Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! 1. Lesung: Ex 22,20-26| 2. Lesung: 1 Thess 1,5c-10| Evangelium: Mt 22,34-40
Auf die zehn Gebote folgen im Buch Exodus Bestimmungen zum Schutz der SklavInnen, Angaben zum Tatbestand der Körperverletzung, Haftung für Schäden am Vieh und Vergehen am Eigentum. Auf diese Ausführungen folgt der Text der heutigen Lesung. Die gemeinsame Überschrift lautet „Schutz der Schwachen“. Erst danach kommen Angaben zu den Pflichten gegen Gott, Regelungen zum Sabbatjahr und zu den Feiertagen. Nicht nur die Reihenfolge ist beachtlich, sondern auch die Einbettung dieser Bestimmungen, die den Schutz der Schwachen besonders hervorhebt.
Am Beginn steht die Offenbarung der zehn Gebote am Sinai. Der HERR stieg auf den Berg Sinai herab und rief Mose zu sich. Er empfing die zehn Gebote, stieg vom Berg hinab und erzählte diese Worte dem Volk, das am Fuße des Berges auf ihn wartete. Das Volk bat Mose um Vermittlung. Die Vermittlung beginnt mit folgender Beschreibung: „Der HERR sagte zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: Ihr habt gesehen, wie ich vom Himmel her zu euch geredet habe. Ihr sollt euch neben mir keine Götter machen: Weder Götter aus Silber noch Götter aus Gold dürft ihr euch machen“ (Ex 20,22-23). Dies ist „die Rechtsordnung, die du (Mose) dem Volk vorlegen sollst“ (Ex 21,1). Am Ende der Rechtsordnung wird der Weg ins verheißene Land vom HERRN beschrieben. Dazwischen sind konkrete Anweisungen beschrieben – auch unser Lesungstext gehört dazu.
Erst im Anschluss daran verspricht das Volk, die Gebote zu befolgen, und Mose erhält daraufhin die Tafeln mit den Geboten.
Gott ist ein fairer Verhandler. Er will nicht, dass das Volk in einen Vertrag einwilligt, dessen Inhalte es nicht kennt. Es werden nicht nur die Verpflichtungen angeführt, sondern auch die Folgen bei Verstößen, die durchaus drakonisch geschildert werden. Niemand soll das Gefühl haben, „eine Katze im Sack“ kaufen zu müssen. Bei Gott gibt es kein Kleingedrucktes im Vertrag, das übersehen werden könnte. Er billigt dem Volk völlige Freiheit zu, den Vertrag anzunehmen oder nicht. Mose werden die Tafeln mit folgenden Worten übergeben: „Darauf habe ich die Unterweisung und das Gebot geschrieben, um das Volk zu unterweisen“ (Ex 24,12). Wir sprechen von den sogenannten zehn Geboten, die Juden von den zehn Worten. Die Reihenfolgen sind geringfügig unterschiedlich. Nun lesen wir aber, dass es eigentlich nur ein Gebot gibt und die weiteren Angaben – heute würde man unter Juristen ausführende Bestimmungen sagen –, also so etwas wie Handlungsanleitungen sind.
Bei Juden gehört es seit alters her zur täglichen Gebetspraxis, das „Schma Jisrael“ (Jüdische Glaubensbekenntnis) zu beten. Der Text stammt aus dem Buch Deuteronomium und lautet: „Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Heute verpflichte ich dich auf diese Gebote. Du sollst sie in dein Herz schreiben“ (Dtn 6, 4-6). Dieser Text ist quasi die Kurzzusammenfassung zum Auswendiglernen. Er ist kurz und knapp, um schnell den roten Faden der Lebensführung wieder aufnehmen zu können und sich an das Wesentlichste erinnern zu können.
Mose wurde damals vom Volk gebeten, als Übersetzer zu fungieren. Eine ähnliche Aufgabe nimmt Jesus im Evangelium war. Er wird von einem Schriftgelehrten nach dem größten bzw. wichtigsten Gebot gefragt und antwortet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das größte und wichtigste Gebot. Aber das folgende Gebot ist genauso wichtig: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. Diese beiden Gebote fassen alles zusammen, was das Gesetz und die Propheten von den Menschen fordern“ (Mt 22,37-40). Diese Übersetzung stammt aus der Basisbibel. Die Einheitsübersetzung bezeichnet die Gebote als erstes und zweites Gebot. Jesus hat sie aber vermutlich so wiedergebeben, wie es Gott beauftragt hatte: ein Gebot – das Gebot Gott zu lieben. Wer dies tut, handelt entsprechend und dazu gehört es, den Mitmenschen mit Würde zu begegnen, auch den Schwächsten. Einige Zeilen weiter wird Jesus in diesem Zusammenhang nochmals sehr konkret: „Dann wandte sich Jesus an die Volksmenge und seine Jünger und sagte: ‚Die Schriftgelehrten und Pharisäer sitzen auf dem Lehrstuhl von Mose. Alles, was sie euch sagen, sollt ihr tun und befolgen. Aber verhaltet euch nicht so, wie sie sich verhalten! Denn sie halten sich selbst nicht an das, was sie lehren‘“ (Mt 23, 1-3). Offensichtlich war es damals um die Glaubwürdigkeit Verantwortlicher auch nicht immer gut bestellt. Jesus empfiehlt, zwischen der Botschaft an sich und den Vermittlern zu differenzieren. Er fordert dazu auf, nicht selbstgerecht zu sein, also nicht einfach zu denken, „wenn die sich nicht daran halten, muss ich es auch nicht“. Man soll den Blick auf das Wesentliche richten, das ist die Botschaft – die Einladung den Herrn zu lieben und danach sein Leben zu gestalten. Dies nicht zwanghaft, nicht kleinkrämerisch oder verbissen, sondern aus Liebe und Zuneigung. Unsere Kirche gab und gibt wahrlich nicht immer das beste Sittenbild ab, und um ihre Glaubwürdigkeit im Alltag ist es manchmal schlimm bestellt. Das darf uns aber nicht zur Ausrede werden. In der Taufe sind wir in der Nachfolge Jesu zu PriesterInnen, ProphetInnen und KönigInnen gesalbt worden. In diesem Auftrag stehen wir und so dürfen wir eigenständig leben, entscheiden und prüfen, wie wir diesem Auftrag in unserem eigenen Leben Gestalt verleihen (wollen).
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessalónich anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: