Der Stab der Verantwortung 1. Lesung: Am 7,12-15| 2. Lesung: Eph 1,13-14| Evangelium: Mk 6,7-13
„Nehmt nichts mit auf den Weg, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd außer einen Wanderstab und Sandalen an den Füßen.“ Für einen Urlaub eine wenig geeignete Ausrüstung, da werden die Koffer und Autos gefüllt. Selbst Pilger, die den Jakobsweg gehen, werden mehr als diese Apostel auf den Weg mitnehmen.
Das Evangelium mag wertvolle Impulse selbst für das Unterwegssein im Urlaub haben, aber noch mehr für das auf dem Weg sein als Glaubende überhaupt.
Im Markusevangelium sagt Jesus, nehmt einen Wanderstab mit. Matthäus und Lukas dagegen berichten, dass sie nicht einmal diesen mitnehmen sollen. Der Verzicht auf den Stab will besonders die Friedfertigkeit der Sendung unterstrichen, den man zur Abwehr von wilden Tieren oder eventuell auch in einem Streitfall verwenden konnte.
Welche Bedeutung dieser Wanderstab auch hat, erschließt sich im Rückblick auf Moses. Er ist mit dem Stab unterwegs. Mit diesem Stab geht er im Schilfmeer voran (Ex 14,15ff). Als das Volk in der Wüste 3 Tage Durst hatte, wirft er den Stab ins Wasser, um es genießbar zu machen (EX 15,22ff). Als Moses berufen wird, hat er zunächst Einwände gegen Gott, das Volk herauszuführen: Die Menschen werden ihm nicht glauben, der Pharao wird das Volk nicht ziehen lassen. Darauf antwortete ihm der Herr: „Wirf deinen Stab zur Erde!“ Mose warf ihn auf die Erde und er wurde zur Schlange, dann sprach der Herr wieder: „Fasse sie am Schwanz!“ Da packte er die Schlange und sie wurde wieder zu einem Stab. (Ex 4,1ff).
Mose weigert sich hier zunächst Verantwortung zu übernehmen, den Stab der Verantwortung zu tragen. Wenn in einer Gemeinschaft, Gruppe oder Gemeinde niemand leitende Verantwortung übernimmt, ergibt sich eine nicht mehr tragbare, vergiftete Atmosphäre. Es braucht jemanden, der mit Verantwortung, mit dem Stab vorangeht. Nachdem Mose die Schlange am Schwanz gepackt hatte, verwandelt sie sich wieder in einen Stab, mit dem er dem Volk führend und leitend vorangehen kann.
Jesus sendet seine Jünger aus ausgerüstet mit einem Stab und sonst nichts. Ich sehe darin zwei wichtige Haltungen, die sie auf den Weg mitnehmen sollen: Vertrauen und Verantwortung.
Es braucht viel Vertrauen, ohne Vorratstasche und Geld, ohne Brot und ohne zweites Hemd auf dem Weg zu sein, Vertrauen zu haben, dass ich versorgt werde, dass Menschen mir das Nötigste zum Leben geben werden. Weiter: Ohne Geld. Ich kann nicht mit Geschenken und verlockenden Angeboten die Botschaft hinüberbringen, allein meine Person ist gefragt, meine Person in aller Begrenztheit. Die frohe Botschaft hat allein in einer Atmosphäre des Vertrauens eine Chance.
Vertrauen haben, Vertrauen in die Menschen, Vertrauen in die Zeit, Vertrauen in die Zukunft, Vertrauen in das Leben, in die Kinder, in den Gast, in den fremden Menschen … In einer Atmosphäre, in der Vertrauen ist und Vertrauen geschenkt wird, kann viel wachsen, können Menschen sich verändern und heil werden. Vertrauen öffnet Herzen, schenkt Mut und Kraft, nimmt das Evangelium Gestalt an.
Jesus gebietet die Jünger einen Stab mitzunehmen. Er überträgt ihnen Verantwortung, obwohl sie noch nicht allzu lang miteinander auf den Weg sind. Sie haben nicht Theologie studiert. Sie haben keine Rhetorikausbildung. Wie der weitere Verlauf des Evangeliums zeigt, sind sie als Glaubende alles eher als fertig oder gar perfekt, dennoch überträgt er ihnen Verantwortung. Obwohl noch unfertig haben sie die Vollmacht, Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen.
Vollmacht für die Unfertigen, Verantwortung für die Unfertigen bleibt eine Herausforderung für Menschen jeder Zeit, auch für uns. Bei vielen ist das Gefühl vorhanden, ich kann für das Reich Gottes, für die Frohe Botschaft, für das Evangelium keine Verantwortung übernehmen, weil es mir an Vielem noch fehlt. Dass es an Vielem fehlt, mag stimmen, trotzdem gilt es diesen Stab in die Hand zu nehmen. Erst wenn ich Verantwortung übernehme, werde ich diese (Voll)Macht entdecken, die mir Gott ins Leben mitgegeben hat, Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen. Erst wenn ich Verantwortung übernehme, werde ich zur Botschaft, werde ich zum Glaubenden, werde ich etwas von der Kraft spüren, mit der Gott wirkt, auch durch mich wirken will. Erst wenn ich Verantwortung übernehme werde ich mehr und mehr von der Bedeutung und Tiefe der Botschaft selbst begreifen.
