Ein adventlicher Mensch 1. Lesung: Mi 5,1-4a| 2. Lesung: Hebr 10,5-10| Evangelium: Lk 1,39-45
Der Advent ist mehr als die begrenzte Zeit im Kirchenjahr vor Weihnachten. Glaubende sind eingeladen als adventliche Menschen das Leben zu gestalten. Wir leben in Erwartung, wir leben auf das Kommende hin, noch mehr, der Glaubende richtet sein Leben auf den kommenden Herrn aus. Das Warten auf das Kommen – Entgegenkommen – des Herrn prägt die Grundstimmung oder Grundhaltung des Glaubenden.
Der adventliche Mensch weiß, dass vieles nicht so bleiben muss, bleiben wird oder kann, wie es ist. Er lebt auf eine Zukunft hin, die noch nicht sichtbar ist. Die Nacht wird nicht Nacht bleiben. Für Kranke bleibt eine Zukunft jenseits des Satzes, medizinisch bist du austherapiert. Für den adventlichen Menschen ist eine Krise eine vorübergehende Zeit, auch wenn er oder sie noch nicht weiß, wie es weiter gehen kann oder was kommen wird. Der adventliche Mensch orientiert sich nicht an den Hiobsbotschaften, die per Nachrichten tagtäglich ins Haus geliefert werden, sondern er orientiert sich an dem, was in die kommende Zeit hinein verheißen ist. Die Nacht wird nicht Nacht bleiben. Das erste was Gott im Schöpfungshymnus schafft, ist Licht – Licht der Hoffnung, Licht, in dem Leben möglich ist (Gen 1,3).
Es gilt die Dinge recht zu verstehen: Der adventliche Mensch ist kein Realitätsverweigerer, einer, der wegschaut, der die Nöte, das Dunkle und Bedrohende ausblendet oder nicht ernst nimmt. Im Gegenteil: Er ist ein Mensch, der hinschaut, der alles daran setzt, dass Licht ins Dunkel kommt, der die dunklen Machenschaften aufdeckt, dem das Heilsame der Wahrheit vertraut ist.
Es ist eine Frage, ob die Art und Weise wie der Advent gestaltet oder gelebt wird, zum adventlichen Menschsein hinführt? Ob nicht die Geschäftigkeit und die vielen Lichter die Dunkelheiten unserer Gesellschaft und manche Dunkelheit in den Seelen überblendet? Ob nicht die vielen Lichter und Feiern im Advent dieses Warten ermüden und abstumpfen? Der adventliche Mensch weicht den Realitäten der Nacht nicht aus, d.h. er ist einer, der sich ihnen stellt, vielleicht sie zunächst einmal einfach zulässt und aushält. Er lernt es, in der Nacht und mit den ihr verbundenen Ängsten zu leben und zu bestehen.
Die biblischen Texte dieses Sonntags zeigen verschiedene Dimensionen bzw. Haltungen auf, die für so einen adventlichen Menschen hilfreich sein können:
Eine erste: Im Kleinen ist für Gott das Große. In der Lesung ist es der Prophet Micha, der ankündigt, dass Gott den kleinen und unbedeutenden Stamm Juda erwählt, um eine neue Geschichte zu beginnen. Im Evangelium sind es die beiden Frauen aus einfachsten Verhältnissen, die ohne besonderen Hintergrund von Gott gerufen sind und mit denen er große Heils- und Weltgeschichte zu schreiben beginnt. Den kleinen Anfängen trauen, den einfachen Menschen trauen. Gott setzt mit seinem Schaffen und Wirken auf jeden und jede und ist nicht an große Namen gebunden. Im Gegenteil, die scheinbar Einflussreichen und Mächtigen stehen oft daneben, bzw. nutzen nicht ihre Möglichkeiten, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Im Kleinen ist für Gott das Große. Es ist ein bleibendes Bild: Noah beginnt eine Arche zu bauen, um der Welt, dem Kosmos Zukunft zu ermöglichen. Eine Arche, was ist das schon im großen Gefüge der Welt und des Kosmos? Dennoch war sie das Zukunftsprojekt. Es ist ein hilfreiches Bild für die Zukunft der Kirche. Sie wird in den kleinen Anfängen liegen: Da, wo Menschen, Gruppen miteinander gegen Nöte angehen, wird Kirche weiter wachsen. Wo Menschen, Gruppen miteinander Schöpfungsverantwortung leben, wird Hoffnung für eine Welt, die sich selbst in große Gefahr bringt.
Ein zweites Element: Die biblischen Texte des Advents künden kein Strafgericht Gottes an. Sie bezeugen vielmehr, dass Gott mit Menschen Neuanfänge setzt. Gott hat eine Schwäche für den Menschen, trotz seinen Unzulänglichkeiten, trotz seiner Schuld- und Sündengeschichte. Der Prophet Micha weiß um einen neuen Hirten, der das Volk einen und leiten wird. Das Evangelium erzählt von Frauen und ihren Kindern. Sie stehen inmitten von Spannungen. Die Umstände sind alles andere als optimal. Sie und ihre Partner durchleben Krisen. Gott setzt auf Kinder, niemand kann garantieren, wie sie sich entwickeln und was aus ihnen wird. Kinder tragen die Botschaft, Gott hält am Menschen fest. Er baut auf sie – auch heute.
Schließlich ein drittes: Es steckt für mich in diesem überlieferten Satz der Elisabeth: „Selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen lies“. Vermutlich wäre der Satz besser übersetzt und würde damit verständlicher, was gemeint ist: „Selig, die geglaubt hat, dass Erfüllung ist in dem, was ihr vom Herrn gesagt wurde (Lk 1,45)“.
Maria hat einen Glauben, der Gott Raum gibt; Gottes Geist soweit Raum gibt, dass er neues Leben schaffend in ihr wirken kann. Dabei sagt sie nicht einfach zu allem ungefragt Ja und Amen. Maria begegnet uns nicht als Wissende in der Heiligen Schrift, sondern als Vertrauende und Glaubende, als eine Frau, die bereit ist, ihr Leben von Gott beeinflussen zu lassen und die davon überzeugt ist: In Gottes Handeln, da ist Fülle, da liegt Erfüllung – für einen Menschen ebenso wie für die durch Jahrhunderte währende Hoffnung eines ganzen Volkes. Gott ist nicht Gegner oder Konkurrent, nein, ein Leben in seinem Willen macht groß, schenkt erfülltes Dasein, schenkt einen Frieden wie ihn die Welt so nicht kennt.
Der adventliche Mensch weiß um die Vorläufigkeit dieser Welt. Sie bleibt nicht so wie sie ist. Er ist aber nicht von der Angst geleitet, alles wird schlechter und die Zukunft wird nur dunkel sein. Vielmehr ist er von den Verheißungen geleitet, was im Willen Gottes verborgen ist, von den Plänen Gottes, der die Welt ordnet (Gen 1), der mit dem Volk auf dem Weg ins gelobte Land ist (Exodus), der im Tod die Auferstehung ahnt. Diesen Glauben finden wir bei Maria. Diesen Glauben preist Elisabet in der Begegnung mit ihr: „Selig, die geglaubt hat, dass Erfüllung ist in dem, was ihr vom Herrn gesagt wurde.“