Arm und Reich versöhnen 1. Lesung: Jer 17,5-8 | 2. Lesung: 1 Kor 15,12.16-20 | Evangelium: Lk 6,17.20-26
Um dem Anliegen einer Schriftstelle näher zu kommen ist hilfreich, den Zusammenhang in den Blick zu nehmen. Jesus war auf dem Berg. Er hat aus den Jüngern die zwölf Apostel erwählt. Davor hat er gebetet, so heißt es. Wichtige Entscheidungen trifft Jesus immer im Zusammenhang mit Gebet. Er verkündet das Reich Gottes. Das Reich Gottes übersteigt unsere Machbarkeit. Wir haben nicht alles in der Hand und müssen aber auch nicht alles in der Hand haben. Es mag manches anders kommen, als es gewünscht ist, dennoch wird Reich Gottes, bleiben wir selbst auf einer heilsamen Spur. Es sei hier angemerkt: Jesus betet und trotzdem ist bei der Wahl Judas Iskariot mit dabei. Übrigens erwähnt es Lukas bereits bei der Wahl, dass Judas der Verräter sein wird. Ein Thema, dem es nachzusinnen lohnt: Was ist Gebet? Wozu ist es gut? Wem und wie dient es?
Das Evangelium lässt dann Verse aus. Es ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Da wird nämlich erwähnt, dass viele zu Jesus kommen, um ihn zu hören und viele werden von Krankheiten geheilt. Auch die von unreinen Geistern Geplagten werden geheilt. Alle versuchten ihn zu berühren, weil eine Kraft von ihm ausging, die alle heilte.
Unreine Geister können Verschiedenes bedeuten: Ängste, Selbstzweifel, aber auch Vorurteile, Gehässiges, Neid, Verbitterung, Verzweiflung … Jesus ist im Tal, in der Lebenswirklichkeit, in der Not vieler Menschen angekommen. Es geht eine Kraft von ihm aus, die viele heilte. Es ist auch heute so, wer mit IHM – seinem Geist – in Berührung kommt, sich von IHM berühren lässt, bei dem oder der kann vieles heil werden.
Dann folgt eine Rede an die Jünger. Sie nimmt er in den Blick. Sie, die Vieles zurück gelassen haben und die ihm nun nachfolgen. Er nimmt jene in den Blick, die das Leben suchen, die noch nicht selbstzufrieden, satt oder abgestumpft sind.
„Selig, ihr Armen – aber weh euch, die ihr jetzt reich seid.“ Es ist zu beachten, dass Jesus nicht die Armut oder die Not des Hungers an sich, sondern die Armen und die Hungrigen selig preist. Jesu Botschaft ist keine billige Vertröstung auf das Jenseits. Sie ist genauso wenig eine Art von Seligkeit auf das Diesseits beschränkt. Er will neue Maßstäbe zur Geltung bringen. Jetzt! Nicht erst am Ende der Zeit. Dazu will er die Reichen, die Satten und Mächtigen herauslocken aus ihrer materiellen Enge, aus ihrer Selbstbezogenheit und Selbstgenügsamkeit.
Die Seligpreisungen und Wehrufe spricht Jesus auf jeden einzelnen Menschen und zugleich auf die ganze Welt hin. Sie scheinen eine Art Antwort zu sein auf das, was Jesus zu sehen und zu spüren bekommt in seiner Begegnung mit den Menschen. Es geht eine Kraft von ihm aus, die Viele heilte. Es geht ihm aber um einen weiteren und vielleicht sogar tieferen und gemeinschaftlichen – gesellschaftlichen – Heilungsprozess, nämlich an die Wurzel vieler Krankheiten: Die Kluft zwischen arm und reich, hungrig und satt, weinend und lachend, glücklich und unglücklich. Diese Kluft, die oftmals kränkend und verletzend ist, die oft Grund für Zwietracht, Angst, Hass und vielfach Grund für zerstörte Beziehungen oder Familienbande ist.
Es steht oft so unversöhnt nebeneinander bzw. Reiche und Satte neigen zu einem herablassenden Blick auf die Armen und Hungrigen, auf jene, die mit dem Leben kaum fertig werden. Von den Armen und Hungrigen wird manchmal überheblich gefordert, sie sollten oder könnten mehr tun, dann würden sie den Satten und Reichen gleich. Diese Melodie wirkt zynisch, besonders wenn sie politisch gespielt wird.
Es lohnt den Blick in den griechischen Urtext des Evangeliums. Dort ist das „ouai“, das „wehe“, nicht ein Drohwort, sondern ein Wort das die Einsicht oder mindestens die Ahnung zum Ausdruck bringt, dass Unheil droht – hier: den Reichen und Satten, die keinerlei Hunger mehr kennen und keines Trosts mehr bedürfen. In diesem Sinne sind die Weherufe eher als Worte des Mitleids oder als Warnungen zu verstehen: der Mitleidenschaft, der „Compassion“ Jesu mit allen, denen Reichtum oder ihr Sattsein das Herz und oft genug auch den Verstand geraubt hat.
Leider ist es so, dass die Reichen und Satten oftmals verlernen zu leben. Oft genug sind sie bei all ihrem materiellen Reichtum arme, un-heile Menschen, die meinen, sich kaufen und teuer absichern zu müssen, was andere sich getrost schenken lassen können: das Leben oder (auch) die Liebe.
Für Lukas ist es ein zentraler und wichtiger Teil der Botschaft Jesu: diese Versöhnungsarbeit zwischen arm und reich, hungrig und satt. In der Apostelgeschichte wird von der Jerusalemer Gemeinde gesagt: Sie hatten alles gemeinsam. Jeder brachte von dem ein, was er oder sie hatte. Und jedem wurde soviel zugeteilt, wie er oder sie nötig hatte (Apg 4,32-37).
Diese Versöhnungsarbeit ist für Lukas mehr als ein Sozialprogramm, für das im Letzten oft das Geld fehlt. Es ist für ihn mehr als eine Caritassammlung, in der ein Almosen für die Bedürftigen abfällt. Es geht für Lukas um eine Grundeinstellung: Trage Verantwortung mit dem oder für das, was du hast. Wenn du Gott suchst oder wenn du das Leben suchst, dann wirst du es nicht in der Sattheit oder im Reichtum finden, sondern Gott und das Leben findest du bei den Armen, den Hungrigen, den Trauernden, den Verhassten.
Der Glaube an den einen, lebendigen Gott ist konfliktiv, hat uns unser Exerzitien Leiter Gotthard Fuchs letzte Woche erklärt.