Das Evangelium legt uns zwei Haltungen nahe, mit denen wir uns auf dem Weg machen sollen: mit Vertrauen und Verantwortung.
Der Auftrag, den Jesus mitgibt: Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen. Fridolin Stier übersetzt die Dämonen mit „Abergeister“. Es sind jene Geister, die wir oft genug in uns kennen, die mit der Angst des Abers unser Leben klein und eng machen, die viele Dinge halbherzig und oft unbegründet schwer werden lassen, die in eine Bewegung des Hin und Her ohne Ziel führen und damit die Freude am Leben nehmen. Gegen diese „Abergeister“ tretet mit Vollmacht auf.
Der zweite Auftrag, den sie mitbekommen: heilt! Sie haben nicht den Auftrag, die Menschen zu Jesus zu bringen, sondern sie zu heilen. Menschen heilen von ihren Ängsten und Sorgen, von ihren Zweifeln und Verzweiflungen, Unversöhntes und Neid, von Trauer und Missmut, dazu sind wir von Jesus ausgesandt. Von den Jüngern heißt es, dass sie viele heilten, sie heilten weder alle Menschen noch alle Krankheiten. Es ist keine Zauberei. Es hat zu tun mit Zuwendung, mit Beziehung und sich darauf einlassen und mit Glauben. In diesem Rahmen kommt die Macht Gottes zum Tragen.
Ein letzter Gedanke: Zu jenen, die er aussendet, sagt Jesus: Wenn man euch nicht aufnimmt, geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen. Ihr müsst niemanden zwingen oder zu etwas überreden. Wenn man euch nicht aufnimmt, geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füssen. Den Staub von den Füssen schütteln ist Bild dafür, dass man nicht Frust, Enttäuschung, Bitterkeit, Zorn oder gar Rachegefühle … mit nimmt. Solches darf man zurück lassen, abschütteln. Geht weiter, wohl im Sinne wie es Papst Franziskus sagt: das Evangelium verkünden ist eine Freude teilen. Bleibt mit der Freude am Evangelium auf dem Weg.
Ein Kommentar zu “Der Stab der Verantwortung 1. Lesung: Am 7,12-15| 2. Lesung: Eph 1,13-14| Evangelium: Mk 6,7-13”
Der Stab der Verantwortung
Die Geschichte könnte so leicht ins Ohr gehen: Da werden die Jünger ausgesandt, sie machen ihre Erfahrungen mit Erfolg und Mißerfolg und am Ende ist alles gut. Heile Welt! Aber da steckt mehr drin als das, was wir auf den ersten Blick lesen. Vielleicht ist es aufrüttelnder, als uns lieb ist, weil es uns Fragen stellt und zeigt, wie sehr wir selbst damit gemeint sind.
Zunächst: Es werden je zwei Jünger ausgesandt. Keiner muss alleine gehen. Aber es sind auch nicht mehr als zwei. Es sollen sich keine Cliquen bilden, keine Abspaltungen von Besserwissern. Und bei uns: Wieviele fühlen sich alleine mit ihrem Glauben im Alltag? Auf andere zugehen damit? Lieber nicht – Privatsache! Aber zwei?, die können sich einander stützen. Keiner genügt sich selbst. Finden wir einen Zweiten, der mit uns geht auf dem Glaubensweg?
Und dann: Es kommt auf das Zeugnis in Wort und Tat an. Nur frommes Reden genügt nicht, blinder Aktionismus auch nicht: Predigen mit Worten und Heilen gehören zusammen. Erfolg ist: wenn das Wort Gottes den Menschen so anrührt, dass er daraus die Kraft zum Handeln zieht. Erfolg ist auch, wenn Gott denjenigen tief im Innern ansprechen kann, der sich in seinem Namen auf den Weg macht, immer wieder neu. Und schließlich: wenn Gott dazu auffordert, nicht mehr mitzunehmen als nötig, dann fordert er damit unbedingtes Gottvertrauen. Was bedeutet das, sich nicht einzurichten im Hier und Jetzt; sich nicht an Positionen und Titel klammern. Das ist viel radikaler, als wir denken. Es ist aber keine Weltflucht und keine Vertröstung auf den St.Nimmerleinstag. Schon jetzt können wir damit beginnen: jeden Tag einen Schritt weiter. Die Umkehr beginnt bei uns. Ob wir das wirklich wollen?