Der Gegenwart Gottes trauen 1. Lesung: Apg 1,1-11| 2. Lesung: Eph 1,17-23| Evangelium: Mt 28,16-20
Wir haben zwei Darstellungen zur Himmelfahrt Jesu gehört. Lukas siedelt sie in der Apostelgeschichte in Jerusalem an. Sein erstes Werk – das Evangelium – berichtet am Beginn, dass der Geist des Herrn auf Jesus liegt. ER ist der Träger des Gottes-Geistes bis zur Aufnahme in den Himmel. Das zweite Werk – die Apostelgeschichte – handelt von der Spanne zwischen der Entrückung Jesu (Himmelfahrt) und seinem neuen Zur-Welt-Kommen am Ende der Zeiten. Diese Zwischenzeit ist unsere Zeit. Der Auferstandene und erhöhte Jesus verheißt den Heiligen Geist. In der Kraft des Heiligen Geistes durchschreitet er mit uns diese Zeit bis an die Grenzen der Erde.
Matthäus dagegen schildert den Abschied Jesu in Galiläa auf einem Berg. Einmal ist es die Ansage, dass die Jünger dort weitermachen sollen, wo er – Jesus – angefangen hat. Zum anderen werden wir mit „Berg“ an zwei Ereignisse erinnert: a) an die Bergpredigt und b) an das Taborereignis. Da hörten Petrus, Jakobus und Johannes die Stimme: Jesus ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. Auf ihn sollt ihr hören (Mt 17,5). Sie erleben den Auferstandenen im Hören auf und in der Auseinandersetzung mit der Bergpredigt.
Ein erster Gedanke: Diese Unterschiede bewahren uns vor einem biblischen Fundamentalismus, der in diesen Schilderungen von geschichtlichen Tatsachen ausgehen möchte. Die Erzählungen sind Bilder, beziehungsweise Erfahrungen des Glaubens, die auf die Situation der jeweiligen Gemeinden, auf Probleme und Konflikte Rücksicht nehmen und darauf antworten.
Im ersten Werk des Lukas erreicht das Evangelium Jerusalem, das religiöse Zentrum in der Kraft des Geistes. In der Apostelgeschichte – das zweite Werk des Lukas – erreicht die Botschaft in der Kraft des Hl. Geistes Rom, das weltliche Zentrum. Mit dieser Glaubens-Vision macht er der Gemeinde Mut, bzw. beschreibt er das Ziel, auf das die junge Kirche hinsteuert und wofür jeder Einsatz, alles Teilen, die Zeiten im Gefängnis und jedes Martyrium ausgerichtet ist oder sein soll. Die Botschaft schreitet unaufhaltsam trotz allen Gegenwindes voran. Dieses Vertrauen leitet den Evangelisten Lukas. Das Fest „Christi Himmelfahrt“ ist ein Fest der Hoffnung.
„Ein Volk ohne Visionen geht zugrunde“, so hat Dorothee Sölle, eine inzwischen verstorbene evangelische Theologin, ein Buch betitelt. Ein Volk, leitende Personen eines Volkes brauchen Visionen, damit es gut in die Zukunft gehen kann.
Beide Texte sind am Ende des 1. Jht. geschrieben worden. Es gab noch keine Dogmatik mit eindeutigen Glaubenssätzen. Neben den Unterschieden zeigen sich auch Parallelen, die Grundlagen für das weitere Glaubensverständnis sind. Am Ende des Matthäusevangeliums heißt es: „Ich – der Auferstandene – bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Es ist keine Geistsendung angesagt. Der Auferstandene selbst bleibt bei den Gläubigen. Es ist auch hier ein Rückgriff auf den Anfang des Evangeliums mit der Ankündigung des „Immanuel“ – der Gott mit uns. Jesus bleibt bei Matthäus „der Gott mit uns“ bis zum Ende der Welt. Der Heilige Geist kommt kurz davor in der Taufformel zur Sprache. Macht die Menschen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Lukas dagegen hält seine Gemeinde an zu warten, bis der Heilige Geist auf sie herabkommt.
Und da möchte ich auf einen dritten Punkt hinweisen: Christi Himmelfahrt bedeutet für die Jünger*innen eine große Veränderung. Es ist ein Übergang. Sie haben sich darauf einzustellen, dass sie die Zukunft ohne Jesus leben und gestalten haben. Sie als Menschen müssen in eine neue Haltung finden. Sie als Gruppe müssen sich neu organisieren. Sie als Glaubensgemeinschaft bedürfen einer Neuorientierung.
Dieser Übergang hat bei Matthäus ein ganz markantes Stichwort, nämlich: Zweifel. „Als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel.“ Dieser Übergang kennt den Zweifel der Jünger: Ist es Jesus? Ist es Gott? Wird es gelingen? Wie geht es mit uns weiter?
Die Zweifel werden von keinem Menschen beseitigt, weder von Petrus, einem anderen Apostel noch von Maria. Keine Person schreitet voran und spendet Mut und Hoffnung. Auf die Feststellung, dass einige Zweifel haben, tritt Jesus – der Auferstandene – auf: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde.“ Es ist der Hinweis, dass allein die Verankerung in Jesus trägt, das Vertrauen in die Macht seines Daseins, seiner Liebe und seiner bleibenden Treue.
Das Ende des Evangeliums könnte auch derart gestaltet sein, dass Jesus beim Abschied sagt: Und jetzt hört auf Petrus oder sonst eine Person, die euch führen wird. Wir lernen den Glauben von Menschen, von Vorbildern des Glaubens. Doch reifer Glaube – so wird in der Erzählung von der Himmelfahrt bei Matthäus deutlich – macht ihn nicht von Menschen, von ihren Leistungen oder Fehlleistungen, von ihren Großtaten oder ihrem Versagen abhängig. Es ist gleichsam das Testament am Ende des Evangeliums: Trau der Gegenwart Gottes und seinem Wirken, traue der Macht Gottes, die Raum und Zeit umfasst. Er ist mit dir auf dem Weg.
Seid gewiss: ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt – bis in die Elendesviertel und selbst da, wo Menschen die Welt als Hölle erleben. Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt – auch dann, wenn die Menschen Gott-vergessen leben. Ich bin bei euch – darauf baue den Glauben!
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Éphesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Der Gegenwart Gottes trauen 1. Lesung: Apg 1,1-11| 2. Lesung: Eph 1,17-23| Evangelium: Mt 28,16-20”
„Trau der Gegenwart Gottes!“-
Dies lebten uns vor einigen Jahrzehnten zahlreiche Menschen vor: u. a.
Pater Maximilian Kolbe, der freiwillig in den Hungerbunker ging;
Edith Stein, die in den Gaskammern von Ausschwitz zu Tode kam;
Dietrich Bonhoeffer, der hingerichtet wurde;
Jochen Klepper, der vor der Deportation verzweifelt vor einer Christusstatue mit seiner Familie den Freitod wählte……
Wie viele Menschen gibt es heute in ähnlichen Situationen?!
Vernetzen wir uns mit den Lebenden und Toten, damit wahr bleibt, was wir oft singen:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“