Widerstand gegen Unmenschlichkeit 1. Lesung: Offb 7,2-4.9-14| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-3| Evangelium: Mt 5,1-12
Es gibt viele, die mit dem Buch der Offenbarung des Johannes große Mühe haben. Die Sprache und die Bilder wirken eigenartig, vielleicht sogar befremdlich. Es ist eine apokalyptische Schrift. Mit dem Begriff “Apokalypse” werden Krisen von universalem Ausmaß, grelle Schreckensbilder und Endgerichtserwartungen zerstörerischer Handlungen assoziiert. Krieg und Terror tragen solche Züge. Es ist ein Grundthema vieler Science-Fiction-Filmen. Sie behandeln das Thema vielfach ohne Gottesbezug. Das Buch der Offenbarung des Johannes weiß in den apokalyptischen Zuständen um den Gott, der die Welt aus dem Chaos schuf, der Israel durch die Wassermassen hindurch rettete und der den ermordeten Jesus Christus zum Leben auferweckte.
In meinen Augen ist es ein außergewöhnliches Buch schon wegen der Umstände, in der es geschrieben wird und was der Autor mit ihm bewirkt. Es ist eine klassische Untergrundschrift in einer Zeit großer Verfolgung. Der Autor sitzt auf der Insel Patmos im Gefängnis. Ihm wird über die Schultern geschaut und trotzdem vermag er mit dieser Schrift Widerstand gegen Unmenschlichkeit und Gewalt zu erzeugen. Seine Vorgehensweise: Es gibt kein wörtliches Zitat aus dem Ersten Testament. Es gibt aber kaum in der Schrift einen Vers, der nicht Bezüge zum Ersten Testament aufweist, zu den Büchern Exodus, Daniel, Propheten und Psalmen, Schriften, die das verborgene Wirken Gottes erzählen.
Niemand vermag die Siegel zu öffnen, nur das Lamm. Niemand vermag das Siegel der Geschichte zu öffnen. Niemand kann genau sagen, warum es Kriege, Verwerfungen, Naturkatastrophen u.ä. gibt. Wir können vielleicht den einen oder anderen Grund anführen oder erahnen, aber im Letzten bleibt uns der Verlauf der Geschichte verborgen. Die Offenbarung des Johannes spricht davon, dass allein das Lamm vermag, dieses Siegel zu öffnen. Das Bild des Lammes bezieht sich auf den Auferstandenen. Er kann dieses Siegel öffnen, d.h. er unterliegt nicht der Willkür der Geschichte und ihrer zerstörerischen Mächte.
Der Abschnitt, dem die heutige Lesung entnommen ist, setzt sich mit der Öffnung des sechsten Siegels auseinander. Es betrifft die Geschichte der Gegenwart. Es gibt die vielfältigen Kräfte, denen große Macht zur Zerstörung gegeben ist.
Zugleich setzt die große Rettung ein. 144 000 – es ist die Zahl für unzählbar; eben 144 000 sind mit dem Siegel gezeichnet, aus allen Stämmen Israels, die gerettet werden. Aber nicht nur das, sondern festgehalten wird ferner, dass aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen Gerettete hinzukommen, die niemand zählen konnte. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder, in Festkleider. Man kann es leicht überlesen, dass sie gekleidet vor Gott und dem Lamm stehen. Sie – die Fremden, die Andersgläubigen, die Außenseiter … – sind nicht entblößt oder bloßgestellt, sie sind gekleidet, in ihrer Würde bewahrt.
Es wird dann gesagt, dass sie aus der Bedrängnis kommen und ihre Gewänder gewaschen und im Blute des Lammes weiß gemacht wurden. Es ist ein Bild für die Opfer von Gewalt, Krieg und Terror, für jene, die ein blutiges Martyrium erlitten haben. Sie stehen vor dem Thron und dem Lamm. Mit diesem Bild wird nicht nur gesagt, dass man ihr Leben nicht zerstören konnte, sondern die Offenbarung des Johannes hält damit auch fest, dass die Opfer von Gewalt als vor dem Thron Stehende die Geschichte bestimmen. Jedes (politische) System, das Gewalt anwendet, hat ein Ablaufdatum.
Amen, Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit. Amen. Solches gebührt unserm Gott, nicht etwa dem römischen Kaiser, der sich als Gott oder Halbgott verehren lässt.
Amen, Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit. Wir hörten am vorletzten Sonntag den Satz von Jesus: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Mt 22,21). Oft erwarten wir von Gott, dass er stark und mächtig ist. Wir sind aber auch gerufen, ihm Stärke und Macht zu geben.