Gott träumt vom Leben 1. Lesung: Jes 7,10-14| 2. Lesung: Röm 1,1-7| Evangelium: Mt 1,18-24
Die Kindheitsgeschichte nimmt zentrale Themen des Evangeliums vorweg. Heute kommt Josef als Verlobter Marias ins Blickfeld. Es wird über ihn viel gesagt. Ein wörtliches Zitat von ihm selbst gibt es nicht. Der Evangelist rückt damit Gott in den Mittelpunkt des Geschehens. Dazu einige Erläuterungen:
Es kündigt sich bei Maria eine Schwangerschaft an. Sie irritiert in besonderer Weise den Verlobten. Wir wissen heute nicht genau, was alles dahinterstand. In einer ersten Reaktion beschließt Josef, Maria in Stille zu verlassen.
Es folgt dann der Hinweis: Josef, ihr Mann, der gerecht war. Es ist die Beschreibung in welcher Weise Josef die Thora – die Bibel – liest. Josef ist ein „Sadik“, einer, der die Bibel nicht dem Buchstaben nach – wortwörtlich – liest und versteht, sondern der sie dem Sinn nach auslegt und zu leben versucht. Er liest sie mit den Fragen verbunden: Was dient dem Leben? Wie kann ich den Menschen gerecht werden? Er war kein Fundamentalist und kein Rigorist; auch keiner im Schema des Schwarz-Weiss-Denkens.
Josef, ein „Sadik“. Es gibt zugleich an, welche Erziehung Jesus genossen hatte. Nach dem ersten Lebensjahr war der Vater für die religiöse Erziehung verantwortlich. Im Judentum ist dies bis heute die Praxis. Jesus lernte die Bibel dem Sinn nach zu lesen.
Nach dem damals bestehenden, biblischen Gesetz hätte Josef Maria dem Gericht übergeben und damit steinigen lassen können. Es kommt für ihn nicht in Frage. Er überlegt und will sie – wie bereits erwähnt – in einer ersten Reaktion nicht bloßstellen, aber in Stille verlassen.
Es wird uns dann berichtet: Als Josef darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum. Ikonen, die Josef darstellen, zeigen oft diesen nachdenklichen Josef, der in sich versunken, mehr abwesend als präsent wirkt, und dabei offensichtlich seinen Weg sucht.
Während er darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn. „Engel des Herrn“ ist eine Umschreibung für Gott selbst, der ins Leben eingreift. Es gibt Situationen, in denen Menschen ahnen, da bin jetzt ich gemeint, vielleicht auch gefordert. Es ist dieses Ahnen mit einer anderen Wirklichkeit in Berührung gekommen zu sein. Und doch bleibt ein Dazwischen – Engelhaftes –, eine Erkenntnis, ohne für sie Beweise zu haben.
Während Josef nachdenkt, erscheint ihm im Traum ein Engel. Wir wissen, dass in den Träumen Themen hochkommen, die einen Menschen zutiefst beschäftigen. Träume sind in ihrer Denkart frei. Sie halten sich an keine Konventionen, keine Traditionen, keine Gesetze oder Gebote. Träume sprengen alle Denkschablonen und Denkschienen. Träume können über bisher Gedachtes, über bestehende Regeln und Gesetze hinausgehen. In diesem Denken kommt Josef zu einer neuen Entscheidung. Er nimmt Maria zu sich. Er gibt ihr seinen Schutz.
Will ich Menschen gerecht werden, dann ist es manchmal notwendig über Gebote und Gesetze, über Traditionen und Konventionen hinaus zu denken. Während Josef darüber nachdachte, erschien ihm im Traum ein Engel. Es ist Gott, der mit Josef zu träumen beginnt. Er träumt nicht von Tod und Verlassen, von Strafe oder Vergeltung, sondern vom Leben, von Solidarität und Beistand in dieser schwierigen Situation.
Es spiegelt sich darin zugleich eine Lebensweisheit: In einer fordernden Situation gibt es gewöhnlich eine erste Reaktion, eine erste Entscheidung, die meist darauf abzielt, das Problem zu beseitigen. Wenn man dann nochmals überlegt, eine Situation mit allen Konsequenzen überdenkt, vielleicht eine Nacht überschläft, kommt es oft zu einer besseren, fundierteren und weit hilfreicheren Entscheidung oder Lösung.
Diese Bibelstelle erzählt uns – nochmals – viel über Gott: Das erste, was der Engel zu Josef sagt: Fürchte dich nicht! Es ist die häufigste Redewendung in der Bibel: Fürchte dich nicht! Gott trägt uns auf, uns nicht von der Furcht und Angst leiten zu lassen. Wir sind eingeladen, immer wieder furchtlos und angstfrei an Themen und Aufgaben heranzugehen.
Ein letzter Gedanke: Das Kind, das Josef zunächst irritierte und in Verlegenheit brachte, soll er „Jesus“ nennen, zu Deutsch: „Gott rettet.“ „Gott hilft.“ Das Problem wandelt sich in Rettung, in Lebensrettung. Es wird uns da viel über Gott gesagt, wenn er den Josef beauftragt, das Kind soll er „Jesus“ nennen.
Der Grund der Irritation und Verlegenheit des Josef wird zur Rettung. Gott träumt vom Leben. Er träumt mit uns vom Leben. Wir sind eingeladen – gerade auch in herausfordernden Situationen – jenem Gott Vertrauen zu schenken, der rettend entgegenkommt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: