Die Sünde der Welt 1. Lesung: 1 Sam 3,3b-10.19 | 2. Lesung: 1 Kor 6,13c-15a. 17-20 | Evangelium: Joh 1,35-42
Der Evangelist Johannes weist uns einen anderen Zugang zur Taufe Jesu als die drei Synoptiker: Mt, Mk und Lk. Sie schildern die Taufe als ein Ereignis bei dem sich beim Heraussteigen Jesu aus dem Jordan der Himmel öffnete und ein Stimme zu ihm sprach: Du bist mein geliebter Sohn an dem ich Gefallen gefunden habe. Der Evangelist Johannes erzählt die Taufe nicht, auch erwähnt keine Himmelsstimme, die zu Jesus spricht, sondern es ist der Täufer Johannes, der Jesus vorstellt.
Am 1. Tag der Begegnung sagt Johannes der Täufer von ihm: dass der nach ihm Kommende größer sei; dass er mit Wasser, dieser aber mit Hl. Geist taufen wird. Am 2. Tag – es ist der Tag vor dem heutigen Evangelium – sagt Johannes über Jesus, den er auf sich zukommen sieht: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ Und er ist es, von dem ich gesagt habe u.s.w.
Wir kennen dieses Wort aus der Liturgie: Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.
Es lohnt sich auf diesen Satz genauer hinzusehen, denn er beschreibt das Wesen und die Sendung Jesu und wozu er Menschen ruft. Es ist praktisch die Tür, durch die Jesus in unser Blickfeld kommt. Seht, das Lamm Gottes, das die Sünder der Welt hinwegnimmt, umschreibt in einem kurzen Satz das gesamte Programm, wofür Jesus gesandt ist, bzw. wofür er leben wird. Er kommt, um die Sünde der Welt hinweg zu nehmen.
Was ist mit Sünde der Welt gemeint? Wir dürfen es so verstehen, dass nun alles, was Jesus tut, diskutiert, verkündet, lebt im Dienste dieses Hinwegnehmen der Sünde der Welt ist.
Es beginnt mit der Berufung erster Jünger, bzw. Menschen, die ihm folgen. Er lässt sie mit leben, bei ihm wohnen. Er macht es nicht allein. Es findet dann eine Hochzeit statt, zu der er geladen ist. (Joh 2) Es ist zutiefst sein Anliegen, dass das Fest des Lebens zu Ende gefeiert werden kann. Das alltägliche Wasser verwandelt er in Wein. Mit ihm kann Banales zur großen Gabe, zum Geschenk werden.
Es folgt unmittelbar die Vertreibung der Händler aus dem Tempel. „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle.“ (Joh 2,16) Er kritisiert mit dieser Aktion das herrschende Gottesverständnis, das im Tempel zu Jerusalem gelebt und verkündet wird. Er übt Kritik am Opferwesen im Tempel und an den Privilegien der Priesterschaft.
Er führt dann das Gespräch am Jakobsbrunnen mit der samaritischen Frau. (Joh 4) Sie ist es im Johannesevangelium, die Jesus als Messias bekennt. (Joh 4,25)
Jesus heilt danach in Kana einen kranken Jungen. (Joh 4,46-54) Dann folgt die Brotvermehrung. (Joh 6) Das dankbare Teilen lässt alle satt werden. Menschen hungern lassen, ist eine Sünde (gegen Gott).
Sünde der Welt hinwegnehmen: Was darunter zu verstehen ist, zeigt sich in dem Ereignis als eine Ehebrecherin – auf frischer Tat ertappt – zu Jesus gebracht wird. (Joh 8) Er richtet sich an die Umstehenden mit der Frage bzw. Aufforderung: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Jesu bleibt allein mit der Frau zurück und sagt zu ihr dann: Hat dich niemand verurteilt, dann verurteile auch ich dich nicht.
Sünde hinwegnehmen bedeutet Leben zusprechen und nicht Handlanger des Todes zu sein. Ebenso zählt dazu die Heilung des Blindgeborenen. (Joh 9) Für Johannes ist das der Ausgangspunkt des Menschen überhaupt, dass er blindgeboren ist. Wer hat nicht blinde Flecken. Zumindest kennen wir die blinden Flecken, die Blindheiten von Mitmenschen. Von Blindheit heilen, die das Miteinander oft so schwer machen. Glaube, Hoffnung und Liebe öffnen Augen. Sie helfen oder lassen anders auf die Welt blicken. Jesus scheut nicht das Gespräch mit Zöllnern, Sündern, Aussätzigen und Andersgläubigen.
Jesus ist der gute Hirte. (Joh 10) Jene, die auf seine Stimme hören, öffnet er die Tür zur Fülle des Lebens. (10,10) Er ist die Tür zur Fülle des Lebens. Zeichenhaft dafür steht die Totenerweckung des Lazarus. (Joh 11)
Die Sünde der Welt wegnehmen erweist sich als gefährliches Unterfangen. Es provoziert tödliche Feindschaft. Es ist nicht so, dass da alle eine Freude hätten – auch heute nicht. Ein bisschen helfen ja, aber nicht zu viel. Ein bisschen lieben ja, aber es soll dann nicht zu viel sein.
Die Sünde der Welt hinwegnehmen – welchen Weg er dabei geht, wird in seiner Passion deutlich. Er wäscht als Herr und Meister die Füße, nicht den Kopf. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, was ich an euch getan habe. (Joh 13) Er sagt zu den Versammelten beim letzten Abendmahl, die mit sich und der Situation ringen: Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. (Joh 14,1f) Er sagt es unmittelbar nach der Situation als Judas den Raum verlies und Petrus hören musste, dass er Jesus dreimal verleugnen wird. Er stiftet Hoffnung auch für diese, die schuldig geworden sind. Der griechische Text deutet nämlich an, dass er in „seine Wohnungen“ hineinarbeiten wird.
Als seine Mutter und Johannes unter dem Kreuz stehen, erliegt er nicht im Selbstmitleid, sondern er stiftet Beziehung. Es soll für sie gut weitergehen: Siehe dein Sohn. Siehe deiner Mutter. (Joh 19,25f)
Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Ihm begegnen wir in der Kommunion. Johannes hat kein auf das 6. Gebot reduziertes Sündenverständnis. Jesus tritt allem entgegen, was Leben, Liebe, Beziehungen zerstört. Er tritt dem Tod, allem Todbringendem entgegen. Im Gebet vor der Kommunion machen wir uns dessen bewusst.
Es ist der dritte Tag, aus dem das Evangelium des heutigen Sonntags entnommen ist. Johannes sagt zu seinen Umstehenden nur noch: Seht, das Lamm Gottes, aber es schwingt für die Hörenden mit, was sie am Vortag hörten. Die Jünger, die ihm folgen, lassen sich auf das gesamte Programm Jesu ein. Die Sünde Welt hinwegnehmen, zu nichts Geringerem ist auch heute die Kirche, eine Pfarrgemeinde, jede Christin, jeder Christ ge- und berufen.
Ein Kommentar zu “Die Sünde der Welt 1. Lesung: 1 Sam 3,3b-10.19 | 2. Lesung: 1 Kor 6,13c-15a. 17-20 | Evangelium: Joh 1,35-42”
In der Lesung und Predigt zum 4. Adventssonntag stand die Frage nach der Wohnung Gottes im Zentrum. Dieses Mal steht die Frage an Jesus im Raum: Rabbi – wo wohnst DU?
Oftmals finde ich die Lesungstexte nicht so passend zum Evangelium, aber hier ist die gemeinsame Botschaft erkennbar. Samuel wird von Gott gerufen. Die Gottesbotschaft wurde für Samuel erst hör- und zuordenbar, als Samuel Gott antwortet: „Rede, denn dein Diener hört“ (1 Sam 3,10). Das Hören auf die Botschaft des Johannes ermutigte zwei Jünger Jesu nachzufolgen. Der Beginn einer Sammelbewegung …