Gott mit uns 1. Lesung: Jes 7,10-14 | 2. Lesung: Rom 1,1-7 | Evangelium: Mt 1,18-24
Es ist von Anfang an ein Verhau. Es läuft alles andere als glatt. Und zufügen könnte man noch: Selbst in der Heiligen Familie.
Mit diesen Worten kann man den Anfang des Evangeliums bei Matthäus beschreiben. Schon der Stammbaum, mit dem er sein Werk beginnt, zeigt auf, dass er nicht „koscher“ ist. Da ist eine Dirne dabei: Rahab. Dann die Frau des Urija – sie wird nicht einmal mit Namen genannt -, die Mutter des Königs Salomon. David machte sie auf eine äußerst fragwürdige Weise zur Frau. Dann die Moabiterin Ruth: Inzest ist ein Thema, das fromme Juden die Nase rümpfen lässt.
Und um die Geburt Jesu scheint sich der Verhau fortzusetzen. Eine Verlobte wird schwanger. Von wem? Der Verlobte will es recht machen, will den Menschen gerecht werden. Er fragt: Was soll ich tun? Wie reagieren? Ein Verlassen ohne Aufsehen scheint ihm zunächst das Geeignetste zu sein.
Und wir wissen, dass es mit dem Verhau noch weiter geht: Es gibt einen eigenartigen Besuch: Sterndeuter – Heiden – kommen zum Kind, bringen Geschenke mit und beten an. Aber zugleich ist das Kind bedroht. Tödlich bedroht. Das zwingt die Familie zur Flucht. Wer sucht sich freiwillig das Flüchtlingsschicksal aus?
Mit der Geburt Jesu Christi war es so, hält Matthäus fest. Es ist keine Familienidylle, bei der sich den Beteiligten – Maria und Josef – die Erwartungen, Träume, Wünsche und Pläne erfüllen würden, auch nicht die Planungen von Verlobung, Hochzeit …dann das Kind. Es ist ein Verhau. Nichts scheint glatt zu laufen.
Wenn alles drunter und drüber geht, melden sich viele Stimmen, innere und äußere. Nicht anders ergeht es dem Josef. Matthäus zeigt auf, welche bei ihm die letzte Kraft bekommt: Es wird gesagt, dass dem Josef während er nachdenkt im Traum ein Engel des Herrn erscheint. Josef hört hier nicht auf Einflüsterer von außen, nicht auf die Stimmen der Großfamilie, der Tradition oder anderer Autoritäten, nicht einmal auf das Gebot der Bibel, das ihm das Steinigen der Verlobten erlaubt hätte, sondern er hört in sich hinein und er schenkt dem Gehör, was Gott mit ihm träumt. Die Stimme des Engels: es ist die zutiefst innerste und reinste Stimme des Herzens, die hier ins Spiel kommt. Sie wird zur Grundlage seiner Reaktion.
Ein erstes, was ihm der Engel sagt: Fürchte dich nicht. Lass dich nicht von der Angst und Furcht auffressen, einschüchtern oder kleinkriegen. Es ist die Ermutigung, mit der Situation angstfrei umzugehen, die Entscheidung angstfrei von möglichen Reaktionen und Bemerkungen der Umwelt zu treffen.
Diese „andere“ Stimme hat für ihn zugleich Zusagen und Verheißungen: Das Kind sei vom „Heiligen Geist“. Damit wir es nicht falsch verstehen, jedes Kind ist vom Heiligen Geist. Ein Kind ist mehr als das Produkt einer Frau und eines Mannes, mehr als das Produkt einer Mutter und eines Vaters. Es ist vom „Heiligen Geist“. Jedes Kind ist und hat die Botschaft von einer „anderen“ Welt. Ein Kind ist ein Wunder. Ein Kind bewirkt Wunder. Wie kann das Betrachten eines Kindes die Gesichter und sogar den Charakter von Menschen verändern?
Im Hören auf dieses Innerste vernimmt Josef, dass es nicht allein eine Sache zwischen ihm und der Verlobten ist. Das Kind mit dem Namen Jesus wird das Volk von seinen Sünden erlösen. Er ahnt Verantwortung über die mögliche eigene Befindlichkeit hinaus. Das Kind ist Teil des Volkes und wird einen besonderen Dienst im Volk übernehmen. Er befreit von Sünden und wird gegen Not und Elend in verschiedensten Formen arbeiten.
Und schließlich ist es ein prophetisches Wort, auf dem Josef sein Leben aufbauen kann, nämlich auf dem Wort, bzw. Namen: Immanuel – Gott ist mit uns. Es ist für Matthäus ein durchgehender Gedanke des Evangeliums: Gott ist mit den Menschen. Es zeigt sich im Stammbaum. Gott geht mit. Er geht den Weg der Menschen durch alle Geschlechter mit. Er geht auch die krummen Wege mit.
Es wird vom Engel dem Josef zugesagt: Immanuel. Gott ist mit uns. Und am Ende des Evangeliums haben wir keine Geistausgießung wie bei Lukas, sondern Matthäus schließt das Evangelium mit dem Satz: „Siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20b). Ende der Welt schließt die beiden Aspekte zeitlich und räumlich ein. Er ist mit uns alle Tage, in guten und schlechten, in frohen und traurigen, in glücklichen und unglücklichen Zeiten des Lebens. Er ist mit uns bis an die Ränder des Lebens. Es schließt ein: Not, Elend, Krankheit, Schuld, Sünde und Tod. Es ist auch ein wichtiger Teil der Theologie unseres Papstes. Gott ist mit uns bis an die Ränder der Welt, auch dort wo es manchmal Gott-los erscheint.
Gott verkündigen ist dieses „Gott mit uns“ zu leben. Jenen Hoffnung zu bringen, die sich sorgen, sie seien von Gott verlassen oder verworfen. Die Zuwendung birgt die Botschaft des Gott mit uns.
Es gibt eine kirchliche Krankheit – vielleicht müssen wir es sogar als Sünde bezeichnen – , die Welt in Menschen aufteilen zu wollen, die Gott haben und in solche, die ihn nicht haben oder ihm fern sind. Einem Menschen Gottferne „andichten“ zu wollen, handelt gegen die Botschaft des Matthäusevangeliums. Es gibt vielleicht Menschen, die seine Spuren, seine Gegenwart nicht lesen können. Gott ist aber auch mit ihnen. Vielleicht sind es gerade diese Menschen, die uns helfen können den „Immanuel“ zu buchstabieren.
Ein Kommentar zu “Gott mit uns 1. Lesung: Jes 7,10-14 | 2. Lesung: Rom 1,1-7 | Evangelium: Mt 1,18-24”
Das ist eine Weihnachtspredigt ganz nach meinem Herzen – in ALLEN Punkten, bis auf den einen, nämlich dort, wo es um “Immanuel” geht. Dass nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass “Gott mit uns” auf den Koppelschlössern (https://de.wikipedia.org/wiki/Gott_mit_uns) preussischer, deutscher (und zeitweilig wohl auch auch österreichischen) Soldaten gestanden hat, ist irgendwie schade, das gehört auch zum “Verhau”. Die “kirchliche Krankheit” im abschließenden Absatz und worin sie besteht – nämlich in der Vereinnahmung des Namens Gottes für wie immer geartete persönlicihe oder gesellschaftlich-politische Zwecke – gehört vermutlich zu den schwersten “Sünden wider den Geist”, die weder der Welt noch der Kirche fremd ist – und die Bibel weiß davon auch Lieder zu singen….