Gelebte Hirtenmentalität 1. Lesung: Ez 34,11-12.15-17a| 2. Lesung: 1 Kor 15,20-26.28| Evangelium: Mt, 25,31-46
Das Fest Christkönig ist ein für die Kirche junges Fest. Papst Pius XI. hat es im Dezember 1925 in den Kirchenkalender eingefügt. Die Kaiser und Könige erlebten in Europa den Niedergang und äußerst zaghaft entstanden wackelige Demokratien. Viele Menschen waren verunsichert. Durch die Wirtschaftskrise mitverursacht herrschten teilweise chaotische Zustände. Da war die Frage: Wer kann das ordnen? Auf wen können wir uns verlassen? Der Papst versuchte mit dem Fest eine Antwort zu geben: Christus ist unser König.
Die biblischen Texte, die uns heute die Kirche zumuten, wollen diesen Titel deuten. Biblisch begegnet uns Jesus Christus als König in der Passion, nämlich als Spottkönig. Als Verurteilter lässt er sich König nennen. Vorher nicht.
Der Prophet Ezechiel betont das Bild von Gott als Hirten, der sich selbst um die Schafe, um das Volk zu kümmern beginnt, weil die Hirten des Volkes – König und Priester – in dieser Aufgabe versagen. Der Hirt holt die verirrten Schafe zurück, er führt sie auf die Weide, die verletzten verbindet er, die schwachen stärkt er, die starken behütet er. Ich Sorge für das Recht zwischen Schafen und Schafen, zwischen Widdern und Böcken.
Ezechiel spricht von Gott als Hirten. Es ist ein Gegenbild zum König, zur Königsmentalität. Der König sitzt im Palast. Er hat schützende Mauern um sich, Soldaten, die für ihn kämpfen und beschützen. Er sitzt auf großen Vorräten, hat Diener und Mägde, die für ihn die Arbeit machen. Öffentliche Auftritte erfolgen vom Thron aus. Die Menschen müssen aufschauen.
Gott als Hirte. Der Hirt verrichtet die Arbeit selbst. Er führt die Schafe auf die Weide. Er kennt den Kampf um das tägliche Brot. Er übernachtet an jener Stelle, die am gefährlichsten ist, am Tor, um seine Herde vor wilden Tieren schützen zu können. Er verbindet die verwundeten. Er trägt die schwachen. Er kennt keinen Thron, auf den er sitzen könnte.
Wenn die Kirche zum Fest Christkönig die Stelle aus dem Propheten Ezechiel verwendet, dann wird das Königtum Christi gedeutet. Christus als König kann falsch verstanden werden. Als die Menschen nach der Brotvermehrung kommen und ihn zum König machen wollen, lässt er es nicht zu (Joh 6,15). Er wehrt sich gegen das Königtum. Erst zum Schluss – als gedemütigter und verspotteter – lässt er es zu und sich König nennen. Er stirbt an der gefährlichen Stelle, am Tor zur Menschlichkeit. Da verstehen seine Gegner keinen Spaß. Ein Gott, der sich in den menschlichen Niederungen bewegt, ist eine Gefahr für die Mächtigen, die Selbstgerechten, die Etablierten und Satten.
Nachfolge Jesu zeigt sich in der gelebten Hirtenmentalität, im Dasein für die Schafe. Es wäre eine Verzerrung des Christseins, wenn ich den Glauben, das Christsein verwende, um mich über andere zu setzen, von oben herab auf sogenannte Sünder, Fernstehende, Gescheiterte, Verarmte oder Bedrängte zu schauen.
Diese Hirtenmentalität Jesu zeigt sich vertieft im Evangelium dieses Sonntags, die die letzten Worte seiner Verkündigung sind. Anschließend folgt die Passion, der Leidensweg. Als die Bibel geschrieben wurde, hatte man nicht die Möglichkeit einen Text zu unterstreichen oder fett zu drucken. Wenn etwas wichtig war, dann wurde es wiederholt, zweimal erwähnt. Hier wird es viermal gesagt. Mit anderen Worten: Der Glaube entscheidet sich im Umgang mit den Hungernden, Dürstenden, Fremden, Obdachlosen, Nackten, Kranken, Gefangenen. In diesen gibt sich Gott selbst zu erkennen, macht ER sich erfahrbar.
Das Bild Christus als König bekommt durch die biblischen Texte eine besondere Deutung, vielleicht die Umdeutung bisheriger Vorstellungen: Den Titel König verdienen jene, die sich der kleinen und bedrängten Menschen annehmen, jene, die den Menschen am Rande Würde geben. Allen anderen ist der Titel abzusprechen.
Vor 160 Jahren, am 22. Nov. 1863, wurde in der damals erneuerten Kirche in Hard zum ersten Mal die Eucharistie gefeiert. Es ist die Feier jenes Hirten, dessen Angesicht in besonderer Weise in den Hungernden und Dürstenden, den Nackten, Fremden und Gefangenen aufscheint. Dieses Gotteshaus lädt alle ein, die hungern und dürsten, die nackt, fremd oder gefangen sind. Es ist ein Haus der Hoffnung für Menschen mit Wunden, Defiziten und Sorgen.
Dieses Gotteshaus mit Christus als König erinnert uns zugleich daran, wie Jesus seine Gemeinde versteht: Seid einander Hirtinnen und Hirten. In dieser Sorge für die Hungernden und Dürstenden, im Dasein für Fremde, Obdachlose oder Gefangene begegnen wir dem Menschensohn, der uns in seiner Herrlichkeit und mit Engeln sucht und begegnen will.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Ezéchiel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: