Kinder stark machen 1. Lesung: Gen 15,1-6; 21,1-3 | 2. Lesung: Röm 16,25-27 | Evangelium: Lk 2,22-40
„Als die Eltern alles getan hatten, was die Thora – das Gesetz – vorschreibt, kehrten sie nach … Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit und seine Gnade ruhte auf ihm.“
Über die Kindheit Jesu wird uns nicht allzu viel berichtet. Es sind zwei Evangelisten – Mt u. Lk -, die uns einige Details aus den Kinder- u. Jugendjahren überliefern. Aber es findet sich darin sehr Lehrreiches.
Das Kind wurde kräftig, stark. Kinder stark machen. Unter diesem Thema finden wir in der Diözese verschiedenste Angebote. Unter diesem Thema finden wir in verschiedenen Städten, in unserem und anderen Bundesländern Österreichs Angebote, die es sich zum Anliegen gemacht haben, Kinder stark zu machen. Starke Kinder sind, so die These, eher gegen Süchte, Missbrauch und Gewaltanwendung gewappnet. Wir dürfen dankbar und froh für diese Initiativen sein.
Im Evangelium entdecke ich Aspekte, die das Kinder stark machen ergänzen können bzw. die schlichte Frage: Was lies das Kind Jesus kräftig, stark werden?
Da wird zunächst erwähnt, dass die Eltern das Kind in den Tempel bringen und „opfern“. Sie bringen das Kind in den Tempel und sagen Gott danke. Sie machen sich bewusst, dass das Kind nicht ihr Besitz ist, über das sie einfach verfügen können oder wollen. Es ist ein Geschenk Gottes; ein Gabe und Aufgabe zugleich, dass sie begleiten dürfen. Jesus genießt die dankbare Achtung seiner Eltern.
Als die Eltern in den Tempel eintreten kommen prophetische Menschen hinzu, die zunächst davon sprechen, dass das Kind ein Licht für die Heiden ist und Herrlichkeit für das Volk Israel. Dann weiter: Es wird ein Kind sein, das Anstoß erregen wird und ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Durch ihn werden viele zu Fall kommen und viele aufgerichtet.
Es wird also zunächst gesagt, dass das Kind Versöhnungsarbeit leisten wird zwischen der Heidenwelt und Israel: ein Licht für die Heiden und Herrlichkeit für Israel. Aufgabe dieses Kindes wird nicht sein, zu spalten, bzw. den tiefen Spalt, der zwischen Israel und den Heiden bestand, noch weiter zu vertiefen. Es wird im Dienste der Versöhnung stehen und dies deshalb, weil sie sich ergänzen, weil sie sich brauchen. Heil ist da, wo die Gräben der Feindschaft, der Ausgrenzung, der Verachtung schwinden. Heil ist da, wo Menschen teilen, einander stützen, einander Mut zusprechen, ja Freude aneinander haben.
Es wird dann weiter gesagt, dass das Kind Anstoß erregen wird und das vor allem in Israel. Es ist kein angepasstes Kind, das einfach funktioniert. Es wird kein angepasster Mensch werden. Es sind alte Menschen, die zum Kind herantreten und formulieren, was für die Zukunft wichtig sein wird. Sie haben Lebensgeschichte. Sie wissen um die Not, um die Gräben, die das Volk leiden lässt. Sie formulieren den Urgrund der Not: Es ist nicht nur dieses unversöhnte Nebeneinander, sondern noch mehr das mit Hass erfüllte Gegeneinander von Heiden und Israel. Diese prophetischen Menschen gehen nicht davon aus, dass allein die Heiden, die Besatzer, die Fremden zum Handeln gefordert sind, sondern auch sie selbst – ihr Volk Israel. Jesus wird Anstoß erregen.
Bei den ganzen Debatten um die Schulreform stellt sich mir manchmal die Frage: Was wollen wir mit der Schule? Was ist das Ziel? Für welche Herausforderungen bereiten wir die Kinder, die Schüler vor? Genügt es uns, wenn sie für die Wirtschaft und das Konkurrenzdenken gut vorbereitet werden? Oder was heißt es, wenn wir die Kinder technisch, organisatorisch … gut ausbilden, aber die humanistische Ausbildung links liegen lassen? Ernten wir vielleicht die Früchte bisheriger Ziele?
Was brauchen die Kinder heute, die einer Zeit entgegen gehen, in der 10 Mrd. Menschen leben werden. Was brauchen sie, um in den bevorstehenden Veränderungen verbunden mit der Digitalisierung und Roboterisierung als Gesellschaft bestehen zu können? Was lässt Menschen in Frieden und Gerechtigkeit leben in einer Welt, in der Millionen von Menschen sich auf den Weg machen werden, weil sie durch die Klimaveränderung brotlos geworden sind oder im Meer untergehen?
„Kinder stark machen“, wenn dem so sein soll, wird man an diesen Fragen nicht vorbei kommen. Wir dürfen und sollen diese Fragen stellen, weil sie nichts anderes thematisieren als den Plan Gottes mit uns Menschen. Sein Plan ist das gelobte Land – auch heute und für diese Welt. Gepriesen sei Gott.
Es wird noch etwas erwähnt, das wir nicht übersehen sollten: „Gott erfüllte das Kind – Jesus – mit Weisheit und seine Gnade ruhte auf ihm.“ Es ist ein Kind erfüllt mit Weisheit, vielleicht besser: mit gelernter Lebensweisheit. Weisheit ist mehr als Wissen, Intelligenz und Schlauheit. Sie bezeichnet vorrangig ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu finden.
Es ist eine Weisheit, die von Gott kommt, die von Gott her denkt, auf die Welt sieht und sie deutet. Weisheit, die weder spaltet noch ausgrenzt. Weisheit kehrt nicht unter den Teppich, auch nicht das Unangenehme. Weisheit sucht nach Lösungen, sucht das Verbindende, ist selbstkritisch und hält Unterschiedlichkeit und Ungelöstes aus. Sie hat vor allem auch Geduld. Weisheit weiß um den Kairos, um den rechten Augenblick, weiß, dass Gott hinter allem steht und nur er das Gelingen schenkt. „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst.“ (Psl 127,1) Man kann nichts erzwingen und mit Weisheit aber doch viel bewirken.
Jesus wurde kräftig. Damit ein Mensch in der Weisheit wachsen kann, braucht es Vorbilder, braucht es Diskussionen, viele Diskussionen, braucht es einen lebendigen, geerdeten Glauben, der noch nicht auf alles eine Antwort hat.
Es ist ein Bündel von Motiven, die Jesus kräftig werden lassen.
Ein Kommentar zu “Kinder stark machen 1. Lesung: Gen 15,1-6; 21,1-3 | 2. Lesung: Röm 16,25-27 | Evangelium: Lk 2,22-40”
Die Eltern brachten Jesu – wie es das Gesetz aus Exodus 13,13 vorschreibt: „Jeden deiner Erstgeborenen Söhne musst du auslösen” – in den Tempel. „Der Herr sprach zu Mose: Erkläre alle Erstgeburt als mir geheiligt! Alles, was bei den Israeliten den Mutterschoß durchbricht, bei Mensch und Vieh, gehört mir“ (Ex 13,2). Die Auslöse des Erstgeborenen besagt, dass Gott auf das Besitzrecht verzichtet. Dieses Besitzrecht nimmt er nicht einmal bei seinem eigenen Erstgebornen in Anspruch. Eine beeindruckende Freiheitszusage an seinen eigenen Sohn. Kindern Freiheit geben und sie los lassen, kann Kinder stark machen.