Gott braucht keine Opfer 1. Lesung: Ex 20,1-17|2. Lesung: 1 Kor 1,22-25|Evangelium: Joh 2,13-25
Am Ende des ersten Jahrhunderts wird das Evangelium nach Johannes aufgeschrieben. Es hatte sich viel an der Situation der Christen verändert, ebenso die anstehenden Themen und Herausforderungen. Die Anhänger des neuen Weges – Christen – waren inzwischen noch mehr in die Rolle der politischen und gesellschaftlichen Außenseiter gerutscht. Not, Bedrängnis bis hin zur Verfolgung kennzeichneten das Leben und doch war das Wachsen der Anhängerschaft gegeben.
Johannes reagiert auf diese veränderte Situation und setzt neue theologische Schwerpunkte. Er versucht vor allem die Menschen in ihrer Spiritualität und Motivation zu erreichen. Dieses Evangelium von der Tempelreinigung versuche ich auf diesem Hintergrund zu erläutern.
Dieser sogenannten Tempelreinigung geht das erste Zeichen voraus: das Weinwunder zu Kana. Wasser wird zu Wein. Es steht am Beginn des Evangeliums und deutet auf eindrückliche Weise die Sendung Jesu. Er sieht sich gesandt als einer, dessen Absicht es ist, dass die Menschen das Leben als Fest zu Ende feiern können. Das Leben als Fest ist gefährdet durch Krankheit oder Schicksalsschläge, aber noch mehr durch Not, Elend, Ausgrenzung und Verfolgung. In Kana gibt Jesus zu verstehen, dass der Wein der Freude, der Dankbarkeit, des versöhnten Lebens bleiben soll.
Was im weiteren Evangelium nun folgt, soll dem Anliegen dienen, dass das Leben ein Fest bleibe: seien es die Heilungen, die Gespräche, die Rettung des Lebens jener Frau, die Männer auf den Tempelplatz zur Steinigung schleppen, die Auferweckung des Lazarus, die Fußwaschung und die Weise, wie Jesus seinen Weg in der Passion geht.
Allerdings ist die erste Maßnahme, damit das Leben ein Fest bleibt, eben die Tempelreinigung. Die anderen Evangelisten haben die Tempelreinigung nach Jesu feierlichem Einzug in Jerusalem (eingefügt), quasi nach dem Palmsonntag in der Karwoche. Die Tempelreinigung ist bei Matthäus, Markus und Lukas jener Anlass für den endgültigen Beschluss der Priesterschaft, Jesus zu töten. Johannes stellt die Tempelreinigung an den Anfang seines Evangeliums. In der Tempelreinigung geht es Jesus um das Gottesverständnis.
Er nimmt dabei Bezug auf eine Forderung des Propheten Jesaia (Jes 1). Letzten Sonntag haben wir die Erzählung von der Opferung Isaaks (Bindung Isaaks) vernommen mit dem zentralen Inhalt, dass Gott keine Menschenopfer will und der Übergang zu den Tieropfern erfolgt. Jesaia lehnt auch die Tieropfer ab. Jesaia im Originalton: „Was soll ich mit euren vielen Schlachtopfern? … die Brandopfer von Widdern und das Fett von Mastkälbern habe ich satt und am Blut der Stiere, Lämmer und Böcke habe ich kein Gefallen. Bringt mir nicht länger nutzlose Gaben, Räucheropfer, die mir ein Gräuel sind! … Wenn ihr auch noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut. Und Jesaia weiter: Wascht euch, reinigt euch! Schafft mir eure bösen Taten aus den Augen! Hört auf, Böses zu tun. Lernt, Gutes zu tun! Sucht das Recht! Schreitet ein gegen die Unterdrücker! Verschafft den Waisen Recht, streitet für die Witwen“ (Jes 1,11-17 auszugsweise).
Gott braucht keine Opfer, weder Menschen-, Tier- noch andere Opfer. Menschen müssen nicht mit Opfern die Liebe Gottes erheischen oder gewahr werden. Gott liebt die Menschen um ihrer selbst willen. Die Antwort auf die Liebe Gottes ist Dankbarkeit, Lob und Ehre, ist das weitergeben der Liebe. Dies zeigt sich im dankbaren Teilen, im Eintreten für Recht und Gerechtigkeit, in der Zuwendung zu den Waisen und Witwen, damals die Letzten im Sozialgefüge.
