Die Ehre Gottes 1. Lesung: Jes 55,10-11| 2. Lesung: Röm 8,18-23| Evangelium: Mt 13,1-23
Es ist ein herrlicher Ausblick des Propheten Jesája auf das zukünftige Jerusalem. Er prophezeit dem Volk Israel aber zuerst eine bittere Entwicklung bis hin zur Vorhersage des Exils in Babylon. Er hofft, dass zumindest ein kleiner Teil das Exil überleben und sich dann wieder als ein starkes Volk erheben wird. Nach all der Mühsal sieht er Gott und Volk wiedervereint in Jerusalem – am Zion. Dieses neue Jerusalem zeichnet sich insbesondere durch einen Umstand aus: alle Menschen sollen dorthin eingeladen sein. Der heutigen Textstelle geht eine Hinführung voran: „Ihr werdet Leute herbeirufen, die ihr nicht kennt. Und Leute, die euch nicht kennen, kommen herbei. So will es der Herr, euer Gott, der Heilige Israels. Er lässt euch diese Ehre zuteilwerden“ (Jes 55,5 – Übersetzung der Basisbibel).
Hier wird etwas als Ehre beschrieben, was wir heute ganz anders wahrnehmen. Auch wir – gerade in Vorarlberg – haben Leute herbeigerufen, die wir nicht kannten. Wir haben für unsere Textilindustrie im ehemaligen Jugoslawien und in der Türkei ArbeiterInnen angeworben und es sind Menschen gekommen, die bleiben wollten. Im Buch Jesaja wird jenen Menschen, die kommen zugerufen: „Auf, ihr Durstigen, hier gibt es Wasser! Auch wer kein Geld hat, kann kommen. Kommt, kauft euch zu essen! Kommt und kauft ohne Geld. Wein und Milch – sie kosten nichts“ (Jes 55, 1).
Vor den Türen Europas warten Menschen auf der Flucht vor Elend und Krieg auf Einlass. Einige von ihnen wagen die Fahrt über das Mittelmeer und ertrinken. Papst Franziskus bezeichnete das Mittelmeer als größten Friedhof Europas. Das, was die Bibel uns als herbeigerufene und als herbeikommende Menschen beschreibt, nennen wir heute MigrantInnen und AsylwerberInnen. Um das, was in der Bibel als Ehre bezeichnet wird, gibt es derzeit ein politisches Feilschen. Nun ist mir durchaus bewusst, dass die Bibel kein klassisches politisches Programm ist und das zukünftige Jerusalem nicht Europa. Auch die Bibel, ja selbst Gott weiß um die Unterschiede: „Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege. Wie weit entfernt ist doch der Himmel von der Erde! So fern sind meine Wege von euren Wegen und meine Pläne von euren Plänen“ (Jes 55, 8).
Soll man die Texte der Bibel deshalb gleich als unbrauchbar abtun? Sie eignen sich sicher nicht als tagespolitische Agenda, aber sie können uns Orientierung im Dickicht eines politischen Schlamassels geben. Wir haben uns festgefahren. Migration brauchen wir, damit wir unseren Lebensstandard halbwegs erhalten können, damit auch zukünftig Pensionen gesichert sind bzw. damit unsere Wirtschaft überhaupt weiter existieren kann. Mit der Aufnahme von Flüchtlingen kommen aber einzelne europäische Staaten an das Limit, was organisatorisch und menschlich bewältigbar ist. Wir schaffen es nicht, einerseits für herbeigerufene und andererseits herbeikommende Menschen einen brauchbaren Rahmen im Sinne einer Migrations- und Asylpolitik zu schaffen. Wir werden nicht alle Menschen, die kommen möchten aufnehmen können, aber sie einfach im Mittelmeer ertrinken zu lassen darf keine Alternative sein. Es kann aber auch keine Alternative sein, Kinder und Frauen vor der europäischen Grenze ein halbes Jahr in gefängnisähnlichen Zuständen hausen zu lassen. Gereicht uns das zur Ehre?
