Ergreife das ewige Leben 1.Lesung: Am 6,1a.4-7| 2.Lesung: 1 Tim 6,11-16| Evangelium: Lk 16,19-31
Der erste und zweite Brief an Timotheus sowie der Titusbrief sind sogenannte Patoralbriefe. Sie richten sich an pastorale Mitarbeiter mit dem Anliegen, dass sie die gesunde Lehre verkünden sollen, wobei diese nicht genauer beschrieben oder definiert ist. Vermutlich richtet sie sich gegen die Gnosis, die am Übergang vom ersten zum zweiten Jahrhundert aufkam und mit der christlichen Lehre nicht zu vereinen war.
Gnosis bedeutet Erkenntnis im allgemeinen Sinne und bezeichnet ein religiöses esoterisches Wissen, das die Gnostiker, zu denen christliche, jüdische, aber auch heidnische, hellenistische Intellektuelle gehörten, nach eigenem Verständnis von der übrigen Menschheit abhebt. Sie meinten über ein elitäres, für normale Menschen verborgenes Sonderwissen zu verfügen. Die Leiblichkeit wurde gegenüber dem Geist abgewertet. So war in ihren Augen Jesus kein wahrer Mensch, er habe einen „Scheinleib“ gehabt.
Der Brief ermahnt Timotheus an der „gesunden Lehre“ (Vgl. 1 Tim 1,10; 6,3) festzuhalten. Für die Glaubwürdigkeit der Verkündigung trägt vor allem das glaubwürdige Zeugnis der Verkündenden bei. So wird im Abschnitt, der der Lesung vorausgeht, vor einer Frömmigkeit gewarnt, die auf irdischen Gewinn abzielt (Vgl. 1 Tim 6,5f). Nahrung und Kleidung sollen dir genügen. Der Autor hält fest: „Die Wurzel aller Übel ist die Habsucht“ (1 Tim 6,10).
Daher kommt die Mahnung an Timotheus: „Du aber, ein Mann Gottes, flieh vor alldem! Strebe vielmehr nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut!“ Es ist eine Aufzählung von Grundhaltungen für eine leitende, pastorale Person. Beachtenswert scheint mir, dass das Streben nach Gerechtigkeit als erstes genannt wird. Den Menschen gerecht werden, ihnen Gerechtigkeit und Recht zukommen zu lassen, wird als vorrangige Aufgabe der Verkündigung dargestellt.
Solches ist zu bedenken, wenn wir den Begriff „Mission“ in den Mund nehmen oder von Missionierung sprechen. Solches ist zu bedenken, wenn Parteien oder politische Kräfte sich mit ihrem Programm auf das Christentum berufen wollen. Vorrangiges Anliegen kann dann nur sein, den Menschen in ihrer Situation gerecht zu werden, ihnen Recht und Würde zukommen zu lassen.
Einen anderen Aspekt, den Paulus an Timotheus schreibt, lautet: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist …“ Ergreife das ewige Leben – damit verbindet sich eine Zusage und ein Auftrag:
Es ist zunächst die Zusage, dass der Glaube an Jesus Christus und die Nachfolge einen Menschen in eine neue Qualität von Leben führt. Ewiges Leben ist ein Qualitätsbegriff und kein Quantitätsbegriff. Ein endloses, langweiliges und fades Leben käme einer Katastrophe gleich. Ergreife das Leben in Fülle mit all den Schattierungen und der Buntheit. Ergreife es als Geschenk. Suche in allem Gott. Sei dankbar für alles Unerwartete, Überraschende und alle Zuwendungen.
Es ist zugleich ein Auftrag. Ergreife das ewige Leben. Lass jene Dinge weg, die dem Leben Sinn und Würde entziehen, die es abstumpfen und banalisieren. Es geht um Gewichtung. Wofür wird die kostbare Zeit verwendet? Ergreife das ewige Leben. Das Gegenteil davon wäre: die Zeit totschlagen. Dafür ist das Leben zu kostbar.
Diesen Gedanken möchte ich mit einem dritten Aspekt der Lesung in Verbindung bringen. Der Autor hält fest: „Ihm – Gott – gebührt Ehre und ewige Macht“. Die Aussage wirkt wie eine Selbstverständlichkeit, die wohl niemand von uns in Frage stellen möchte. Und dennoch ist sie eine spirituelle Herausforderung. Gott gebührt Ehre und ewige Macht.
Despoten – damals wie heute – fordern Verehrung ein und die Anerkennung ihrer Macht. Gegen jene, die solches in Frage stellen, gehen sie in den meisten Fällen vor. Sie arbeiten mit Druck, Diffamierungen, Strafen, Ausgrenzungen und Ähnliches. Kritiker werden möglichst mundtot gemacht. Es lässt bei vielen Ängste wachsen.
Ihm – Gott – gebührt Ehre und ewige Macht. Es ist das Statement gegen jegliche Idol Bildung. Christen sollen und müssen niemanden als Gott verehren. Jede menschliche Macht ist begrenzt. Und: Wir dürfen jede menschliche Macht begrenzen. Es gibt gegenwärtig politische Entwicklungen, die Ängste auslösen. Ohne ausführlicher auf das Phänomen Angst einzugehen ist festzuhalten, dass man Ängste nicht einfach abschaffen oder beiseiteschieben kann. Man kann sie aber steuern und begrenzen.
Keine angstmachende Kraft oder Bewegung steht über dem Lebendigen. Vielleicht ist es ein möglicher Weg, solchen Kräften und Bewegungen nicht mehr Raum als notwendig zu geben, das heißt, die Zeiten zu begrenzen, in denen sie das Denken, die Gesprächsthemen oder das Tun bestimmen.
Ihm – Gott – gebührt Ehre und ewige Macht. In der Anerkennung seiner Ehre und im Wissen um seine Macht dürfen wir die Nachrichten hören, das Geschehen in der Welt einordnen und unseren Weg gehen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Amos anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an Timótheos anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Ergreife das ewige Leben 1.Lesung: Am 6,1a.4-7| 2.Lesung: 1 Tim 6,11-16| Evangelium: Lk 16,19-31”
Was kann ich tun?
Durch Meditation höre ich Gott und den Menschen zu, ich begegne Ihnen dadurch. Ich wäge ab, ob ich geduldig bin oder nervös, überheblich bin oder demütig, lüge oder die Wahrheit sage, etwas besonderes bin oder natürlich bin,
geizig bin oder weise, Furcht habe oder mutig bin, verschwenderisch bin oder mich nüchtern freue, zerstörerisch bin oder klar Stellung beziehe, träge bin oder Taten vollbringe. Durch mein Bewusstsein entscheide ich mich fürs ewige Leben oder fürs Sterben. Nur Gott allein gebe ich Ehre und Macht.
Vielen Dank für die Texte