Ein Gott für alle Völker 1. Lesung: Sach 9,9-10| 2. Lesung: Röm 8,9.11-13| Evangelium: Mt 11,25-30
Manchem biblischen Text sieht man die unmittelbaren Herausforderungen von einst und heute kaum an. Der Prophet Sacharja ist ein Querdenker seiner Zeit und hat Aktualität bis in unsere Tage. Zwei Themen seien aufgegriffen:
Da ist zunächst die Aussage, dass der königliche Heilsbringer der Zukunft als Friedensfürst kommen soll, aber wie: „bescheiden“ und „auf einem Esel reitend“? Der Esel war das Reittier der kleinen Leute, ebenso der Richter. Ein Fürst, ein König wurde damals hoch zu Ross erwartet, nicht auf einem Esel, schon gar nicht auf einem Eselsfohlen. So stellt sich sofort die Frage: Was kann man einem solchen Heilsbringer zutrauen? Sind wir von ihm wirklich gut vertreten? Kann er uns die erwartete Sicherheit geben? Und wir müssen heute weiter fragen: Was sagt uns der Prophet mit Blick auf die Ukraine, auf den Sudan, auf die Palästinensergebiete u.a., die mit Gewalt übersät sind?
Wir haben uns in der sogenannten religiösen Sprache an das Bild des friedlichen Königs gewöhnt und sind versucht, ein solches Wort nicht wirklich ernst zu nehmen. Doch Sacharja fährt fort und beschreibt, was der König tun wird. Die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem vernichten! Und: Er wird auch die Kriegsbogen vernichten! Ein Mann auf einem Eselchen gegen eine gerüstete Kriegstruppe, gegen Rosse und Streitwagen! Das soll man glauben? Und weiter der Prophet: „Er verkündet für die Völker Frieden. Seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Euphrat bis an die Enden der Erde!“
Ist das Wunschdenken oder ein schöner Traum? Ist so jemand noch geerdet, Realist oder doch Utopist? Man kann sich vorstellen, dass die Menschen hin und her gerissen waren. Manche haben geschwankt zwischen Freude, Begeisterung einerseits und Zumutung, Schock andererseits. Andere waren dagegen, konnten oder wollten diesen Vorstellungen nicht glauben.
Wir haben inzwischen Zeugnisse aus der Geschichte, in denen Menschen mit ihrer Autorität und ohne Gewalt, Gewaltsysteme zu Fall gebracht haben: Mahatma Ghandi – die Unabhängigkeit Indiens, Nelson Mandela – die Apartheit in Südafrika, Vaclav Havel – das kommunistische Regime in der ehemaligen Tschechoslowakei.
So sehr ich im Moment Verständnis aufbringe, dass die Unterstützung der Ukraine nicht nur mit humanitären Mitteln, sondern auch mit Waffen erfolgt, bleibt der Grundansatz des Propheten: Den Gewaltlosen ist die Zukunft. Es ist ein Gedanke, der in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft wenig diskutiert, geschweige gewaltloses Handeln eingeübt wurde.
Die Frage: Worauf reiten unsere „Heilsbringer“: auf den mächtigen Pferden des Populismus, der Sicherheitsgarantien, der Leugner des Klimawandels? Auf den Rossen der Gewalt und der Halbwahrheiten? Worauf reiten wir selbst? Hoch zu Ross, mächtig, oder: vielleicht auf einem Eselsfohlen, demütig, andere achtend?
Jesus hat sich für diesen letzteren Weg entschieden und dieser ist der Hintergrund der Gedanken des Evangeliums: Den scheinbar Weisen und Klugen dieser Welt bleibt es verborgen. Den scheinbar Unmündigen ist es geoffenbart. Und weiter: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch – der Gewaltlosigkeit – auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig.
Die Gewaltlosigkeit in seiner letzten Konsequenz ist vermutlich ohne das Kreuz nicht zu denken, dem Vertrauen auf den rettenden Gott.
Der Prophet Sacharja hat noch ein zweites Thema: Israel hat Jahwe verehrt, ihren Schöpfergott, auch jenen Gott, der sie aus Ägypten geführt hat. Für sie war es kein Problem, dass die anderen Völker ihre eigenen Götter hatten.
Sacharja spricht aber nun davon, dass Jahwe ein Gott für alle Völker sei. Das „Alle“ ist neu und von zentraler Bedeutung. Dieses „Alle“ ist noch nicht der Auftrag, allen Völkern ihren Gott – Jahwe – zu verkünden, sondern es nimmt Israel in die Verantwortung. Gottes Heilspläne betreffen nicht nur Israel, sondern eben alle Völker. Gott ist nicht ihr Privateigentum, ihr Besitz über den sie verfügen könnten. Gott macht Israel mitverantwortlich, dass auch sie an anderen Völkern Heil wirken. Und zugleich muss es zur Kenntnis nehmen: Gott wirkt an anderen Völkern auch ohne das Zutun Israels.
Der Prophet weitete das Heilsverständnis auf „alle Völker“ aus. Der Prophet sprach es in eine fordernde Zeit, in der für manche Israel unterzugehen schien. Diesen Blick auf das Ganze nicht zu verlieren ist eine Herausforderung für eine Kirche, in der das Gefühl besteht, wir werden weniger und weniger.
Der Glaube an den Gott Jesu führt uns in die Mitverantwortung, in die Solidarität mit allen. Jesus verwendet im Evangelium selbst nochmals dieses „Alle“: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“. Den Menschen Lasten abnehmen, Hunger stillen, für Menschenrechte und Gerechtigkeit eintreten, soweit es jeder und jedem möglich ist, eröffnet den Seelen Ruhe und ist bereits auch ein Anfang des Friedens.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Sachárja anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Ein Gott für alle Völker 1. Lesung: Sach 9,9-10| 2. Lesung: Röm 8,9.11-13| Evangelium: Mt 11,25-30”
Lieber Erich,
Vielen Dank für Deine sehr guten Gedanken.
Ich bin bei Realist/ Utopist hängengeblieben. Utopia ist wörtlich etwas, das keinen Ort hat. U-Topos.
Jesus war mehr ein Eu-Topist, einer der einen guten, fröhlichen Ort schafft.
Eu-Topia ist immer jetzt, in diesem Augenblick.