Dieses Europa, in dem wir leben dürfen, ist eine der reichsten Regionen der Welt. Die europäische Union konnte entstehen, weil einige christliche PolitikerInnen nach den Gräueln des zweiten Weltkrieges den Traum eines friedlichen Europas hatten. Gilt es nicht derzeit, davon zu träumen, Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen? Zum fünfjährigen Jubiläum des Bibellabors hatten wir einen deutschen Priester als Gastreferenten eingeladen, der in einem Township Südafrikas arbeitet. Er kam in den vielen Jahren seiner Tätigkeit zu dem Ergebnis, dass die Menschen gerne an ihrem Heimatort bleiben möchten. Es ist nicht das Streben nach dem Paradies, das sie wegtreibt, sondern menschenunwürdige Lebensbedingungen vor Ort. Sie möchten gerne bei ihrer Familie, ihren Nachbarn und Freunden bleiben, aber zu Bedingungen, die aushaltbar sind.
Es wird als Ehre Gottes beschrieben, dass Menschen aus allen Völker in das neue Jerusalem kommen. Auch wenn wir uns als Gesellschaft am Rande der Kapazitäten fühlen, gibt es nicht Möglichkeiten, diesen Menschen auf andere Weise ein würdevolles Leben zu ermöglichen? Österreich hat in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive die Entwicklungsgelder gekürzt, obwohl es seit 2022 wieder Erhöhungen gibt, liegen wir immer noch unter dem OECD-Durchschnitt.
Man könnte daran verzweifeln oder aber Initiative ergreifen, wie es vom Propheten Jesaja beschrieben wird. Er ist durchaus Realist. Er erwartet nicht den ganz großen Wurf. Er erkennt, dass Nachhaltigkeit, kleine Anregungen und Initiativen nicht fruchtlos bleiben: „Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten. So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen. Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot. So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht. Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will“. Oft sind Initiativen mühevoll, sie wollen nicht gleich keimen, geschweige denn Frucht zeigen. Es bedarf einer großen Ausdauer. Sie bleiben aber nicht ohne Wirkung. Sie machen aufmerksam, bringen Menschen zum Nachdenken, zwingen zum Innehalten, Bereichern und Ermutigen.
In der Taufe wurden wir alle zu Prophetinnen und Propheten gesalbt. Wir dürfen in der Gesellschaft unseren Beitrag leisten, indem wir auch unangenehme Dinge beim Namen nennen, uns zu einer Meinung bekennen, Überzeugungen vertreten, unsere Stimme nicht hintanhalten, diskutieren, Dialoge und Austausch pflegen und nicht müde werden auszusähen, denn wir können nie wissen wo der Samen landen und wo er auskeimen wird. Wir können nicht die Welt verändern, aber wir dürfen darauf hinweisen, dass herbeigerufene und herbeikommende Menschen ein Recht auf einen würdevollen Umgang haben.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
2 Kommentare zu “Die Ehre Gottes 1. Lesung: Jes 55,10-11| 2. Lesung: Röm 8,18-23| Evangelium: Mt 13,1-23”
Hallo Erich
wer immer den Kommentar zum Lesungstext verfasst hat, kann ich nur einen herzlichen Dank und Anerkennung ausdrücken. Ich habe es in den letzten Jahren vermisst, dass die KIrche und die Priester zu der österreichischen und europäischen Migration und Alyspolitik in der Form des heutigen Kommentrs Stellung bezieht.
Das ist ein höchst bemerkenswerter Text. Ich werde ihn dem “Vorarlberger Kirchenblatt” empfehlen. Die Ansicht von Herrn Ferdinand Mayer kann ich nur doppelt unterstreichen. Die “Kirche” allerdings, ist in meinen Augen VOR allem das “Volk Gottes” (zu dem die Priester auch gehören) das “die Kirche” ausmacht. Dass große Teile des Gottesvolkes (im Sinne des 2. Vatikans) und der Bischöfe in keiner Weise die ziemlich eindeutige Stellung von Papst Franziksus zur Migration und Asylpolitik (in A und in EU) POLITISCH unterstützt haben, ist enttäuschend und lässt so die Realität erkennen: Mit der “Kirche” ist kaum zu rechnen, wenn es um gesellschaftliche Konflikfelder geht …