Die Taborerfahrung als Wendepunkt 1. Lesung: Jes 55,1-3| 2. Lesung: Röm 8,35.37-39| Evangelium: Mt 14,13-21
Jesus befindet sich mit seinen Jüngern in Cäsarea Philippi und geht mit drei seiner Jünger auf einen hohen Berg. Es ist geographisch der nördlichste Punkt seines Wirkens. Es ist gleichzeitig ein Wendepunkt in der Verkündigung. Von nun an geht es nach Süden, nach Jerusalem. Bisher lag der Schwerpunkt auf der Ankündigung des Reiches Gottes. Nun spricht er vermehrt vom Leiden. Er verschärft auch den Ton gegen seine Widersacher, gegen Schriftgelehrte, Pharisäer und andere Gruppen. Der Weg wird für ihn immer einsamer, aber nicht weniger entschieden.
Erste Anhänger verlassen ihn. Die anfängliche Begeisterung schwindet. Die Feindschaft gegen ihn wird offener und steigert sich. Wir erkennen in all diesen Vorgängen, wie Jesus selbst ein Suchender ist. Er reagiert auf die sich ihm stellenden Herausforderungen.
Deutlich wird im Ereignis der Verklärung, dass die großen Propheten – Mose und Elija stehen dafür – für Jesus wegweisend bleiben. Er orientiert sich weiter an ihnen. Nicht Erfolg oder Zahlen sind für Jesus die Fragen, sondern seine Themen sind: Was ist der Wille Gottes? Wie kommt das Heil zu den Menschen? Er kämpft dabei nicht so sehr mit den „Gottfernen“, sondern mit denen, die die Religion verwalten, den Schriftgelehrten, Pharisäern und der Priesterschaft.
Die Erfahrungen bei der Verklärung haben einen Bezug zur Versuchungserzählung: Bei der dritten Versuchung führt der Teufel Jesus auf einem hohen Berg, zeigt ihm alle Reiche der Welt und verspricht ihm: Alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Jesus antwortete damals: Weg mit dir, Satan! Die Schrift sagt: „Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen.“
Hier ist Jesus auf einem hohen Berg. Er ist aber nicht in der Rolle, dass ihm alles gehört, sondern in der Rolle eines verletzlichen Menschen zu dem Gott sagt: an dir habe ich Gefallen gefunden; auf ihn sollt ihr hören.
Vielleicht sind wir als Kirche, als Glaubende noch zu sehr in der Rolle der Macht, der Privilegien und suchen Gott zu wenig in den verletzlichen Menschen, zu fern jenen, die heute menschlich und seelisch unter die Räder kommen. Es sind für Christen unerträgliche Bilder: hohe Mauern oder Stacheldrahtzäune gegen Not, von der EU finanzierte Pusch-Backs, die nicht nur Gewalt, sondern auch den Tod in Kauf nehmen. Daneben besteht der Ruf nach Fachkräften, aus Entwicklungsländern eingeschlossen. Diesen Ländern wird die kostspielige Ausbildung zugemutet. Es wirkt zynisch, wenn man weiß, dass Österreich als eines der reichsten Länder der Welt die 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) als Beitrag zur Entwicklungshilfe nicht erfüllt. Laut Vorausmeldung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betrugen die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen Österreichs 2022 rund 1,762 Milliarden Euro, das entspricht einer Quote von 0,39 Prozent.
Jesus geht mit drei Jüngern auf einen hohen Berg, nicht, weil er der Herr über alle Reiche der Welt sein will, sondern weil er bei den großen Propheten jenen Weg sucht, der den Menschen Würde und Freiheit ermöglicht. Es schließt ein, dass dieser Weg für ihn Leiden bedeutet.
Diese Taborerfahrung ist für alle Betroffenen ein Wendepunkt. In Bildern wird versucht, ihre Erfahrungen zu deuten und verständlich zu machen. Wir können heute manches nur ahnen, was da vor sich gegangen ist. Ein möglicher Zugang ist, dass Jesus mit diesen drei Jüngern intensiv über die Situation, sein mögliches Schicksal gesprochen hat und dies auf dem Hintergrund der Thora und Propheten diskutierte. Für diese drei Jünger erscheint Jesus dadurch in einem ganz neuen Licht.
Sie werden bzw. sind so sehr betroffen, dass es bei ihnen große Angst auslöst. Es heißt: Sie warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Sie können – vielleicht wollen – sie die Wahrheit nicht sehen, nicht aushalten. Sie wirken wie gelähmt. Handlungsunfähig.
Die Wahrheit nicht sehen wollen, weil das Gefühl der Überforderung besteht. Wer kennt das nicht? Sei es in der Familie, im Beruf oder bei gesellschaftlichen Herausforderungen.
Die Wahrheit nicht sehen wollen, davor ist die Kirche – wir Gläubige – nicht gefeit. Die Kirche ist keine Wohlfühlorganisation, die die Wünsche der Menschen zu erfüllen hat. Glaubende Menschen stehen in der Nachfolge Jesu, die in der prophetischen Tradition stehen. Es ist Widerstand gegen jede Unmenschlichkeit. Es ist Widerstand gegen den Missbrauch der Religion, um etwa mit ihr Gewalt, Ausgrenzung oder Entwürdigung von Menschen zu betreiben
Matthäus schildert ein Element, das bei den anderen Evangelisten unerwähnt bleibt: „Jesus fasste die Jünger an und sagt zu ihnen: Steht auf, habt keine Angst!“ Jesus fasst die Jünger an wie an anderen Stellen, wenn es um Heilungen geht.
Steht auf, habt keine Angst! Es ist auch das Wort an uns Christen heute, die in eine ungewisse Zukunft gehen. Es ist die Zukunft Gottes, die Zukunft der Auferstehung und des Lebens allen Herausforderungen zum Trotz. Lassen wir uns von Jesus auf seinen Weg mitnehmen – den Jünger*innen gleich.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Die Taborerfahrung als Wendepunkt 1. Lesung: Jes 55,1-3| 2. Lesung: Röm 8,35.37-39| Evangelium: Mt 14,13-21”
Lieber Erich!
Es ist eine Wohltat, deine Gedanken einfließen zu lassen ins Herz und ins Gehirn. Ich bin alt und schon lange ( 59 Jahre ) im Kloster und ich bin hungrig nach klaren, verständlichen Worten. Wohin steuern wir? Du sprichst es aus. Wir leben in einem der reichsten Ländern der Welt und bringen nicht den Mut auf zum Teilen. Teilen mit den Hilfesuchenden, die zu uns kommen, teilen mit den Armen und in Not geratenen Menschen. Ich bleibe noch einige Zeit bei deiner Predigt und schicke sie andern weiter. Danke, daß du so mutig und kräftig dem Evangelium Gehör verschaffst. Sr. Hildegardis aus Innsbruck.