Im Geiste Davids handeln 1. Lesung: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23 | 2. Lesung: 1 Kor 15,45-49 | Evangelium: Lk 6,27-38
Was Jesus in der Feldrede bei Lukas anspricht mit: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln” (Lk 6,27) oder weiter: „Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt ihnen Gutes Tun und leihen, auch wo ihr nichts erhoffen könnt. … Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,35), ist ein Rückgriff auf David, bei dem in seinem Verhalten gegenüber Saul diese Haltungen sichtbar sind. Einen Teil haben wir als Lesung gehört. Ich möchte den Hintergrund näher erläutern.
König Saul ist in Ungnade gefallen. Die Geschichte ist nicht ganz einfach zu verstehen. Es geht um Ungehorsam, um Halbherzigkeit und falsche Bereicherung (1 Sam 15). In der Folge erhält Samuel den Auftrag, einen neuen König zu suchen und zu salben. Die Wahl fällt auf den Benjamiter, den Sohn Isais: David. Er besiegt den Riesen Goliat und sammelt erstmals die zwölf Stämme zu einem Volk. Saul nimmt zunächst David zu sich. Als diesem aber mehr und mehr die Vorhaben gelingen, beginnen bei Saul der Neid und die Feindschaft zu wachsen.
Es steigert sich so sehr, dass er mit dreitausend Mann David verfolgt. Bei dieser Verfolgungstour erledigt Saul gerade in jener Höhle die Notdurft, in der sich David versteckt hielt. Die Bibel beschreibt damit sehr eindrücklich, dass ein Mensch immer verletzlich bleiben wird. Man kann sich noch so sehr schützen, absichern und mit Stärke auftreten wollen, jede und jeder bleibt verwundbar. Die Begleiter des David raten ihm, Saul zu töten. David verwehrt sich dagegen. Nur einen Zipfel von Sauls Mantel schneidet er als Beweis ab: „Der Herr bewahre mich davor, meinem Gebieter, den Gesalbten des Herrn so etwas anzutun und Hand an ihn zu legen; denn er ist ein Gesalbter des Herrn“ (1 Sam 24,7). Als Saul die Höhle verlassen hatte, kam David ebenso heraus und zeigte Saul das Stoffstück und fragt ihn: „Warum hörst du auf jene Leute, die sagen: Gib Acht, David will dein Verderben“ (1 Sam 24,10).
Schließlich weint Saul und antwortet David: „Du bist gerechter als ich; denn du hast mir Gutes erwiesen, während ich böse an dir gehandelt habe“(1 Sam 24,18). Saul hat die Gesinnung Davids erkannt und gesehen. Es schien als sei der Konflikt geregelt. Saul geht nach Hause und David seine Wege.
Doch die Feindschaft kommt bei Saul bald wieder zurück. Im Buch Samuel – nur zwei Kapitel später – bricht Saul zum zweiten Mal mit dreitausend Mann auf und stellt David nach. David mit seinem Begleiter Abischai schlich in das Lager des Saul. Dort angekommen rät Abischai David, Saul zu töten. Doch David antwortete – wir haben es in der Lesung gehört: „Mich bewahre der Herr davor, dass ich meine Hand gegen den Gesalbten des Herrn erhebe“ (1 Sam 26,11). Sie nahmen den Speer Sauls, der neben seinem Kopf im Boden steckte und den Wasserkrug mit.
Von der anderen Seite des Tales ruft David am nächsten Morgen zunächst Abner, den Heerführer Sauls, zu: Warum bist du deiner Aufgabe, der Bewachung Sauls, nicht ordentlich nachgekommen?
Dann fragt er nochmals Saul: Warum verfolgst du mich? Welches Unrecht habe ich dir angetan? Und weiter: Kommt dein Zorn von Gott her, dann möge ein dementsprechendes Opfer geleistet werden. Oder: Haben dich Menschen gegen mich aufgehetzt? Dann ist gegen die vorzugehen.
Saul kann schließlich seinen Fehler einsehen. Er sagt zu David: „Ich werde dir nichts zuleide tun, weil dir heute mein Leben so kostbar war. Ich sehe ein, ich habe töricht gehandelt und schwere Fehler gemacht“ (1 Sam 26,21). Am Ende wird David von Saul gesegnet, bzw. wird es Saul möglich, David mit einem Segen in die Zukunft zu entlassen.
David schafft es hier nicht nur, eine tiefe, tödliche Feindschaft durch sein Handeln in einen Segen zu verwandeln, er lebt sein Königtum auf besondere Weise. In der Taufe sind wir ebenso zum König sein, zur Königin sein gesalbt. Wir sind berufen im Geist Davids dieses „Königtum“ zu leben.
David lebt in dieser Phase sein König sein als Hirte. Er hat keinen Palast, keinen Thron, kein Heer. Er versteht sein König sein als Geliebter und Liebender. Seine Autorität gründet in seiner authentischen Lebensweise, in seiner Achtung und in seinem Respekt vor jedem Menschen, auch vor dem Feind. Er benützt seine Macht nicht um andere zu verdrängen, klein zu machen oder zu bekämpfen. Er lebt sein König sein, um Menschen ins Leben zu führen, sie von einem feindlichen, gehässigen, neidischen Denken wegzuführen.
Er wehrt sich gegen das Töten oder Fertigmachen eines Feindes. Vielleicht führt uns der arabische Frühling eindrücklich vor Augen, dass mit dem Töten oder Wegschaffen von Autoritäten die Probleme nicht gelöst werden können. Es wurden in mehreren Ländern die Diktatoren getötet bzw. ermordet. Wir können wohl schwer sagen, dass dadurch die Probleme gelöst worden wären, im Gegenteil, vielfach wurden das Chaos und die menschliche Not größer.
Es sind noch zwei Gedanken, die in dieser Erzählung bei David aufleuchten: Es wird das Handeln Davids, seine Feindesliebe beschrieben. Sie ist mit Risiko verbunden. Er ist in Sauls Lager eingedrungen. Er ist ihm sehr nahe gekommen, lebensgefährlich nahe. Die Feindesliebe ist ein Wagnis. Sie erfordert Mut und Geschick. Sie braucht Phantasie und Kraft. Sie ist nicht lächerlich und in ihrem Wesen nicht ein Ausdruck menschlicher Schwäche.
Ein zweiter Gedanke: David zeichnet sich darin aus, dass er jeweils die Blöße, die Verwundbarkeit Sauls nicht ausnützt, missbraucht oder für seine Ziele verwendet. Er nützt weder die Fehler noch die Schwächen Sauls aus, um sich über ihn lustig zu machen, erhaben zu zeigen oder als ein Besserer da zu stehen. Über der Verwundbarkeit erhebt sich seine schützende Hand. David hinterfragt Saul zutiefst in seinem Handeln, achtet aber zutiefst sein Leben und seine Würde.
Im Geist Davids handeln: Wir wissen, es können auch Blicke, Worte, Gesten u.a. töten. Jesus sagt im Evangelium: Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Was die Erzählung weiter deutlich macht. David sucht jeweils Menschen, die ihn auf seinem Weg begleiten – beistehen.