sie nicht mehr sehen, aus dem Blick haben.
Es sei hinzu gesagt: Politik ist die Sorge um das Gemeinwohl, die Sorge um das Volk (polis), um die Ränder, um jene, die aus dem Gemeinwohl hinauszufallen drohen.
Ein letzter Gedanke dazu: Nach dem Karfreitag kommen die Jünger wieder nach Galiläa. Sie gehen wieder dem alten Beruf des Fischens nach. Die Netze bleiben leer. Ihre Frage und Sorge: War alles umsonst? Die Erfahrung der Erfolglosigkeit.
Die Begegnung mit dem Auferstandenen, das Hören auf sein Wort, lies sie erfahren, dass die Netze voll wurden. Das Reich Gottes ist kein Wunschbild, sondern Wirklichkeit. Jetzt sind sie tatsächlich Apostel – Gesandte. Jetzt sind sie diejenigen, die diese Botschaft unter die Menschen bringen. Gottes Reich wächst, wo wir in Not und Elend geratenen Hoffnung sind.
Ein Kommentar zu “Denkt um! 1. Lesung: Jona 3,1-5.10 | 2. Lesung: 1 Kor 7, 29-31 | Evangelium: Mk 1,14-20”
Spannend finde ich, dass der Beruf des Fischers – dem im Zweiten Testament eine große Bedeutung zukommt – im Ersten Testament „nur“ drei mal genannt wird. In Jes 19,8 und Jer 16,16 wird der Beruf des Fischers erwähnt. Ich möchte aber auf Ezechiel 47,10 hinweisen: „Von En-Gedi bis En-Eglajim werden Fischer an ihm (Fluss aus der Tempelquelle) stehen und ihre Netze zum Trocknen ausbreiten. Alle Arten von Fischen wird es geben, so zahlreich wie die Fische im großen Meer“.
Für jene, die sich in einem modernen Kontext der Jona-Geschichte widmen möchten, sei auf das Buch vom emeritierten Abt des Klosters Einsiedeln verwiesen: Zu spät. Eine Provokation für die Kirche, Hoffnung für alle, Verlag Herder, ISBN: 978-3-451-37519-4