Friede und Brüderlichkeit 1. Lesung: Ijob 7,1-4.6-7| 2. Lesung: 1 Kor 9,16-19.22-23| Evangelium: Mk 1,29-39
Am 4. Februar 2019 unterzeichneten Papst Franziskus und der Großimam von Al-Azhar, Ahmed Al-Tayeb, die Erklärung von Abu Dhabi, ein Dokument von großer Bedeutung für den Dialog zwischen Christen und Muslimen. Es war die erste Reise eines Papstes auf die Arabische Halbinsel in der Geschichte der Kirche. Seit 2020 gilt dieser Tag als Tag der Geschwisterlichkeit aller Menschen. Aber nicht deshalb, weil sich die beiden Religionsgemeinschaften dazu entschlossen hätten, sondern weil die Generalversammlung der Vereinten Nationen dazu einladen wollte, dieses historischen Tages auch zukünftig zu gedenken und die Botschaft des Dokuments in Erinnerung zu halten.
Es mag Fügung sein, dass der 4. Februar dieses Jahr auf einen Sonntag fällt und gerade dazu eine wesentliche Passage aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther gelesen wird. Paulus behandelt darin eine Reihe von Fragen und Streitpunkten der Gemeinde in Korinth. Aus dem heutigen Text können einige Haltungen herausgefiltert werden, die sich auch im „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ finden. Zwei Religionsführer scheinen eine Aktualisierung des paulinischen Zugangs vorgenommen zu haben.
Paulus war ein „gewaltiger“ Verfechter seines ursprünglich jüdischen Glaubens. Er war zumindest an der Steinigung des Stephanus indirekt beteiligt. Seine Bekehrung war traumatisch. Er fiel vom hohen Ross seiner gewalttätigen Glaubensüberzeugungen. Auch als jüdischer Christ war er in der Verkündigung immer noch sehr leidenschaftlich. Paulus muss ein hitziges Gemüt gehabt haben, das er aber zu zügeln lernte. Er stritt für die Sache Jesu, aber ohne Gewalt.
Das Dokument von AbuDhabi verweist darauf, dass es gemeinsame transzendente Werte der unterschiedlichen Religionen gibt, die es ermöglichen, im und durch den jeweiligen Glauben im „anderen einen Bruder zu sehen, den man unterstützt und liebt“.
Paulus beschreibt zur Verkündigung einen demütigen Zugang, auch wenn das Wort nicht explizit genannt wird. Verkündigung sieht er als anvertrauten Dienst. Es geht nicht um Macht – nicht einmal dann, wenn man zutiefst überzeugt vom eigenen Glauben ist – so hält Paulus fest: „Dass ich (…) keinen Gebrauch von meinem Anrecht aus dem Evangelium mache“. „Im Namen Gottes und all dieser erklären Al-Azhar al-Sharif (mit den Muslimen von Ost und West) und die Katholische Kirche (mit den Katholiken von Ost und West) gemeinsam, dass sie die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab annehmen wollen“. Wenn wir diese Zeilen lesen, erkennen wir, dass wir uns gerade in einer schwierigen Umsetzungskrise befinden.
Es ist bezeichnend und herausragend, welcher Personenkreis zur Mitarbeit an der Umsetzung aufgerufen wird. Es sind nicht einfach nur die Gläubigen der eigenen Religionsgemeinschaften, nein es werden explizit Kreise eingeladen, in welchen Agnostiker oder stark religionskritische Menschen beheimatet sind: „Wir rufen die Intellektuellen, die Philosophen, die Vertreter der Religionen, die Künstler, die Medienleute und die Kulturschaffenden in der ganzen Welt auf, die Werte des Friedens, der Gerechtigkeit, des Guten, der Schönheit, der menschlichen Brüderlichkeit und des gemeinsamen Zusammenlebens wiederzuentdecken, um die Bedeutung dieser Werte als Rettungsanker für alle deutlich zu machen und sie möglichst überall zu verbreiten“. Papst und Imam erkennen, dass sie bei der Umsetzung nicht unbedingt auf die Traditionalisten in den eigenen Reihen bauen können, sondern weltoffene kritische Geister, hier die Vorreiterrolle übernehmen müssen. Frieden und Brüderlichkeit sind zivilgesellschaftliche Projekte, wo es alle Kräfte braucht.
Das Dokument beschreibt weiter den „Wert des gegenseitigen Kennens“. Der Austausch und der Dialog der Kulturen sei gegenseitig bereichernd, dabei sei es aber wichtig, „den religiösen, kulturellen und historischen Unterschieden Aufmerksamkeit zu schenken“.
Paulus war auch als jüdischer Christ immer noch ein Eiferer und Hitzkopf, aber er hat Demut gelernt. Man darf anderen gläubigen Menschen nicht mit dem Holzhammer begegnen, sondern soll sich zuerst in ihre Gedanken- und Glaubenswelt einlassen. Nicht die Unterschiede hervorheben, sondern das Gemeinsame suchen. 2000 Jahre sind seit der Abfassung der Paulusbriefe ins Land gezogen. Die Kirche hat viele Fehler begangen, in ihrem Eifer und in ihrem Hochmut aber dabei übersehen, was in AbuDhabi festgehalten wurde: „Der Pluralismus und die Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache entsprechen einem weisen göttlichen Willen, mit dem Gott die Menschen erschaffen hat“.
Die Botschaft von AbuDhabi ist aktueller denn je und hält fest: „dass die Religionen niemals zum Krieg aufwiegeln und keine Gefühle des Hasses, der Feindseligkeit, des Extremismus wecken und auch nicht zur Gewalt oder zum Blutvergießen auffordern. Diese Verhängnisse sind Frucht der Abweichung von den religiösen Lehren, der politischen Nutzung der Religionen und auch der Interpretationen von Gruppen von religiösen Verantwortungsträgern“. Ich finde es befremdlich, dass weder Papst noch Imam noch sonst ein religiöser Vertreter aus Christentum oder Islam sich in den vergangenen Monaten auf dieses gemeinsame Dokument bezogen oder sich daran erinnert haben. Leider scheint in Anbetracht der Nahostkrise auch hier Papier geduldig zu sein.
Vor Jesus Tür sammelte sich die ganze Stadt. Er fragte nicht nach der religiösen Ausrichtung und Praxis, er heilte viele. Er verkündete die frohe Botschaft. Er trieb den Menschen nicht ihren subjektiven Glauben aus, sondern die Dämonen, die sich immer wieder in jedem Glaubensleben und jeder Religion einnisten, Menschen hart und eng werden lassen und den Kern der Botschaft hinter Maßregelungen und Gesetzen zum Verschwinden bringen.
Das Dokument von AbuDhabi endet: „Denn Gott, der Allmächtige, hat es nicht nötig, von jemandem verteidigt zu werden; und er will auch nicht, dass sein Name benutzt wird, um die Menschen zu terrorisieren“.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Íjob anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Friede und Brüderlichkeit 1. Lesung: Ijob 7,1-4.6-7| 2. Lesung: 1 Kor 9,16-19.22-23| Evangelium: Mk 1,29-39”
Danke Fr. Weiss, dass Sie mit ihren Gedanken und Zitaten sehr aktuell die weltweit spalterischen Tendenzen beleuchten.
Ist es nicht traurig, dass die 3 abrahamitischen Religionen auf dem Tempelberg in Jerusalem 3 Gebetsstätten nebeneinander bauten, aber sich seit 2000 Jahren gleichzeitig bekriegen!
Der Hl. Geist schenke „Shalom“!
https://www.katholisch.de/artikel/4722-ein-berg-drei-religionen