Nur nebenbei sei erwähnt, dass ein wesentlicher Grund des Widerstandes der Priesterschaft gegen das Vorgehen Jesu in ihrer Existenzangst und ihren Privilegien lag. Sie lebten vom Opferwesen.
Gott will keine Opfer. Sie ehren Gott nicht. Gott wird geehrt durch Solidarität, durch das Sorgen mit- und füreinander. Er wird geehrt im Achten darauf, dass allen ihre Rechte zukommen, vor allem jenen, die sich selbst nicht wehren können. Er wird geehrt, wenn Menschen die gleiche Würde, Respekt und Achtung zukommt.
Wenn die Kirche die Tempelreinigung ganz ernst nimmt, dürfte die Eucharistie nicht mehr als „Messopfer“ bezeichnet werden. Eucharistie heißt zu Deutsch: Danksagung und meint das dankbare Teilen. Eucharistie ist verbunden mit Wandlung, Verwandlung und Veränderung. Opfer haben die Tendenz, die Umstände und Zustände so zu belassen, wie sie sind. Sie haben die Tendenz, die Privilegien der „Satten“ festzuschreiben.
Die Tempelreinigung hat gesellschaftspolitische Relevanz. Wir werden auch die Folgen der Covid-19 Pandemie nicht mit „Opfern“, die den Menschen abverlangt werden, in guter Weise lösen, sondern mit gelebter Solidarität, mit dem Mühen um Recht und Gerechtigkeit, mit der Sorge vor allem für jene, die am schlimmsten von der Pandemie betroffen sind. Diesen Geist atmet die Tempelreinigung.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Exodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
4 Kommentare zu “Gott braucht keine Opfer 1. Lesung: Ex 20,1-17|2. Lesung: 1 Kor 1,22-25|Evangelium: Joh 2,13-25”
In der Klarheit der Gedankenführung und in der Einfachheit der Worte bringt diese Predigt die Bedeutung des “Wortes Gottes” für und im Leben der Christen zum Leuchten. Die “Lehre der Kirche” (z.B. Katechismus, Nr. 2099, 2100) bleibt ziemlich weit hinter der evangelischen Radikalität der Umkehr des Opferdenkens zurück. Das ‘do-ut-des’ (lat. für: ich gebe, damit du gibst) ist – im zwar Sinne Jesu gesprochen – völlig verkehrt, doch es wäre unrealistisch, die Neigung des Menschen zum vermeintlich heilbringenden Mechanismus des Opfer(n)s (= Sündenbock), zu leugnen. Die dringende Aktualität und den radikalen Ernst dieser Predigt (in meinen Augen) möchte ich mit folgendem Zitat unterstreichen: “Entweder müssen die Menschen sich ohne Vermittlungen durch Opfer miteinander versöhnen oder sich damit abfinden, daß die Menschheit demnächst ausgelöscht wird. Diese stets schärfere Einsicht in die Kultursysteme und Mechanismen ist nicht umsonst; sie ist nicht ohne Gegenleistung … Der endgültige, vorbehaltlose Verzicht auf Gewalttätigkeit zwingt sich uns auf als conditio sine qua non des Überlebens der Menschheit und eines jeden einzelnen von uns.”(Rene Girard, Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses, Freiburg 1983, S. 140). – Ein Vorschlag: Wäre eine Gesprächsgruppe (online oder live) denkbar, zur Vertiefung und Ausweitung des Opfer-Themas?
Wenn Gott keine Opfer braucht, will und möchte, fragt sich, wer oder was von uns immer noch und immer wieder Opfer verlangt?
Unabhängig von religiöser Weltanschaung gilt meines Erachtens:
Als Teil der Natur werden uns vom Leben viele Opfer abverlangt, die wir oft unfreiwillig und manchmal auch zähneknirschend bringen müssen.
Aber als mit Geist erfüllte Wesen erkennen wir unsere eigene Bedürftigkeit und die der anderen und sollen geschwisterlich zu aufopfernder Fürsorge fähig sein, damit der Mensch nicht sich selbst zum Wolfe wird.
Der Begriff “Opfer” ist problematisch. Ich meine, wir sind dem biblischen Verständnis von Wille Gottes näher, wenn wir von Hingabe oder Liebe, von hingeben oder lieben sprechen.
Erich Baldauf